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Chronischer Zelltod begünstigt Leberkrebs
Ein internationales Team von Wissenschaftlern vom Deutschen Krebsforschungszentrum und von der Universität Zürich hat jetzt gezeigt, dass chronischer Zelltod die Tumorentstehung begünstigt.
Leberzellkrebs entsteht besonders häufig, nachdem die Leber durch chronische Krankheit geschädigt worden ist. Unklar war bisher, wie diese Ereignisse auf molekularer Ebene zusammenhängen. Die Forscher fanden heraus: Je mehr Zellen absterben, desto stärker müssen sich die verbliebenen Zellen teilen. Bei diesen Teilungen häufen sie Mutationen an: ein Nährboden für Leberzellkrebs.
In Deutschland galt Leberzellkrebs bislang als eher selten, doch seit einigen Jahrzehnten erkranken auch hierzulande immer mehr Menschen daran. Wer an einer Leberzirrhose, Hepatitis B oder C, Fettleibigkeit und Typ-2 Diabetes mellitus leidet, ist besonders gefährdet. Leberzellkrebs entwickelt sich meist aus einer chronischen Lebererkrankung heraus und diese Krankheiten werden hierzulande immer häufiger.
Ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Mathias Heikenwälder und seinem Kooperationspartner Achim Weber von der Universität Zürich hat jetzt herausgefunden, dass das Enzym Caspase 8 bei diesem Prozess eine wichtige Doppelfunktion einnimmt. Die Untersuchungen fanden zunächst an Mäusen statt. Patientendaten zeigen, dass die Ergebnisse auf den Menschen übertragbar sind.
Einerseits ist Caspase 8 wichtig für den programmierten Zelltod, Apoptose genannt. Durch Apoptose schützen entartete Zellen den Organismus, indem sie sich selbst eliminieren. Lange Zeit galt deshalb das Motto: Apoptose schützt vor Krebs. Die aktuelle Studie zeigt, dass das nur für jede einzelne Zelle gilt, nicht aber für das gesamte Gewebe der Leber.
Unterlaufen zu viele Zellen gleichzeitig eine Apoptose, begünstigt das die Krebsentstehung. Der Grund: Die verbleibenden Leberzellen müssen sich dann viel stärker teilen, um den Gewebeverlust auszugleichen. „Leberzellen sind so hohe Teilungsraten über einen längeren Zeitraum nicht gewöhnt, sie sind damit überfordert und machen Fehler“, erklärt Mathias Heikenwälder vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg.
Wir wissen bisher nicht, wann und warum Caspase 8 und die anderen Moleküle sich zusammentun und nach DNA-Schäden suchen
Mathias Heikenwälder
Patienten mit einer chronischen Leberentzündung akkumulieren daher zahlreiche DNA-Schäden – den Nährboden für Krebs. Denn je mehr Mutationen sich in die DNA einschleichen, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Zelle aus ihrem normalen Lebenszyklus ausbricht und sich ungehindert teilt und wächst.
Caspase 8 hat jedoch noch eine ganz andere Funktion. Das Molekül ist als Teil eines neu identifizierten, größeren Komplexes daran beteiligt, Schäden an der DNA zu erkennen und deren Reparatur einzuleiten. Die Apoptose- und die Reparatur-Funktion arbeiten unabhängig voneinander. Sie lassen sich also auch getrennt voneinander beeinflussen. Das ist besonders wichtig für die Behandlung von Leberkrebs oder chronischen Lebererkrankungen. Eliminierte man das Enzym Caspase 8 komplett, dann würde man zwar den programmierten Zelltod und die Entstehung von Krebs verhindern. Gleichzeitig würde man die Zelle jedoch auch eines DNA-Reparaturmechanismus berauben. Das gilt es zu vermeiden.
Als nächstes möchten die Wissenschaftler prüfen, ob es ähnliche Vorgänge auch bei anderen Krebsarten gibt und die Dynamik des Mechanismus genauer untersuchen. „Wir wissen bisher nicht, wann und warum Caspase 8 und die anderen Moleküle sich zusammentun und nach DNA-Schäden suchen“, sagt Heikenwälder. „Da sind noch viele Fragen offen.“
Quelle: Deutsches Krebsforschungszentrum
12.09.2017