Video • Sicherheit für Ärzte und Pfleger
Covid-19: Wie groß ist das Infektionsrisiko durch beatmete Patienten?
In enger Zusammenarbeit mit Intensivmedizinern des Kloster Grafschaft-Fachkrankenhauses untersuchen Wissenschaftler der Bauhaus-Universität Weimar, wie sich die infektiöse Atemluft bei beatmeten Corona-Erkrankten verbreitet. Ziel ist es, das Infektionsrisiko in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen einzudämmen.
Was passiert, wenn die eigene Atmung von Patienten nicht mehr ausreicht und maschinell unterstützt werden muss? Wie weit strömt infektiöse Atemluft in den Raum? Und welche Sicherheitsvorkehrungen müssen Mediziner sowie Pflegekräfte entsprechend beachten? Diesen Fragen gehen die Beatmungs-Spezialisten Dr. Dominic Dellweg und Dr. Jens Kerl gemeinsam mit Prof. Dr.-Ing. Conrad Völker, Amayu Wakoya Gena und Dr. Hayder Alsaad von der Professur Bauphysik der Bauhaus-Universität Weimar nach. Im Fokus der Untersuchungen stehen Verfahren für Patienten, die schwer am Coronavirus erkrankt sind und mithilfe einer Mund-Nasen-Maske oder einer Nasenbrille (nasale High-Flow-Therapie) unterstützt werden müssen.
Die Studie wurde peer-reviewed und vor Kurzem im Fachjournal Critical Care Medicine angenommen.
Neben der konventionellen Sauerstofftherapie mittels Mund-Nasen-Masken hat sich in den letzten Jahren die nasale High-Flow-Therapie (NHF) bei Patienten aller Altersstufen etabliert, da sie die invasive Beatmung, die bei der Coronavirus-Erkrankung mit einer hohen Sterblichkeit verbunden ist, verhindern kann. Über eine Nasenbrille erhält der Erkrankte erwärmte, befeuchtete und sauerstoffangereicherte Luft. Dabei kommt es zu hohen Luftströmen vor dem Gesicht. "Ungewiss war bislang, wie weit sich die mit Krankheitserregern angereicherte Atemluft bei verschiedenen Flussraten im Patientenzimmer ausbreitet und somit das medizinische Personal gefährdet", erläutert PD Dr. Dominic Dellweg, Chefarzt der Pneumologie I des Fachkrankenhaus Kloster Grafschaft GmbH in Schmallenberg, eines der größten Beatmungszentren Deutschlands. Neue Erkenntnisse ergab das Experiment im Schlierenlabor der Bauhaus-Universität Weimar: Mithilfe des sogenannten Schlierenspiegels können die Weimarer Forscher kleinste Luftströme im Raum sichtbar machen. Darauf aufbauend wurde die Testreihe in Kooperation mit den Medizinern aus Nordrhein-Westfalen wiederholt und hinsichtlich verschiedener Risikosituationen aus dem intensivmedizinischen Alltag spezifiziert. Dabei zeigte sich, dass die Reichweite infektiöser Atemluft mit steigendem Beatmungsdruck zunimmt und bis zu vier Meter in den Raum gepustet wird. Da möglicherweise ein erhöhtes Risiko für durch Tröpfchen übertragene Krankheiten bestehe, sollte der Sicherheitsabstand entsprechend angepasst werden.
Die Studie wurde mit einer gesunden, männlichen Testperson durchgeführt, die vor dem Schlierenspiegel saß und mit einem NHF-Therapiegerät ausgestattet war. Die Atmung der Testperson wurde mit einem Standard-Schlaflabor-Polygraphiesystem überwacht. Untersucht wurden drei Szenarien mit unterschiedlichen NHF-Flussraten sowie ein Vergleichsfall mit spontaner, nicht assistierter Atmung: Die maximale Aerosolausbreitung betrug 0,99 m (Spontanatmung ohne NHF), 2,18 m (NHF 20 l/min), 2,92 m NHF (40 l/min) und 4,1 m (NHF 60 l/min). Zu beachten ist jedoch, dass die Schlierenbildtechnik ausschließlich die Dichte von Fluiden, in diesem Fall der Ausatemwolke, visualisiert. Das heißt, es können keine Aussagen über die Größe und Verteilung der Viruspartikel innerhalb der Atemluft getroffen werden. Es bedarf daher weiterer Forschung, um zu untersuchen, ob NHF nur die Dimension der Ausatemwolke vergrößert und dadurch die Viruskonzentration sogar verdünnt oder ob NHF die absolute Menge des aus der Lunge ausgestoßenen Virus erhöht.
Quelle: Bauhaus-Universität Weimar
21.04.2021