Artikel • Qualitätssicherung
Anforderungen an das POCT in der Schweiz
In der Schweiz findet Point-of-care-testing (POCT) in den Arztpraxen und in den Spitälern statt. Bemerkenswert sind die rund 7000 Arztpraxen, welche viele Grundversorgungsanalysen im Rahmen der Präsenzanalytik durchführen und dafür einen speziellen Tarif erhalten haben.
Bericht: Walter Depner
Die Qualitätssicherung wird durch die Schweizerische Kommission für Qualitätssicherung im medizinischen Laboratorium (QUALAB) geregelt. Gemäss QUALAB gelten für die interne und externe Qualitätskontrolle im POCT Labor die gleichen Regeln und Toleranzen wie für alle anderen Laboratorien. Die Kriterien zum Betreiben eines medizinischen Laboratoriums (KBMAL) regeln die Ausbildung der Laborleitung sowie der Personen welche die Analysen durchführen. Die Resultate der Ringversuche zeigen, dass viele POCT Geräte eine sehr gute Qualität aufweisen.
Labormedizin in der Schweiz
Die Schweiz hat rund 8.2 Mio. Einwohner. Der Abschluss einer Krankenversicherung ist obligatorisch. Die Kosten werden durch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) überwacht und regelmässig auf www.bag.admin.ch publiziert. Im Jahr 2015 betrugen die Kosten pro Versicherten 3640 Fr. Die Laborleistungen im ambulanten Bereich betrugen 97 Fr. (2.7%) für Laboratorien und 61 Fr. (1.7%) für die Arztpraxen. Damit lag der Umsatz der Arztpraxen mit den POCT-Geräten etwa bei 500 Mio Fr., bei den Auftragslaboratorien etwa bei 800 Mio Fr. Im stationären Bereich werden die Laborkosten wegen der DRGs nicht ausgewiesen.
Die Tarife für Laborleistungen werden in der Analysenliste des BAG publiziert und gelten in der ganzen Schweiz für alle Versicherten. In einem speziellen Kapitel werden "Schnelle Analysen" aufgeführt, welche ausschliesslich von Arztpraxen im Rahmen der Präsenzanalytik abgerechnet werden dürfen.
QUALAB
Das Schweizer Krankenversicherungsgesetz verlangt, dass Leistungserbringer und Versicherer die Qualität von Leistungen in Verträgen vereinbaren. Im Bereich der Labormedizin werden die Anforderungen durch die Schweizerische Kommission für Qualitätssicherung im medizinischen Laboratorium (QUALAB) festgelegt. Dieser Vertrag regelt die Voraussetzungen für die Vergütung der Laborleistungen und ist deshalb nur relevant, wenn die Verrechnung über eine Versicherung erfolgt.
Die QUALAB legt fest, wie die interne und die externe Qualitätskontrolle durchgeführt werden müssen. Die interne Qualitätskontrolle muss täglich gemessen werden, ausser das Analysengerät steht auf einer speziellen Liste von einfachen Geräten welche nur alle zwei Wochen kontrolliert werden müssen. Die Toleranz bei der internen Qualitätskontrolle soll kleiner oder gleich sein wie die der externen Qualitätskontrolle. Die Teilnahme an vier Ringversuchen pro Jahr ist für alle Laboratorien obligatorisch, auch für POCT in Arztpraxen und Spitälern.
Die Toleranzen für die Analysen werden unabhängig von Gerät und Labortyp festgelegt. Beispielsweise beträgt die erlaubte Toleranz für das HbA1c 9%, egal ob ein grosses Auftragslabor oder Diabetologie mit einem POCT-Gerät die Analyse gemacht hat.
KBMAL
Die Schweizerische Union für Labormedizin hat mit der KBMAL eine Richtlinie für medizinische Laboratorien in der Schweiz entwickelt. Da die meisten grösseren Laboratorien in der Schweiz nach den Norman für medizinische Laboratorien (ISO 17025 oderISO 15189) akkreditiert sind, wurden diese Normen als Basis für die KBMAL verwendet. Zusätzlich wird in der KBMAL auf alle relevanten Gesetzestexte verwiesen. Ein wichtiger Aspekt der KBMAL ist die Einteilung der Laboratorien in verschiedene Typen aufgrund des Standortes und der Qualifikation der Laborleitung.
Im Bereich des POCT werden zwei Typen unterschieden
- Ein Praxislabor befindet sich in den Räumen einer Arztpraxis und wird von einem Arzt mit einem Fähigkeitsausweis Praxislabor geleitet.
- Die dezentrale patientennahe Diagnostik im Spital wird in verschiedenen Abteilungen, ausserhalb eines Labors durchgeführt. Diese Diagnostik soll unter der Verantwortung eines Spitallabors durchgeführt werden. Die Leitung muss sicherstellen, dass die notwendigen Qualitätssicherungsmassnahmen eingehalten werden und dass das Personal entsprechend ausgebildet ist.
Praktische Erfahrungen
In der Schweiz gibt es etwa 7000 Laboratorien in Arztpraxen. In diesen Laboratorien wird ein Spektrum von etwa 50 verschiedenen Analysen angeboten. Spitäler welche Laboruntersuchungen mittels POCT durchführen hat es etwa 300. Dabei werden vor allem Glukose und Blutgase gemessen. Zusätzlich werden noch HbA1c, INR und Urinteststreifen angeboten. Es gibt in einigen Spitälern Walk-In Arztpraxen die zur Entlastung der Notfallabteilungen betrieben werden. Diese sind von den Geräten her gleich wie Arztpraxen ausgerüstet.
Dank der obligatorischen Qualitätskontrolle für alle Labortypen lassen sich leicht über die Daten der Qualitätskontrollzentren Angaben über die Verbreitung und die Qualität der verwendeten Geräte machen. Der Verein für medizinische Qualitätskontrolle (www.mqzh.ch) publiziert viermal pro Jahr alle Statistiken und deckt damit rund die Hälfte der Schweizer Laboratorien ab.
Typischerweise besteht die technische Ausrüstung eines Praxislabors aus einem Hämatologie-Gerät (ABX Micros oder SYSMEX XP300), einem Chemie-Gerät (Drichem, Reflotron oder Spotchem), einem Gerät für CRP, HbA1c und Albumin im Urin (DCA, Afinion, QuikRead GO), einem Gerät für Herzmarker (Cobas h232 oder Alere Triage) sowie einem Monitor für die Überwachung der oralen Antikoagulation (CoaguChek). In den Spitälern wird viel Zeit für die Dokumentation aller Leistungen aufgewendet. Im Laborbereich sind deshalb vernetzte Lösungen sehr gefragt.
Im Vergleich zu den grossen Laboratorien schneiden die POCT-Geräte bei vielen Analysen sehr gut ab. Die grössere Streuung beim POCT-Gerät wird dadurch kompensiert, dass die Geräte und die einzeln verpackten Reagenzien direkt durch den Hersteller kalibriert werden und damit sehr gut vergleichbar sind. Dies führt zu einer geringen Streuung von Labor zu Labor. Bei den Ringversuchen werden die Resultate der Teilnehmer nach Geräten gruppiert und ausgewertet. Bei den Poct-Geräten sind diese Gruppen meist homogener wie beispielsweise bei den nasschemischen Geräten der grösseren Labors. All diese Punkte führen dazu, dass manchmal sogar die POCT-Geräte besser abschneiden wie die grossen Labors.
Der einzige Bereich, in dem die grossen Laboratorien bessere Resultate aufweisen, sind die Herzinfarkt-Marker. Hier stossen aktuelle POCT Geräte an die Grenze der Leistungsfähigkeit, da die gemessenen Konzentrationen im Bereich Nanogramm pro Liter liegen. Die besten POCT-Geräte schaffen es, die QUALAB-Anforderungen zu erfüllen. Bei der Auswahl der Geräte lohnt es sich aber, genau auf die Präzision des Testverfahrens zu achen.
Die externe Qualitätskontrolle hat sich bei der POCT-Analytik sehr bewährt. Durch die vier Ringversuche pro Jahr werden die Benutzer regelmässig daran erinnert, dass Qualitätssicherungsmassnahmen zur Analytik dazugehören. Die Qualitätskontrollzentren haben über die Auswertungen auch die Möglichkeit, die Teilnehmer über Neuerungen zu informieren. Die ist wichtig, da letztlich die Kompetenz der Personen welche die Tests durchführen darüber entscheidet, wie gut die Qualität ist.
Im Praxislabor werden die Analysen von medizinischen Praxisassistentinnen (MPA) durchgeführt, die im Rahmen ihrer dreijährigen Berufsausbildung auf allen relevanten POCT-Geräten ausgebildet wurden. Im Spital sind es meist Pflegefachpersonen welche POCT-Analysen durchführen. Hier ist der Ausbildungsstand sehr unterschiedlich. Viele Spitäler haben einen POCT-Koordinator der alle Aspekte des POCT im Spital überwacht und dafür schaut, dass die Anwender laufend geschult werden.
Ein positiver Nebenaspekt dieser regelmässigen Schulungen ist, dass damit allgemein das Verständnis für die Laboranalytik verbessert wird. Wenn dank dem Point-of-care-testing die Anwender mehr Erfahrung in der Präanalytik gewinnen, kommt das letztlich auch dem Zentrallabor oder dem Auftragslabor zugute.
Profil:
Dr. Roman Fried ist Biochemiker am Institut für Klinische Chemie am Universitätsspital Zürich, Leiter des Verbands der medizinischen Laboratorien der Schweiz (FAMH) sowie Geschäftsführer des Vereins für medizinische Qualitätskontrolle Zürich.
13.10.2017