Chirurgen warnen: Kommerzialisierung gefährdet Patientenversorgung

Die zunehmende Kommerzialisierung im Gesundheitswesen gefährdet die medizinische Versorgung von Erkrankten. Immer häufiger würden ärztliche Leistungen weniger von medizinischen als vielmehr von finanziellen Überlegungen bestimmt, berichtet Professor Dr. med. Reiner Gradinger, Ärztlicher Direktor des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München.

Professor Dr. med. Reiner Gradinger,
Präsident der Deutschen Gesellschaft für...
Professor Dr. med. Reiner Gradinger,
Präsident der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH)

Warum Ethik in der Medizin auch angesichts knapper Kassen wichtig und möglich ist, ist Thema des 127. Chirurgenkongress vom 20. bis 23. April in Berlin. Die Chirurgen diskutieren auch, was gekaufte Patienten und verkaufte Ärzte verhindert.
"Die vorhandenen knappen Ressourcen müssen wir sinnvoll, das heißt ökonomisch einsetzen. Die Medizin wird jedoch durch falsch gesetzte finanzielle Anreize kommerzialisiert", meint Kongresspräsident Professor Gradinger. Dadurch könnten medizinethische Grundsätze aus dem Blickfeld von Ärzten verschwinden. Eigentlich sollte der Arzt seine Kenntnisse und Erfahrungen stets zum Wohl der Patienten einsetzen. Aber immer häufiger beeinflussen kaufmännische Abwägungen die medizinischen Entscheidungen.

Beschleunigt wird dieser seit Jahren andauernde Trend noch durch aktuelle politische Neuerungen wie die im Zuge der Gesundheitsreform eingeführten Fallpauschalen. Bei vielen Patienten deckt der für eine bestimmte Diagnose festgelegte Einheitssatz nicht die Kosten für die optimale Behandlung. Die Folge: Viel zu häufig wird die Entscheidung über Diagnose- oder Therapieverfahren auf Grundlage der Vergütungszahlen entschieden.

Einen weiteren Auswuchs des finanziellen Drucks auf Mediziner enthüllten im vorigen Sommer Berichte, denen zufolge manche Krankenhäuser niedergelassene Ärzte für Zuweisungen von Patienten bezahlen. Diese Kliniken wollen angesichts des steigenden Kostendrucks ihre Auslastung und Wirtschaftlichkeit optimieren. "Solche Zuweiserprämien widersprechen der ärztlichen Ethik", betont Professor Gradinger. "Grundsätzlich muss im Zentrum des medizinischen Denkens die optimale Versorgung des Patienten stehen und nicht der finanzielle Erlös." Experten informieren im Rahmen des Chirurgenkongresses über intelligente und innovative Lösungen für Krankenhäuser trotz knapper finanzieller Mittel. Unternehmens- und Politikberater Prof. Dr. h.c. Roland Berger referiert im Festvortrag zum Abschluss des Kongresses über "Politik und Gesundheit - ein Kostenproblem oder eine wirtschaftliche und menschliche Chance".

12.04.2010

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