3D gehört die Zukunft im OP
Die Medizintechnik hat mittlerweile die Automobilindustrie als größter Wirtschaftszweig in Deutschland abgelöst. Sie lebt von Innovationen und benötigt daher Ingenieure. So kann Deutschland seine Stellung als technologisch führende Nation einbringen und zu einem wichtigen Anbieter werden. Internationale Unternehmen haben das bereits erkannt und investieren große Summen in den Entwicklungsstandort Deutschland.
Die Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Computer- und Roboterassistierte Chirurgie (CURAC) ist Teil dieses zukunftsträchtigen Feldes und stellte in Magdeburg viele Innovationen vor. „Wir haben wahrlich eine sehr vielseitige Veranstaltung erlebt“, bilanziert Mitveranstalter Prof. Dr.-Ing. Bernhard Preim vom Lehrstuhl für Visualisierung der Universität Magdeburg. „Im Zentrum stand die Frage, wie Operationssäle gestaltet werden können, um sie ergonomischer und sicherer zu machen. Dabei ging es immer auch um die Auswirkungen eingesetzter Technologien auf das Umfeld und die handelnden Akteure sowie die Kompetenzen der Ärzte. Denn eines ist klar: Bei den knappen Finanzen, vor denen das Gesundheitswesen steht, müssen technische Neuerungen ihren konkreten Nutzen nachweisen, um eine Zukunft zu haben.“
Den interdisziplinären Austausch zwischen Anwendern und Wissenschaftlern verschiedenster Fachrichtungen hat sich die CURAC zum Ziel gesetzt. Diese Möglichkeit nahmen im Rahmen der 10. Jahrestagung 130 Teilnehmer – Unternehmensvertreter, Ärzte, Ingenieure, Naturwissenschaftler und Informatiker – in der Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts wahr. Einen Schwerpunkt der Veranstaltung bildete die Mensch-Computer-Interaktion im OP. „In den vergangenen Jahren lag der Fokus zu stark auf der automatischen Lösung isolierter Teilaufgaben. Wir möchten uns verstärkt auf die Benutzungsschnittstellen konzentrieren“, sagt Prof. Preim.
Herausforderungen der berührungslosen Interaktion überwinden
In seinem Gastvortrag „Mouse-Touch-Touchless-3D: Und wie geht es weiter?“ beschäftigte sich Dr. Ulrich Leiner aus dem Heinrich-Hertz-Institut in Berlin mit genau diesem Aspekt: „Es geht darum, dass in der Stresssituation im OP die Interaktion mit Geräten, Apparaten und Displayanwendungen für alle Beteiligten fehlerfrei funktioniert und eine effiziente Arbeitsweise möglich ist.“ Fehlbedienungen von Soft- oder Hardware seien in der Medizin viel kritischer als in anderen Bereichen. Hier hilft das Design. Anwendungen, die in einfache, gut verständliche und leicht erlernbare Schritte unterteilt sind, sind auch weniger fehleranfällig.
Die Interaktion der Operateure mit Anwendungen oder Maschinen funktioniert über Touchpads, Touchless oder Gestensteuerung. Eine Problematik im OP stellt das sterile Umfeld dar, das die Hauptakteure möglichst nicht verlassen sollen. Das schließt allerdings die bekannten Bedienmöglichkeiten wie Maus und Tastatur aus. Ein Mittel ist die Sprachsteuerung, die jedoch praktische und psychologische Hürden bietet. So ist es beispielsweise schwer, mit Mundschutz klar und deutlich zu sprechen und von einem Computer verstanden zu werden. Auch ist bei mündlichen Anweisungen unter Umständen nicht klar zuzuordnen, ob diese jetzt einem Kollegen oder der Maschine gelten.
Daher gewinnt die berührungslose Interaktion, die Gestensteuerung, mehr und mehr an Bedeutung. „Zum einen haben wir die Sterilitätsproblematik dadurch gelöst, zum anderen kann der Arzt auch aus Distanz von drei bis vier Metern problemlos auf den Bildschirm einwirken. So kann er sich durch Zeigen Information vom Bildschirm abholen, ohne das unmittelbare OP-Feld zu verlassen“, erläutert Dr. Leiner. Allerdings gibt es auch hier Herausforderungen zu bewältigen. Bei der Gestensteuerung fehlt beispielsweise eine ganz wichtige Rückmeldung, die Haptik. Hier hat das Heinrich-Hertz-Institut mit einem Hersteller von OP-Ausrüstungen eine entsprechende Lösung bereits zur Markreife gebracht. „Bis heute wurden damit etwa 50 Operationen unterstützt. Ein Großteil der Anwender sagt, dass das eine hilfreiche und nützliche Sache ist“, bilanziert Dr. Leiner zufrieden.
Die Zukunft gehört im OP sicher dem 3D-Fernsehen, bei dem die Beteiligten stereoskopisch sehen können. Die Voraussetzungen sind gut, da kaum ein Feld so viele wesentliche dreidimensionale Daten bietet wie die Medizin. „Und wenn es möglich ist, diese Daten in ihrer räumlichen Struktur zu sehen - sei es im OP oder bei der Befundung -, gewinnt die Arbeit der Ärzte an Effizienz und Genauigkeit“, ist Dr. Leiner überzeugt. Um die Akzeptanz der Verfahren zu verbessern, gibt es sehr brauchbare und reife Lösungen ohne Einsatz von störenden Spezialbrillen.
CURAC will interdisziplinäre Zusammenarbeit weiter intensivieren
Im Kontext der Mensch-Maschine-Interaktion ist das Risikomanagement eine wichtige Komponente. Bediensicherheit bedeutet Patientensicherheit. „Hier kommen wir langsam zu einer einheitlichen Bedienbarkeit über Herstellergrenzen hinweg. Es finden ähnliche Entwicklungen statt wie vor etwa 20 Jahren in der Radiologie, als mit dem DICOM-Standard Bilddaten einheitlich gespeichert und dargestellt werden konnten. In ähnlichem Stil wird gegenwärtig sehr intensiv am so genannten Surgical DICOM gearbeitet. Dort wird dann zum Beispiel festgelegt, wie eine Implantations- und OP-Planung standardisiert abspeichert werden soll“, berichtet Prof. Preim.
Ein weiterer Themenschwerpunkt der diesjährigen CURAC-Jahrestagung war der chirurgische Workflow. Um Abläufe zu optimieren und das intraoperative Zusammenspiel zu verbessern ist es wichtig zu wissen, wie Operationen tatsächlich ablaufen, wie lange bestimmte Teilvorgänge dauern, welche Instrumente genutzt werden, wie häufig sie geändert werden.
„In Magdeburg haben wir erfahren, dass wir noch stärker interdisziplinär und koordiniert arbeiten müssen. Nur so sind ineffektive Parallelentwicklungen zu vermeiden und es können sich auch standortübergreifend Arbeitsgruppen zusammentun, um Lösungen zu entwickeln, die integriert sind und tatsächlich zusammen passen“, blickt Prof. Preim auf die Tagung zurück und skizziert damit auch gleichzeitig einen Auftrag für die weitere Arbeit der Fachgesellschaft.
Weitere und aktuelle Informationen zur Deutschen Gesellschaft für Computer- und Roboterassistierte Chirurgie sowie zur Jahrestagung finden sich im Internet unter http://www.curac.org.
Bildquelle: WelchAllynGmbH Co.KG
04.10.2011