News • Überdosis für Stammzellen
Calcium-Schub hilft bei der Knochen-Reparatur
Forscher der Universitäten Freiburg und Basel haben einen wichtigen Akteur beim Prozess der Knochenbildung ausgemacht: Nanokristalle, die die Differenzierung von Stammzellen beeinflussen, spielen bei der Regeneration des Gewebes eine zentrale Rolle.
Die neuen Erkenntnisse der Wissenschaftler könnten unter anderem die Behandlung von Osteoporose voranbringen. Die Studie, die im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences – USA“ (PNAS) veröffentlicht wird, stand unter der Federführung von von Prof. Dr. Prasad Shastri, Professor für Biofunktionale Makromolekulare Chemie am Institut für Makromolekulare Chemie und Professor für Cell Signalling Environments im Exzellenzcluster BIOSS Centre for Biological Signalling Studies der Universität Freiburg.
Seine Stabilität und Leichtigkeit verdankt das Knochengewebe seiner Zusammensetzung: Es handelt sich um einen Nanoverbundstoff aus anorganischem Mineral, das so genannte Hydroxyapatit, das in ein organisches Gerüst aus Kollagen eingebettet ist. Zwar regeneriert sich das Knochengewebe im Laufe eines Lebens, aber dennoch ist es bislang eine Herausforderung für die Medizin, einen beschädigten Knochen dazu zu bringen, sich selbst zu reparieren. Damit sich neues Gewebe bilden kann, muss zuvor ungesunder Knochen zerstört werden. Dabei werden zahlreiche Biomoleküle freigesetzt, die zuvor in das organische Gerüst eingebunden waren. Sie beeinflussen den Prozess der Wiederherstellung, indem sie Stammzellen aus dem Knochenmark (mesenchymal stem cells; MSC) dazu bringen, neues Knochengewebe zu bilden. An dieser Stelle jedoch gibt es für die Stammzellen zwei Möglichkeiten: Die MSC können sich zu Knochenzellen differenzieren und damit direkt Knochen bilden, sie können sich aber auch zu Knorpelzellen differenzieren. Diese bilden zunächst eine Matrix aus Knorpel, den so genannten Kallus, der dann in Knochen umgewandelt wird. Das Zusammenspiel dieses Scheidewegs mit dem Zerfall des Gerüsts um das Hydroxyapatit bei der Knochenzerstörung war bisher unklar.
Wir wissen nun, dass [CaSR] ein Hauptschalter für die Knochenbildung ist. Das könnte erklären, warum es so schwierig ist, Knochenbrüche bei Menschen, die an Osteoporose erkrankt sind, zu heilen
Prasad Shastri
Shastri und sein Team entwickelten im Labor eine mineralische Phase, die das Hydroxyapatit im Knochen nachahmt. Mithilfe dieses biomimetischen Materials hat Dr. Melika Sarem aus Shastris Arbeitsgruppe zusammen mit der Forschungsgruppe von Prof. Dr. Ivan Martin, Departement Biomedizin von Universität und Universitätsspital Basel, herausgefunden: Bei der Entscheidung, auf welchem Weg der Knochen neu gebildet wird, kommt es vor allem auf die mineralische Phase an. Sie kann den Calciumsensitiven Rezeptor (extracellular calcium sensing receptor; CaSR) stimulieren, ein Protein, das von MSC gebildet wird und für die Zelle den Calciumspiegel in deren Umgebung bestimmt. Eine übermäßige Stimulation führt dazu, dass die MSC sich direkt in Knochenzellen differenzieren – ohne Zwischenschritt über Knorpelzellen. Außerdem haben die Wissenschaftler in Zellkulturen gezeigt, dass sich die Knochenbildung mit einem Eingriff in die Signalkette über den CaSR vollständig unterbinden lässt. Allerdings ist es auch möglich, die MSC aus der Abhängigkeit von CaSR zu lösen: indem der Rezeptor PTHIR (parathyroid hormone-1 receptor), der den Calcium-Ionen-Haushalt im Gleichgewicht hält, stimuliert wird und daraufhin die Knochenbildung über den Zwischenschritt der Knorpelzellbildung in Gang setzt.
„Unsere Entdeckung bietet neue Einsichten, wie die mineralische Phase die Art der Knochenneubildung bestimmen kann“, fasst Shastri zusammen. „Die Ergebnisse unserer Studie haben einen große Bedeutung für das Design neuer Oberflächen von Implantaten, die der Regenerierung von Knochen dienen“, ergänzt Sarem. Bei Krankheiten wie Osteoporose wird Knochen abgebaut und nur wenig von dem verlorenen Gewebe erneuert. „Unsere Studie zeigt, dass CaSR im Zentrum der Forschung zum Thema Knochenregenerierung steht – wir wissen nun, dass es ein Hauptschalter für die Knochenbildung ist“, sagt Shastri. „Das könnte erklären, warum es so schwierig ist, Knochenbrüche bei Menschen, die an Osteoporose erkrankt sind, zu heilen.“
Quelle: Universität Freiburg
19.06.2018