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News • Maschinelle Präzision
Chirurgische Robotik: Hochentwickelte Assistenz oder bald allein im OP?
Eingriffe an Speiseröhre, Leber, Bauchspeicheldrüse, Gallenblase, Enddarm und Prostata sowie Adipositaschirurgie: In vielen Bereichen ist eine minimalinvasive Operation heute das gängige Verfahren. Durch kleinere Schnitte, geringeren Blutverlust und weniger Schmerzen erholen sich Patienten oftmals besser.
Zur Unterstützung und Weiterentwicklung der Schlüssellochchirurgie ist mittlerweile auch die robotergestützte Chirurgie auf dem Vormarsch. Dieses Verfahren eignet sich besonders für diffizile feinchirurgische Arbeiten in schlecht zugänglichen und engen Bereichen. Wie Roboter Chirurgen heute bereits unterstützen, ob sie die Sicherheit bei OPs erhöhen, inwiefern sich die höheren Kosten von Roboterassistenz lohnen und künstliche Operateure längerfristig menschliche gar ersetzen, sind Themen auf dem teil-hybriden 140. Deutschen Chirurgie Kongress (DCK 2023). Dieser findet vom 26. bis 28. April 2023 im Internationalen Congress Center München (ICM) statt. Zuvor gibt es vom 18. bis 20. April 2023 das digitale Format DCK.digital mit Nachmittags- und Abendsitzungen.
Mit Hilfe der Kameras können Blickwinkel eingestellt werden, die man bei der herkömmlichen Chirurgie so nicht hat
Andreas Seekamp
Bei minimalinvasiven Eingriffen verwenden Operateure sehr kleine und feine Instrumente und eine Miniaturkamera, die sie durch Mini-Schnitte in den Körper einführen. Der Vorteil gegenüber der offenen Chirurgie: „Die rechnergestützte Vergrößerung des Operationsgebiets bietet eine deutlich vergrößerte Darstellung. Zum anderen können mit Hilfe der Kameras Blickwinkel eingestellt werden, die man bei der herkömmlichen Chirurgie so nicht hat“, sagt Universitäts-Professor Dr. Andreas Seekamp, DCK 2023-Kongresspräsident und Direktor der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Kiel am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein. Die robotergestützte Chirurgie geht noch weiter: In diesem Fall sind die kleinen Instrumente an Roboterarmen befestigt.
Dies ermöglicht einen größeren Bewegungsspielraum und eine höhere Präzision als bei mit der menschlichen Hand durchgeführten Operationen. „Man sitzt an einer Konsole mit hochauflösendem Monitor. Während der Operation nimmt der Roboter die Bewegungen der Hände über ein elektromagnetisches Feld und Joysticks auf. Diese führt der Roboter über winzige Instrumente aus und eliminiert dabei auch das natürliche Ruhezittern der Hände“, erläutert der Orthopäde und Unfallchirurg.
Mittlerweile kommen auch neuartige und speziell für die Mikrochirurgie konzipierte Operationsroboter, die mit einem robotischen Mikroskop vernetzt sind, zum Einsatz. Mit ihrer Hilfe können so feinste anatomische Strukturen wie beispielsweise Blutgefäße, Nerven oder Lymphbahnen mit einem Durchmesser von oft nur 0,3 Millimeter wieder miteinander verbunden werden.
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Roboter-Duo verschiebt die Grenzen der Mikrochirurgie
Der Operateur steuert per Roboter winzige Instrumente, während ein weiterer Roboter das Geschehen automatisch im Blick behält: Mit dieser neuartigen Kombination haben Chirurgen in Münster erstmals erfolgreich vollständig robotergestützte mikrochirurgische Eingriffe durchgeführt.
Doch letztendlich sind die Fähigkeiten und das Fachwissen der Operateure entscheidend für das Ergebnis: Der Mensch behält die Oberhand darüber, was wie getan werden soll: „Wir sehen die roboterassistierte Chirurgie eher als ein additives Verfahren, welches das minimalinvasive Spektrum erweitert. Bis heute gibt es kein System, welches ohne eine*n erfahrene*n und versierten Chirurgen oder Chirurgin auskommt“, betont Seekamp.
Die robotergestützte Chirurgie bringt auch für die Chirurgen Vorteile: Die sitzende Tätigkeit an den Konsolen der sogenannten Telemanipulations-Systeme sorgt für eine ergonomisch schonendere Körperhaltung: „Sonst müssen wir häufig stundenlang stehend in unphysiologischen Körperhaltungen verharren.“ Ursprünglich gedacht war sogar die räumliche Entkoppelung vom OP. Hier setzt jedoch die erforderliche hohe Übertragungsgeschwindigkeit enge Grenzen. „Irgendwann müssen die Operateure und Operateurinnen aber nicht mehr vor Ort sein; können vielleicht von ihrem Office als Chefchirurgin oder Chirurg in einen schwierigen Operationsschritt eingreifen“, stellt Universitäts-Professor Dr. Thomas Schmitz-Rixen, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) aus Frankfurt am Main, in Aussicht.
Aktuell ist die roboterassistierte Chirurgie noch nicht flächendeckend und nicht für alle chirurgischen Fragestellungen verfügbar. Dies liegt auch daran, dass die Anschaffung der Geräte bisher mit hohen Kosten verbunden ist. „Hinzu kommt, dass die Anwendung eines OP-Roboters bei der Abrechnung durch die Fallpauschalen nicht lohnend vergütet wird“, so Schmitz-Rixen. Da jedoch immer mehr Firmen auf den Markt drängen, erwartet er, dass zumindest die Preise in den nächsten Jahren deutlich sinken werden. „Ein weiterer Grund, der zögern lässt, ist das Fehlen qualitativ hochwertiger Vergleichsstudien zwischen den herkömmlichen Methoden und der bild- und computergestützten robotischen Chirurgie.“
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Chirurgie
04.04.2023