Artikel • Klinische Indikationen der Kardio-MRT
CMRI: Eine Modalität erobert das Herz
In den vergangenen Jahren haben sich die klinischen Indikationen zum Einsatz der Magnetresonanztomografie (MRT) in der kardialen Diagnostik erheblich erweitert, berichtet Prof. Dr. Bernd Wintersperger, Leiter der Abteilung für Herzbildgebung am Toronto General Hospital. Auf dem Garmisch-Symposium spricht der Experte über die Vorteile und Anwendungsbereiche der als CMR (Cardiovascular Magnetic Resonance) bekannten Modalität – aber auch darüber, wann andere Techniken die Nase vorn haben.
Bericht: Wolfgang Behrends
Bei der Detektion koronarer Herzerkrankungen (KHK) rückt die Herz-MRT allmählich ins Rampenlicht: In der jüngst erschienenen Guideline zur Diagnostik akuter Thoraxschmerzen nimmt die Stress-Perfusion im kardialen MRT eine zunehmende Rolle ein. Prof. Wintersperger sieht den prognostischen Wert der Modalität als entscheidenden Faktor: „Im Stress-MR lässt sich ablesen, ob Veränderungen in den Herzkranzgefäßen den Muskel derart einengen, dass eine Unterversorgung vorliegt. Für die anatomische Darstellung der Koronararterien mag die CT bessere Ergebnisse liefern, aber funktionell ist die MRT führend.“ Das gelte ebenso für die Quantifizierung von Klappenveränderungen wie der Regurgitation, bei denen der Kernspin durch seine Genauigkeit in der Volumetrie selbst Echtzeit-Verfahren wie die Echokardiografie in den Schatten stellt.
Auch bei einer Reihe weiterer Krankheitsbilder kann die Herz-MRT ihre Stärken ausspielen. Dazu zählen dilatative Erkrankungen des Herzens ebenso wie hypertrophe Kardiomyopathien wie Amyloidose oder Morbus Anderson-Fabry. „Diese Erkrankungen können mit den verschiedenen Methoden der MRT differentialdiagnostisch abgedeckt werden“, erklärt der Bildgebungs-Spezialist. Grundsätzlich sollte jedoch klar sein, ob überhaupt die Möglichkeit zur therapeutischen Intervention besteht. „Wenn man etwas sehen kann, aber nicht behandeln, hat die Bildgebung keinen nennenswerten Mehrwert“, gibt er zu bedenken.
Bildquelle: Wintersperger
Stark in der Langstrecke und im Blick aufs Detail
in weiteres Einsatzgebiet der Herz-MRT ist die Therapiekontrolle, etwa bei Patienten mit angeborenen Herzfehlern. „Hier können im Laufe des Lebens immer neue Sekundärkomplikationen auftreten“, weiß Wintersperger zu berichten. Auch bei asymptomatischen Patienten sei eine regelmäßige Bildgebung sinnvoll, um krankhafte Veränderungen frühzeitig zu erkennen. Denn bei vielen Erkrankungen kommt es zu einer zusätzlichen Fibrosierung des Herzmuskels, die beim Auftreten von Beschwerden häufig schon nicht mehr reversibel oder schwer therapierbar ist. Der Radiologe appelliert jedoch, bei engmaschigen Kontrollintervallen auch die Gesamtentwicklung im Auge zu behalten: „Wenn sich ein Gefäßdurchmesser innerhalb eines Jahres um 1 mm erweitert, ist das meist kein Alarmzeichen – wenn aber in den letzten fünf Jahren 10 mm oder mehr hinzugekommen sind, sieht die Sache ganz anders aus. Hier bringt vor allem die geringe Test-/Retest-Variabilität des MRT einen großen Vorteil.“
Die Weiterentwicklung der Technik hat dazu geführt, dass Herzbewegungen die Bildqualität mittlerweile kaum noch beeinträchtigen. Eine mögliche Ausnahme stellen Patienten mit kontinuierlichen Arrhythmien dar – weil MR-Aufnahmen meist über mehrere Herzschläge hinweg erstellt werden, kann es bei der Zusammensetzung der Bilddaten zu Artefakten kommen. Neuentwickelte Echtzeit-Techniken stellen hier eine Alternative dar.
Mittel der Wahl ist die Herz-MRT auch dann, wenn Genauigkeit gefragt ist. So ist bei der Entscheidung für oder gegen das Einsetzen eines Defibrillators (ICD) maßgeblich, in welchem Maße die Herzfunktion eingeschränkt ist. Ein wesentlicher Grenzwert ist etwa die Auswurffraktion des linken Ventrikels (LVEF); liegt diese unter 35% (ggf. 40%), spricht das für die Implantation. „Die Echokardiografie hat hier eine zu hohe Variabilität, so dass ein Patient im Laufe einer Untersuchung etwa zwischen 32% und 40% schwanken kann. Darauf lässt sich keine belastbare Empfehlung aufbauen. Die MRT liefert dagegen eine klare Aussage – das erleichtert es auch, Patienten in die Therapieentscheidung mit einzubeziehen.“
Fortschritte und Baustellen
Den Siegeszug in der kardialen Bildgebung hat die MRT unter anderem technischen Innovationen zu verdanken: Über das parametrische Mapping (T1 und T2) lässt sich auf Veränderungen des Herzmuskels schließen; die physikalische Beschaffenheit wird zum bildgebenden Biomarker. „Beispielsweise weist ein erhöhter Wassergehalt auf ein Myokardödem hin“, erläutert Wintersperger. In den wenigen Jahren seit seiner Einführung sei das T1-Mapping zu einem wertvollen Werkzeug in der klinischen Routine geworden – allerdings sei ein gewisses Maß an Expertise nötig, um die physikalischen Parameter richtig zu interpretieren.
Es ist wichtig, die MRT als Teil des gesamten Spektrums der Herzbildgebung zu sehen – nur so kann man entscheiden, welche Modalität indiziert ist
Bernd Wintersperger
Ein großes Manko stellt nach wie vor die Standardisierung parametrischer MRT-Daten dar: „Die Ergebnisse sind abhängig von der verwendeten Feldstärke, der gefahrenen Sequenz und dem Gerät, mit dem die Aufnahmen angefertigt werden“, zählt der Radiologe auf. „In diesem Punkt ist uns die Nuklearmedizin in gewisser Weise voraus – sie liefert zwar keine großartigen Bilder, aber diese können standardisiert ausgewertet werden.“ Den Grund sieht Wintersperger in der vorwiegend Community-getriebenen kontinuierlichen Entwicklung der MR-Bildgebung; neue Sequenzen und Anwendungsbereiche kommen primär von den Anwendern. „Das erschwert jedoch eine einheitliche Translation in die klinische Praxis.“
Alle für einen statt einer für alles
In der Kardio-Diagnostik nimmt die MR-Bildgebung eine zentrale Rolle ein, fasst Wintersperger zusammen. Die Herz-MRT werde daher bisweilen von Patienten als das ‚gründlichere‘ Verfahren wahrgenommen und anstelle von First-Line-Techniken wie Echokardiografie eingefordert – ein Anspruch, der nicht nur aus Kostengründen unrealistisch sei. „Jede Modalität zu seiner Zeit“, betont der Experte. Welche Untersuchung den größten Nutzen bringt, hänge unter anderem von der Symptomatik ab, mit der der Patient vorstellig wird – eine Universallösung, die alle Fälle optimal abdeckt, gebe es da nicht. „Es ist wichtig, die MRT als Teil des gesamten Spektrums der Herzbildgebung zu sehen – nur so kann man entscheiden, welche Modalität indiziert ist.“
Grundsätzlich rät der Radiologe dazu, das ganze diagnostische Spektrum zu nutzen, anstatt sich nur auf die Bildgebung zu verlassen. Zu diesem Werkzeugkasten zählen neben Labortests auch genetische Untersuchungen, die bei der Einordnung von Erkrankungen helfen, die in der Bildgebung nicht voneinander zu unterscheiden sind. „Wichtig ist das klinische Gesamtbild. Darin macht die Herz-MR zwar einen großen Teil aus – aber eben nicht den einzigen.“
Garmisch-Session: Klinische Indikationen der CMRI (Donnerstag, 20.1.2022, 11.20)
Profil:
Prof. Dr. Bernd Wintersperger ist Leiter der Abteilung für Herzbildgebung im Department of Medical Imaging am University Health Network/Peter Munk Cardiac Centre in Toronto, Kanada. Zuvor war er als Oberarzt und Leiter des Bereichs Allgemeine Radiologie und Herz-MR-Bildgebung am Institut für Klinische Radiologie der LMU München tätig, für die er nun als Senior Consultant tätig ist. Wintersperger ist Professor für Radiologie an der University of Toronto, Gutachter für verschiedene anerkannte internationale Fachzeitschriften sowie Kommiteemitglied verschiedener internationaler Gesellschaften, darunter RSNA und ISMRM.
20.01.2022