Chirurgen starten Modellprojekt zur Risikominimierung bei Lungen-OPs

Nicht nur in der Geburtsmedizin, auch in der Chirurgie explodieren die Prämien für Haftpflichtversicherungen. Grund: Die Zahlungen für Behandlungsfehler bei operativen Eingriffen sind in den vergangenen Jahren jährlich um sechs Prozent gestiegen.

Professor Dr. med. Joachim Jähne
Professor Dr. med. Joachim Jähne

„Wenn sich diese Entwicklung fortsetzt, sind Operationen bald nicht mehr versicherbar“, erklärt der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH), Professor Dr. med. Joachim Jähne. Um dem entgegenzusteuern, wollen Lungenchirurgen gemeinsam mit dem Versicherungsmakler Ecclesia neue Wege gehen. Erstmals soll anhand konkreter Schadensfälle analysiert werden, welche Umstände zu Behandlungsfehlern führen. Ziel ist, passgenaue Prophylaxe-Instrumente zur Risikominimierung in der Chirurgie zu entwickeln. Das Modellprojekt wurde heute auf einer Pressekonferenz aus Anlass des 131. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) vorgestellt, der vom 25. bis 28. März 2014 in Berlin stattfindet.

Zwar ist die Zahl der Behandlungsfehler bei operativen Eingriffen über die Jahre relativ konstant geblieben. „Aber die Schadenssummen pro Fall, die vor Gericht erstritten werden, sind stark gestiegen“, berichtet Dr. med. Christian Kugler, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Thoraxchirurgie (DGT) und Chefarzt der Abteilung für Thoraxchirurgie an der Lungenclinic Großhansdorf. Dies trug zur Explosion der Haftpflichtversicherungsbeiträge für Kliniken bei. Während deutsche Krankenhäuser 2012 rund 350 Millionen Euro zahlten, um sich gegen Schadensersatzansprüche zu versichern, waren es 2013 bereits 550 Millionen Euro – eine Steigerung um 60 Prozent. Zugleich zogen sich etliche große Versicherer aus dem Krankenhausgeschäft zurück.

Aufgrund dieser Entwicklung unternehmen Kliniken schon seit einigen Jahren verschiedene Anstrengungen, um Behandlungsfehler zu minimieren. Die Maßnahmen zur Schadensprävention wurden meist aus anderen Lebensbereichen wie Luftfahrt oder Leistungssport übernommen, etwa die Kontroll-Checkliste vor der OP oder das Team Time Out, ein Moment des geistigen Innehaltens. „Aber wir wissen gar nicht, ob diese Maßnahmen tatsächlich die Realität in der Chirurgie abbilden, ob damit die wichtigsten Fehlerquellen erfasst werden“, erläutert Dr. Kugler. „Gut möglich, dass noch ganz andere Faktoren wie etwa Schlafmangel oder Konzentrationsstörungen eine wichtige Rolle spielen.“

Belastbare Antworten soll jetzt das Projekt von DGT und Ecclesia liefern. Zu diesem Zweck stellt der Versicherungsmakler umfangreiche Datensätze zur Verfügung – detaillierte Ablaufbeschreibungen von Schadensfällen, die aus Hunderten von Krankenhäusern in den zurückliegenden fünfzehn Jahren stammen. „Auf Basis dieser Datenbank wollen wir beispielsweise analysieren, ob es bestimmte Operationen oder Operationstechniken gibt, die mit einem hohen Fehlerrisiko belegt sind“, erläutert DGT-Präsident Kugler.

Weitere Fragen, denen die Projektpartner nachgehen werden: Gibt es bestimmte Anforderungen an die medizinische Erfahrung, mit denen Risiken gemindert werden können? Welches sind besondere Schadensketten, wie kommen sie zustande? Wie sehen optimale Behandlungswege aus? „Am Ende der Analyse steht die Entwicklung von passgenauen Prophylaxe-Instrumenten zur Schadensvorbeugung“, so Kugler. „Sollte dies gelingen, besteht die Möglichkeit, ein Anforderungsprofil für operativ tätige Fachabteilungen zu entwickeln, unter dem Versicherungsunternehmen wieder bereit sein könnten, die potenziellen Schadensfälle zu versichern.“ Erste Projektergebnisse sollen in etwa einem halben Jahr vorliegen.

Weitere Infos zum Kongressprogramm unter www.chirurgie2014.de
 

27.03.2014

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