Jede Aufnahme muss sitzen

Wenn ein Rheumatologe eine Verdachtsdiagnose stellt, dann stehen ihm zwei Möglichkeiten zur Verfügung, um seine Annahme zu untermauern: das Labor und die Bildgebung. Die radiologische Befundung fließt aber nicht nur in die Primärdiagnostik ein, sondern ist auch Dreh- und Angelpunkt bei Verlaufskontrollen und der Therapieüberwachung.

Prof. Dr. Herbert Kellner
Prof. Dr. Herbert Kellner

Dies setzt voraus, dass sowohl die richtige Bildgebungsmethode als auch definierte Untersuchungsprotokolle zum Einsatz kommen. Dass dies nicht immer der Fall ist, erlebt der niedergelassene Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologe Prof. Dr. Herbert Kellner aus München Nymphenburg in seinem Praxisalltag immer noch allzu häufig.

Prof. Kellner kennt eine Reihe von rheumatischen Erkrankungen, deren Abklärung wesentlich von der korrekten Durchführung der bildgebenden Untersuchung abhängt. Dazu zählt etwa die ankylosierende Spondylitis (Morbus Bechterew): „Wenn man nicht weiß, dass es für die Frühdiagnostik der Spondylitis spezielle Sequenzen in der MRT braucht oder auch die Gabe von Kontrastmittel, wird diese Untersuchung nicht das gewünschte Ergebnis bringen. Das führt dazu, dass die Diagnosezeiten beim Morbus Bechterew nach wie vor bis zu neun Jahren dauern können.“

Jede Methode hat ihre Stärken und Schwächen

Ob Szintigrafie, MRT oder Ultraschall die Methode der Wahl ist, entscheidet sich an der Fragestellung bzw. an dem betroffenen Gelenk- oder Wirbelsäulenabschnitt. Jede Methode hat ihre Stärken und Schwächen. „Man muss genau wissen, wonach man sucht und ob im Rahmen der Verdachtsdiagnose eine Veränderung mit einer bestimmten Bildgebungsmodalität überhaupt nachweisbar ist“, fährt Prof. Kellner fort. „So wird man eine Arthritis bei Lyme-Borreliose beispielsweise so gut wie nie auf einem Röntgenbild finden.“

Wenn sich Röntgenaufnahmen also unauffällig verhalten, dann sind Ultraschall und MRT besonders gut für die weiterführende Diagnostik geeignet. Allerdings ist eine sonografische Untersuchung der Wirbelsäule oder Handwurzel nicht sinnvoll, weil der Schall nur reflektiert wird, so der Experte. Eine Indikation für die Szintigrafie ist dann gegeben, wenn sehr viele Gelenke schmerzen und unklar ist, ob es sich um eine Gelenkentzündung oder periartikuläre Beschwerden handelt.

Worauf man achten sollte

Da Verfahren wie die Szintigrafie mit einer nicht unerheblichen Strahlenbelastung einhergehen, ist die bildgebende Diagnostik nicht beliebig wiederholbar. Deshalb sollte jede Aufnahme sitzen. Der Münchner Rheumatologe gibt ein Beispiel: „Wenn bei einem Patient der Verdacht auf Kreuzdarmbeinentzündung vorliegt, reicht es in der Regel aus, eine Wirbelsäule in zwei Ebenen aufzunehmen. Dabei ist es allerdings entscheidend, dass das Bild zentriert ist, sodass beide Sakroiliakalgelenke zu sehen sind. Es gibt oft den Fall, dass die linke oder rechte Fuge abgeschnitten ist und dadurch entscheidende Informationen fehlen.“ Ebenfalls wichtig für den Radiologen zu wissen ist, ob die Erkrankung sich in einem Frühstadium oder Spätstadium befindet und ob es sich um eine Primärdiagnostik oder Verlaufskontrolle handelt.

Das A und O der Fortbildung

Deshalb ist die Befundung auch immer eine Frage der guten Zusammenarbeit zwischen Rheumatologe und Radiologe. „Da haben wir natürlich ein Problem, weil wir für diese Leistung nicht bezahlt werden“, erklärt Prof. Kellner. „Das hängt also häufig vom persönlichen Engagement des Einzelnen ab.“ Damit alles reibungslos läuft, bedarf es darüber hinaus auch beim Radiologen eines gewissen Erfahrungsschatzes. Prof. Kellner würde sich wünschen, dass seine radiologischen Kollegen noch häufiger das Angebot nutzen, auch einmal eine rheumatologische Fortbildung zu besuchen, denn dieses Fachgebiet kommt in der radiologischen Ausbildung seiner Meinung nach viel zu kurz: „Das sieht dann im Arbeitsalltag häufig so aus, dass der Radiologe bei der Befundung auf der einen Seite das Röntgenbild liegen hat und auf der anderen Seite seinen Atlas und versucht, irgendwie zu einer Diagnose zu kommen. Deshalb baut man sich als Rheumatologe ein Netzwerk und schickt seine Patienten möglichst zu einem Radiologen seines Vertrauens, zu einem, der weiß, worauf es ankommt.“

 

Veranstaltungshinweis

Saal Wachsmann
Fr, 18.05., 08:00 - 08:20 Uhr
Was erwartet der Rheumatologe von der Bildgebung?
Kellner H / München
Session: DRG trifft DGRh Teil I – Konventionelles Röntgen und Sonografie
 

 

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Im Profil

Prof. Dr. Herbert Kellner ist Facharzt für Innere Medizin, Rheumatologie und Gastroenterologie sowie Physikalische Medizin. Er führt seit 2006 eine Schwerpunktpraxis für Rheumatologie und Gastroenterologie in München Nymphenburg und leitet gleichzeitig die Abteilung Rheumatologie und Physikalische Medizin im Krankenhaus Neuwittelsbach.

Seit 2007 ist er Sprecher der Kommission Bildgebung der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie. Weiterhin steht Prof. Kellner der Deutschen Vereinigung Morbus Bechterew als ärztlicher Berater zur Seite.

08.05.2012

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