Animation zeigt ein Konzept mehrlagiger Blutgefäßmodelle.
Die Animation zeigt ein Konzept mehrlagiger Blutgefäßmodelle.

Quelle: UKW / Tomasz Jüngst

News • Biofabrikation

3D-Druck: Kunststoff zum Leben erweckt

Forschende der Universität Würzburg nutzen 3D-Biodruckverfahren um verschiedene Zellen, Moleküle und Biomaterialien hierarchisch und räumlich in eine Matrix zu integrieren, woraus künstliches Gewebe reifen kann.

In selbst entwickelten und gebauten Melt Electrowriting Anlagen stellt das Team von Dr. Tomasz Jüngst, Juniorprofessor für Biodruckverfahren an der Universität Würzburg, aus wenigen „Krümeln“ Biopolymer, einer Art Kunststoff, das Gerüst für blutgefäßähnliche Strukturen her. Die Arbeiten im Institut für Funktionsmaterialien und Biofabrikation, das dem Uniklinikum Würzburg und der Julius-Maximilians-Universität angehört, reichen von großen Adern bis hin zu kleinsten Kapillaren. Im Zelllabor werden dann verschiedene Zellarten in und auf diese sterilisierten Gewebekonstrukte gegeben. In sieben Tagen bilden sich erste Strukturen aus, in 14 Tagen sind die Zellen in der Regel komplett ausgereift. Eine enge Kooperation besteht hier mit der Universität im niederländischen Utrecht, weitere Kollaborationen gibt es mit Forschungsgruppen in Brisbane und Sydney (Australien) sowie im neuseeländischen Christchurch (Neuseeland). Aber auch auf dem hiesigen Campus am Universitätsklinikum Würzburg gibt es gemeinsame Projekte.

Im von der EU geförderten Projekt Design2Heal hat das Würzburger Team die Zell-Material-Interaktion studiert. Konkret wurde untersucht, wie die Immunzelle auf verschiedene Faserdurchmesser und Abstände bei gleichem Material reagiert. „Wir können hier mit unseren selbstgebauten Anlagen Materialien drucken, die eine Fasergröße von 2 bis 50 Mikrometer Durchmesser haben, bei anderen Verfahren haben die Fasern ein Durchmesser von 200 bis 400 Mikrometern“, erläutert Tomasz Jüngst und zeigt auf eine selbstgewickelte Anlage, die in tagelanger Arbeit hauchdünne Fäden über eine Platte spinnt, die einer dünnen Mullkompresse ähnelt, nur eben mit viel feineren Strukturen. „In meinen Vorlesungen vergleiche ich den Unterschied mit einer Litfaßsäule und Straßenlaterne. Versuchen Sie mal eine Litfaßsäule zu umarmen und eine Straßenlaterne. Auf welche könnten Sie leichter klettern? Ähnlich verläuft die Interaktion der Zellen, die selbst zwischen 10 und 200 Mikrometer Durchmesser haben, mit dem Gewebe.“

Diese Interaktion kommt aktuell auch in einem durch die EU geförderten Projekt mit dem Kurznamen BRAVE zum Einsatz. Dabei wird die Interaktion zwischen Muskelzellen und Fasern so angepasst, dass ein biologisches „Pflaster“ fürs Herz entsteht, dessen Funktion nach einem Infarkt gestört ist. Das Pflaster soll das Herz dabei unterstützen, die Pumpleistung aufrechtzuerhalten. „Kunstherzen, so genannte VAD, sind keine dauerhafte Lösung. Und Spenderorgane sind rar. Unsere potentielle Therapiemethode könnte jedoch durch die Verwendung patienteneigener Zellen und Biomaterialien längerfristig eingesetzt werden und somit das Problematik fehlender Ersatzorgane abmildern“, hofft Jüngst.

Zellen in Druckprozess integrieren

Werden die Polymere mit einem Hydrogel kombiniert, können verschiedene Zellarten sogar direkt mitgedruckt werden. „Die Materialien müssen entsprechend designt werden, damit die Zellen die Umgebung annehmen“, erklärt Tomasz Jüngst. Der Druckprozess läuft bei 37 Grad ab und unter sterilen Umgebungen. Mit seinem Vorwissen möchte er nun Verfahren entwickeln, die sich an die Eigenschaften für die Biofabrikation anpassen. Zellen müssen nicht nur überleben, sie dürfen sich im Druckprozess nicht verändern. Eine pluripotente Stammzelle zum Beispiel, also eine Zelle aus dem Blut, Knochenmark oder der Haut eines Menschen, benötigt bestimmte Stimuli, um sich zu entwickeln. Damit sie durch den Druckprozess keinen Stimulus bekommt, der in die falsche Richtung geht, müsse er die Umgebung des Materials ebenso wie die mechanischen Kräfte kontrollieren können, so Jüngst.

Gewebemodelle zur Testung von Therapien

„Funktionierende Organe wird es lange nicht geben, wenn überhaupt. Woran ich jedoch fest glaube, und das ist unser großes Ziel, Gewebemodelle zu schaffen, die der Testung von Therapien dienen. Und das würde unter anderem dabei helfen, die Anzahl der Tierversuche weiter zu reduzieren“, so Jüngst. „Wir werden zwar nie die Komplexität eines Körpers erreichen, wir sind aber in der Lage, bestimmte Aspekte nachzuahmen und zu reproduzieren. Wir können Medikamente standardisiert testen, aber auch individuell die Medikation und Dosis an den Patienten anpassen, weil wir die Zellen direkt vom Patienten nehmen können.“ Vielversprechend sei zum Beispiel die Organ-on-a-chip-Methode, bei der durch Zellverbünde Organe nachgebaut und mehrere Organe zusammengestellt werden können. Dadurch lassen sich das Zusammenspiel der Organe sowie die Auswirkungen von Medikamenten auf die einzelnen Organe untersuchen.

Kleiner Beitrag für die Menschheit

Auch wenn es noch keine etablierten Prozesse gibt, von denen die Patientinnen und Patienten aktuell profitieren und es womöglich noch lange dauern wird, bis seine Modelle für den klinischen Einsatz zugelassen werden, der Gedanke, dass er Menschen potentiell helfen kann und sie eines Tages von seiner Arbeit profitieren, motiviert Tomasz Jüngst jeden Tag aufs Neue. „Wenn ich mit meiner Arbeit einen kleinen Beitrag zur Verbesserung der Gesundheit geleistet habe, bin ich zufrieden“, resümiert der frisch gebackene Juniorprofessor Tomasz Jüngst.

Quelle: Universitätsklinikum Würzburg

12.07.2022

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