Eine Senioron liest einen Beipackzettel für ein Medikament. Sie hält mit der...
Die Digitalisierung der Beipackzettel soll die klein gedruckten Medikamenten-Informationen für mehr Patienten verfügbar machen – ob sie dadurch besser verständlich werden, ist eine andere Frage.

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News • Medikamenten-Informationen

Beipackzettel bald digital – aber oft immer noch unverständlich

QR-Code statt Kleingedrucktes – Lesbarkeitsanalyse zeigt: Texte zum Teil vergleichbar mit Sachliteratur

Auf Medikamenten soll künftig ein digitaler Beipackzettel per QR-Code abrufbar sein. Das sieht das überarbeitete europäische Arzneimittelrecht vor, auf das sich die EU-Mitgliedstaaten kürzlich geeinigt haben. So erhalten beispielsweise ältere Menschen, die die Schrift der Papierversion oft nicht gut lesen können, die Möglichkeit, die elektronische Version zu vergrößern oder sich vorlesen zu lassen. Der digitale Beipackzettel soll zudem in mehreren Sprachen verfügbar sein. 

Ein Schritt in die richtige Richtung – doch die verbesserte Zugänglichkeit allein löst ein grundlegendes Problem nicht: Viele Beipackzettel sind sprachlich so komplex, dass sie für Laien kaum verständlich sind. Ob auf Papier, am Bildschirm oder vorgelesen – wer den Inhalt nicht versteht, kann die Informationen auch nicht sicher anwenden. Bevor der digitale Beipackzettel sein volles Potenzial entfalten kann, muss daher die Verständlichkeit der Texte selbst verbessert werden. 

Dass hier Handlungsbedarf besteht, zeigt eine aktuelle Analyse der Versandapotheke mycare.de: Sie hat die Lesbarkeit der Beipackzettel der 50 meistverschriebenen Medikamente in Deutschland untersucht. Basis der Untersuchung ist der Lesbarkeitsindex (LIX), der unter anderem die durchschnittliche Satzlänge sowie den Anteil langer Wörter berücksichtigt. Dieser Index ermöglicht es, eine Einschätzung über die Verständlichkeit der Packungsbeilagen zu treffen, wobei ein höherer Wert auf eine geringere Lesbarkeit hinweist. 

Eine verständlichere Sprache könnte nicht nur das Vertrauen in die Medikation stärken, sondern auch zu einer höheren Therapietreue führen, was wiederum die Behandlungsergebnisse positiv beeinflussen würde

Martin Schulze

Wie aus der Analyse hervorgeht, liegt der durchschnittliche Lesbarkeitsindex der analysierten Medikamente bei 47,04. Dabei liegen 22 Packungsbeilagen über diesem Durchschnitt und 28 unterhalb. Sechs der untersuchten Packungsbeilagen überschreiten einen LIX-Wert von 50 – und fallen damit in die Kategorie Sachliteratur. Laut gängiger Einordnung bedeutet das: Die Texte sind sprachlich komplex, schwer zugänglich und für Laien oft nur schwer verständlich. 

An der Spitze der kompliziertesten Packungsbeilagen steht der Beipackzettel eines Schmerzmittels gegen entzündungsbedingte Beschwerden wie Gelenk- oder Zahnschmerzen. Mit einem LIX-Wert von 53,68 weist er die höchste Komplexität aller untersuchten Texte auf. Fast die Hälfte der verwendeten Wörter (45,5%) zählt zu den langen Wörtern, und auch die durchschnittliche Satzlänge fällt mit 8,14 Wörtern vergleichsweise hoch aus. 

Ebenfalls schwer verständlich sind die Beipackzettel einiger Schilddrüsenpräparate: Zwei Medikamente zur Behandlung von Schilddrüsenerkrankungen wie Kropf oder Schilddrüsenunterfunktion erreichen LIX-Werte von über 51. Der Anteil langer Wörter liegt hier bei rund 44%. Auch die Packungsbeilagen eines Magensäureblockers, eines Cholesterinsenkers und eines Betablockers zur Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen überschreiten die kritische Marke von 50. 

Zu den am besten verständlichen Packungsbeilagen zählen die Beilagen von Gichtmedikamenten und Blutdrucksenkern. Besonders leserfreundlich präsentiert sich die Packungsbeilage eines Gichtpräparats mit einem Lesbarkeitsindex von 41,41. Die Analyse zeigt: 2.159 Wörter verteilen sich auf 461 Sätze – das entspricht einer durchschnittlichen Satzlänge von lediglich 4,68 Wörtern bei einem Anteil langer Wörter von 36,7%. Auch die Beilagen zweier Blutdrucksenker überzeugen mit Lesbarkeitsindizes zwischen 42 und 44 sowie kurzen Satzlängen von unter sieben Wörtern. 

Neben der Lesbarkeit wurde auch die Länge der Packungsbeilagen berücksichtigt. Die Packungsbeilage eines Gerinnungshemmers führt mit 13.902 Wörtern die Liste an, gefolgt von einem Diabetesmedikament mit 13.031 Wörtern. Im Gegensatz dazu kommen die kürzesten Packungsbeilagen mit nur rund 1.100 bis 1.600 Wörtern aus – darunter ein Blutdrucksenker, ein weiteres Herz-Kreislauf-Präparat und ein Entwässerungsmittel. Der Unterschied zwischen den längsten und kürzesten Packungsbeilagen beträgt mehr als das Zehnfache – ein weiterer Faktor, der neben der sprachlichen Komplexität die Verständlichkeit erschwert. Der durchschnittliche Wortumfang der Packungsbeilagen in der Analyse liegt bei 3.101 Wörtern. 

„Eine klare und verständliche Packungsbeilage ist sowohl für ältere und chronisch erkrankte Menschen als auch für Patienten, die ein Medikament zum ersten Mal verschrieben bekommen, von entscheidender Bedeutung, um Medikamente sicher und korrekt anzuwenden. Die Ergebnisse unserer Analyse verdeutlichen, dass bei vielen Arzneimitteln noch Potenzial besteht, die Verständlichkeit zu verbessern", erklärt Martin Schulze, Apotheker und Leiter der pharmazeutischen Kundenberatung bei mycare.de. „Eine verständlichere Sprache könnte nicht nur das Vertrauen in die Medikation stärken, sondern auch zu einer höheren Therapietreue führen, was wiederum die Behandlungsergebnisse positiv beeinflussen würde." 


Quelle: mycare.de 

15.12.2025

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