Abschied von einem Helden

In diesem Jahr wird das Internationale Symposium Mehrschicht CT von einem traurigen Ereignis überschattet. Kongresspräsident Prof. Dr. Gary Glazer verstarb am 16. Oktober 2011 im Alter von nur 61 Jahren nach einem langen Kampf gegen den Krebs. Mit Prof. Glazer verliert die Fachwelt der Radiologie nicht nur einen ihrer größten Visionäre, für viele bedeutet sein Tod auch den Verlust eines guten Freundes.

Prof. Gary Glazer mit Prof. Maximilian Reiser
Prof. Gary Glazer mit Prof. Maximilian Reiser
Prof. Gary Glazer mit seiner Frau Diane
Prof. Gary Glazer mit seiner Frau Diane

Am längsten begleitet auf seinem Weg hat ihn wohl Prof. Dr. Dr. h.c. Alexander R. Margulis, Mitbegründer des Internationalen MRT-/CT-Symposiums in Garmisch, der selbst zu einem der bedeutendsten Pioniere der Bildgebung zählt. Im Gespräch mit Prof. Margulis wollen wir auf ganz persönliche Weise Abschied von einem der ganz Großen in der Radiologie nehmen und gleichzeitig das Andenken an ihn in guten Ehren behalten.

 

Prof. Margulis, können Sie sich noch an Ihre erste Begegnung mit Prof. Glazer erinnern?

Alexander Margulis: Selbstverständlich. Das war in den Siebzigern an der Universität von Kalifornien in San Francisco. Ich war zu der Zeit Chef des Radiologischen Instituts und kannte Garys Vater, Dr. Norman Glazer, einen renommierten Kinderradiologen aus Cleveland, Ohio, ganz gut. Wir sahen uns zwar nicht häufig, aber telefonierten des Öfteren. Als er mich anrief, um mir zu sagen, dass sein Sohn an die UCSF kommen wolle, war ich sehr gespannt, ihn zu treffen.

Vom ersten Moment unseres Kennenlernens an wusste ich, dass dieser junge Mann Führungstalent hat. Leider waren meine Kollegen damals anderer Meinung. Gary war etwas schüchtern, deshalb glaubten sie nicht, dass er das Zeug zu einer großen Persönlichkeit hätte, wie die UCSF sie normalerweise hervorbringt. Sie stimmten einstimmig gegen ihn. Weil ich aber der Boss war, legte ich mein Veto ein. Das tat ich mit den Worten von Präsident Abraham Lincoln: „Sieben Stimmen dagegen, eine dafür. Die Mehrheit ist dafür.“ Damit war die Sache gegessen und wie sich herausstellen sollte, war es die richtige Entscheidung.


Wie ging es dann weiter?

Alexander Margulis: Gary durchlief seine Facharztausbildung zum Diagnostischen Radiologen bei uns und bekam in der Zeit ein Stipendium, um über die Ganzkörper-CT zu forschen. Danach ging er als Assistenzprofessor zurück an die Universität von Michigan, um dort die Thoraxdiagnostik und CT-Untersuchungen zu leiten.

Auch in dieser Zeit habe ich Kontakt zu ihm gehalten. Wissen Sie, ich wollte nicht, dass Gary bei uns in Kalifornien blieb, weil er hier nur einer von vielen war. In Michigan dagegen war Gary ein Star. Er stach hier so sehr aus der Masse heraus, dass er in nur sechs Jahren eine ordentliche Professur erlangte. Als er dann 1989 nach Stanford wechselte, war er einer der jüngsten Lehrstuhlinhaber des Landes. Leicht war es nicht für Stanford ihn zurückzuholen, denn er wollte sicher gehen, dort ein radiologisches Spitzen-Institut aufbauen zu können. Und das hat er, wie wir alle wissen, dann auch getan.

Was würden Sie sagen, sind Prof. Glazers größte Verdienste?

Alexander Margulis: Sicherlich, dass er Stanford von einer mittelprächtigen Abteilung für Diagnostische Radiologie zu einem der besten Zentren in der Welt aufgebaut hat. Das kam einer Revolution gleich. Eigentlich war er der erste Direktor dort überhaupt, weil die Abteilung vorher mit der Strahlentherapie zusammengelegt war. Gary hatte außerdem ein feines Gespür dafür, wohin sich die Radiologie entwickeln würde.

Sein größter Verdienst in dieser Hinsicht war, dass er die molekulare Bildgebung so weit vorangetrieben hat, dass sie heute die Zukunft der Radiologie bestimmen wird. Er setzte sich darüber hinaus als einer der Vorreiter in der CT- und MRT-Bildgebung für den Aufbau von wissenschaftlichen Standards in der Radiologie ein und entwickelte Kriterien für die Differenzierung von Leber und Nebennierentumoren als auch für die Beurteilung des Stagings beim Lungenkarzinom. In den Jahren, in denen er Präsident der Internationalen Gesellschaft für Strategische Studien in der Radiologie (ISSSR) war, einem exklusiven Kreis von Experten, fuhr er unglaubliche Erfolge ein.

Was zeichnete ihn menschlich aus?

Alexander Margulis: Gary hatte Vision und Charme. Damit verdiente er sich nicht nur die Loyalität seiner eigenen Mitarbeiter, sondern von jedem, der mit ihm zu tun hatte. Er hatte die einzigartige Gabe, die richtigen Leute mit den richtigen Fähigkeiten in seinem Team zu vereinen, um das Beste aus ihnen herauszuholen. Auf diese Weise hat er auch Prof. Dr. Sanjiv Sam Gambhir als seinen Nachfolger gewinnen können.

Erst vor kurzem habe ich Garys Trauerfeier in Stanford besucht. Es waren so viele ehemalige Mentoren, Kollegen, Mitarbeiter und Freunde gekommen, um ihm ihre letzte Ehre zu erweisen, dass es wirklich ein außergewöhnlicher Moment war.

Für mich ist Gary aber vor allem ein echter Held. Er kämpfte gegen die bestehenden Regeln. Und er kämpfte fünf Jahre lang tapfer gegen seine Krankheit. Selbst als man bei ihm den Prostatakrebs diagnostizierte, hörte er nicht auf, unermüdlich weiterzuarbeiten und seine Abteilung mit immer neuen Ideen zu versorgen. Auch wenn es ihm schlecht ging, gab er nie auf. Bis zum Schluss nicht.

Leider kann Gary das CT Symposium nicht mehr miterleben. Aber er hat zusammen mit Prof. Max Reiser dafür gesorgt, dass es mal wieder einer der besten Fortbildungskurse der Welt geworden ist. Ihm ist es zu verdanken, dass es so viele Menschen einmal mehr nach Garmisch-Partenkirchen zieht!

Prof. Margulis, vielen Dank für das Gespräch!
 

 

10.01.2012

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