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Anthrax: Neuer Wirkstoff setzt auf Eisen-Entzug
Münchener Forscher haben einen vielversprechenden Ansatz gegen Milzbrand-Erreger (Anthrax) entwickelt:
Quelle: CDC, Bacillus anthracis Gram, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons
Indem sie spezielle Komponenten des Bakteriums gezielt ausschalten, kann dieses das für ihn lebensnotwendige Eisen nicht mehr aufnehmen. Die neue Strategie könnte den Weg zu einer besseren Behandlung der lebensgefährlichen Infektion bahnen.
Das neu entwickelte Petrocalin fängt Petrobactin ab und entzieht damit dem Milzbranderreger den Zugang zum lebensnotwendigen Eisen, was wie ein Protein-Antibiotikum wirkt
Arne Skerra
Anthrax-Bakterien benötigen wie jede Körperzelle das essentielle Spurenelement Eisen. Dieses ist in Körperflüssigkeiten jedoch fest an Proteine gebunden, also nicht einfach verfügbar. Bakterien produzieren daher spezielle Komplexbildner namens Siderophore (Eisenträger), um die wenigen freien Eisen-Ionen zu binden und anschließend über bakterieneigene Transportsysteme aufzunehmen. Dem setzt das menschliche Immunsystem ein im Blut zirkulierendes Protein entgegen, das Siderocalin, welches die Eisen-Siderophore hochaffin aufnimmt und über die Niere ausscheidet.
Das sogenannte Petrobactin ist ein spezieller Eisenträger des Milzbranderregers, welches vom Siderocalin nicht erkannt wird. Die Idee von Professor Arne Skerra vom Lehrstuhl für Biologische Chemiean der Technischen Universität München (TUM) war, dieses Anthrax-Siderophor außer Gefecht zu setzen und damit die Vermehrung des Milzbrand-Erregers zu bremsen. Mithilfe der an seinem Lehrstuhl entwickelten Anticalin-Technologie konnte sein Team das körpereigene Siderocalin umkonstruieren. Als Resultat entstand das „Petrocalin", welches den Siderophor des Milzbranderregers neutralisieren kann. „Das neu entwickelte Petrocalin fängt Petrobactin ab und entzieht damit dem Milzbranderreger den Zugang zum lebensnotwendigen Eisen, was wie ein Protein-Antibiotikum wirkt“, sagt Skerra – „in Kooperation mit Professor Siegfried Scherer vom Lehrstuhl für Mikrobielle Ökologie konnten wir jüngst beweisen, dass dieser Ansatz in Bakterienkulturen funktioniert.“
Skerras Ansatz eröffnet einen neuen Behandlungsweg von Milzbrand-Infektionen, indem die Ausbreitung des Bakteriums im Körper des Patienten effektiv unterdrückt wird. Die biochemischen und proteinstrukturellen Analysen, die Skerra und Kollegen nun in dem international renommierten Magazin „Angewandte Chemie“ veröffentlichen, liefern zudem Einblicke in die molekularen Mechanismen.
Für die beschriebene Studie wurde mit einem abgeschwächten Laborstamm gearbeitet, nicht jedoch mit dem humanpathogenen Erreger.
Hintergrundinformationen zu Anthrax
Milzbrand, auch Anthrax genannt, wird vom Bakterium bacillus anthracis ausgelöst. Besondere Gefahr geht vom Toxin aus, das der Milzbrand-Erreger im Körper abgibt. Wird die Infektion zu spät erkannt, kann sie tödlich enden. Der Erreger überdauert in Form von Sporen unter Umständen jahrzehntelang im Boden. Grasende Tiere, vor allem Paarhufer wie Rinder oder Schafe nehmen die Sporen auf und erkranken an Milzbrand. Für Menschen, die mit diesen Nutztieren oder mit Tierprodukten arbeiten, besteht die Gefahr einer Infektion. In Deutschland treten heute jedoch nur noch sehr selten Fälle von Anthrax bei Tierherden auf.
Ansteckungsgefahr mit Anthrax geht auch vom Fleisch erkrankter Tiere aus, wenn dieses nicht ausreichend erhitzt wurde. Ende August 2018 ereignete sich im Département Hautes-Alpes im Südosten Frankreichs infizierten sich Nutztiere mit Milzbrand - einer der stärksten Ausbrüche der Erkrankung in den vergangenen Jahrzehnten. Auch wildlebende Schimpansen und Gorillas sind durch Milzbrand gefährdet. Die größte Bedrohung durch Anthrax geht heute aber durch seinen potentiellen Einsatz als Biowaffe aus. 2001 kursierten in den USA mehrere Briefe mit Milzbrandsporen, fünf Menschen starben daraufhin an den Folgen von Anthrax.
Quelle: Technische Universität München
24.10.2018