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Aufatmen in der Kinderradiologie
In den zurückliegenden Jahren gab es in Deutschland kein Kontrastmittel, das für Ultraschalluntersuchungen bei Kindern zugelassen war. Seit Juni 2017 dürfen die Mediziner jetzt aber ganz offiziell SonoVue für die Beurteilung des vesicoureterorenalen Reflux einsetzen.
Bericht: Brigitte Dinkloh
Es beendet den Off-Label-Use des Medikaments, das seit der Einstellung von Levovist vor mehreren Jahren die Lücke unzureichend gefüllt hatte. Die Erleichterung darüber ist groß, nicht zuletzt bei Dr. Martin Stenzel, Leiter der Kinderradiologie im Kinderkrankenhaus Amsterdamer Straße in Köln.
„Wir unterscheiden zwei Einsatzgebiete des Echokontrastverstärkers. Zum einen interessiert uns der vesicoureterorenale Reflux, der gerade bei Säuglingen und Kleinkindern eine große Rolle spielt. Der Rückfluss von Harn aus der Blase in die Harnleiter bzw. die Niere kann unterschiedliche Reaktionen hervorrufen. Dies muss frühzeitig erkannt werden, weil eine antibiotische oder eine ursächliche Behandlung erfolgen muss“, schildert der Kölner Chefarzt, der diese Untersuchung bislang mit ionisierenden Röntgenstrahlen durchführen musste. Die Darstellung mit dem sonographischen Kontrastmittel stellt eine deutliche Erweiterung der Möglichkeiten dar, da jetzt auch bei nicht so dringendem Verdacht untersucht werden kann, da der Aspekt der Anwendung ionisierender Strahlung wegfällt. „Wir haben eine neue Situation. Die Unsicherheit ist weg, dass man ein Kontrastmittel benutzt hat, das nicht zugelassen war. Somit besteht bis auf Ausnahmen keine Notwendigkeit mehr, den Reflux mit Röntgenstrahlen zu beurteilen“, freut sich Stenzel.
Der vesicoureterorenale Reflux stellt eine angeborene Erkrankung dar, bei der eine Konstellation bedingt, dass der Harnleiter ungünstig in die Harnblasenwand mündet und zum Rückfluss des Urins in Harnleiter und Nierenbeckenkelchsystem führen kann. Es betrifft das weibliche Geschlecht häufiger als das männliche und gehört in der Gruppe der angeborenen Erkrankungen von Nieren und Harnwegen/Harnblase (CAKUT) zu den häufigsten Entitäten. Etwa jedes 50. Kind kann betroffen sein. Nicht immer ist aber eine operative Korrektur oder Unterspritzung erforderlich. Nach einigen Monaten oder Jahren kann es auch zu einer Selbstheilung - der Maturation - kommen.
Noch keine Zulassung für die Lebersonographie
Die Sonographie stellt aber gerade bei Kindern und Menschen mit besonderen Einschränkungen eine echte bildgebende Alternative dar
Martin Stenzel
Die andere Anwendung, bei der die intravasale Gabe des Kontrastmittels zum Einsatz kommt, ist die Beurteilung von Leberläsionen. In den USA hat die Food and Drug Administration (FDA) hierfür seit diesem Jahr auch die Zulassung erteilt, die Behörden in Europa bzw. in Deutschland haben aber noch nicht nachgezogen, so dass der Einsatz hier immer noch beschränkt ist.
„Aus der Erwachsenenmedizin wissen wir, dass dieses Verfahren stark mit den Kontrastmitteluntersuchungen im MRT und CT konkurriert. Dank der Kontrastmittel können Tumore nicht nur genauer erkannt werden, sondern mit den dynamischen Untersuchungen können wir anhand des Perfusionsmusters mit hoher Genauigkeit erkennen, ob eine Läsion gutartig oder bösartig ist, oder ob sie eine Gefäßfehlbildung darstellt. Die Sonographie stellt aber gerade bei Kindern und Menschen mit besonderen Einschränkungen eine echte bildgebende Alternative dar.“
Immer wieder gibt es Patienten, die sich nur schlecht untersuchen lassen. Kleinkinder und Säuglinge müssen im MRT oft sediert werden und auch weitere Einschränkungen wie ein Herzschrittmacher schließen diese Untersuchung als Alternative aus. Was die Genauigkeit der Methoden angeht, so sind MRT und Ultraschall gut miteinander vergleichbar, so dass man jeweils eine alternative Methode hat, auch wenn der Vorteil unbestritten ist, dass Kinder jeden Alters ohne weitere Maßnahmen im Ultraschall sofort untersucht werden können. Deshalb hofft Stenzel, dass SonoVue auch für die Leber-Bildgebung bei Kindern bald zugelassen wird und die europäischen Behörden sich der FDA-Freigabe ohne weitere Studien anschließen.
Sicherheit der Kontrastmittel
„SonoVue ist seit 16 Jahren im Einsatz und aus großen Studien an Erwachsenen weiß man, dass es sich um ein sicheres Produkt handelt. Im Sicherheitsprofil liegt es gleichauf mit den intravasal gegebenen Kontrastmitteln für CT und MRT. Absolute Kontraindikationen sind eine bekannte Allergie gegen die Inhaltsstoffe sowie einige Herzerkrankungen. Solange die Zulassung fehlt, bleibt der Einsatz immer eine Einzelentscheidung, diese oft auch in Absprache mit den zuweisenden Kinderärzten und Kinderchirurgen.“
Auch bei der sicheren Methode der MRT sehen sich die Radiologen derzeit konfrontiert mit der Diskussion, welche Bedeutung Kontrastmittelablagerungen im Gehirn haben. Obwohl es bisher nicht bewiesen ist, hat das in den letzten Jahren zu einer merkbaren Verunsicherung bei den anwendenden Ärzten und Patienten geführt. Da aber immer das Interesse besteht, die Patientensicherheit voranzustellen, freut sich Stenzel über alternative Untersuchungsmöglichkeiten: „Bei SonoVue wissen wir, dass es über die Lungen abgeatmet wird, es ist nicht bekannt, dass es sich in irgendeinem Organsystem ablagert. Das gibt uns derzeit eine gute Sicherheit. Darüber hinaus gibt es noch andere Anwendungsgebiete, wie Leber-, Nieren- oder Milzverletzungen in der Traumatologie, die sich eindeutig besser mit dem Echokontrastverstärker darstellen lassen. Wie es hier mit der Zulassung aussieht, ist noch offen“, so der Kinderradiologe.
Ein weiterer Vorteil des Ultraschalls besteht in der Echtzeitdarstellung, während die MRT sich dem nur langsam nähert. In der Sonographie werden Bildsequenzen generiert, die unter einer Sekunde liegen, wohingegen bei vergleichbaren dynamischen MRT-Untersuchungen zwischen den einzelnen Akquisitionen doch mehrere Sekunden liegen können. Der Untersucher kann im Ultraschall jederzeit seinen Fokus in der Untersuchung anpassen, falls er weitere Auffälligkeiten nachweist. Bei mehreren Läsionen kann im Ultraschall jedoch die Übersicht verloren gehen, so dass insbesondere in der präoperativen Abklärung eine MRT notwendig wird.
Auch für Folge- und Vergleichsuntersuchungen ist die Sonographie eine sehr gut einzusetzende Methode. Dr. Stenzel wünscht sich daher, dass mehr Radiologen in die Thematik einsteigen. Ein erster Schritt wurde mit den kürzlichen Aktivitäten der Arbeitsgemeinschaft Ultraschall in der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG) getan.
Profil:
Dr. Martin Stenzel leitet seit April 2016 die Kinderradiologie im Kinderkrankenhaus Amsterdamer Straße der Kliniken Köln GmbH. Der gebürtige Berliner studierte Humanmedizin in Berlin und Wien sowie Molekulare Medizin in Jena. Seine ersten Jahre als Arzt verbrachte er als Radiologe in Berlin, Würzburg und Heidelberg. Im Jahr 2009 wurde er zum Oberarzt berufen und wurde Stellvertreter des Sektionsleiters im Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Sektion Kinderradiologie am Universitätsklinikum Jena. Von 2014 bis zu seinem Wechsel nach Köln war Dr. Stenzel Oberarzt und Sektionsleiter Kinderradiologie der Klinik für Radiologie am Universitätsklinikum Freiburg.
Veranstaltungshinweis:
Sa, 11.11.2017, 13:15 – 14:00
Konstrastmittelverstärkter Ultraschall (CEUS)
Dr. Martin Stenzel, Köln
Session: Pädiatrische Radiologie
Congress-Saal
10.11.2017