E-Health-Gesetz
„Von interoperablen Lösungen sind wir noch weit entfernt“
Das eHealth-Gesetz wird seit Jahren heiß diskutiert. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat dem Bundeskabinett nun einen Gesetzesentwurf vorgelegt. Bis dahin mussten einige Hürden bewältigt werden. Doch ein genauer Blick auf den Papierberg zeigt, dass der Entwurf dem Gedanken von einer einheitlichen Umsetzung von Interoperabilität im Gesundheitswesen keineswegs Rechenschaft trägt. Im Interview erläutert Alexander Ihls, Senior Expert Medical IT bei der Deutsche Telekom Healthcare Solutions (DTHS), welche Tücken der aktuelle Gesetzesentwurf beinhaltet und wo es noch Verbesserungsbedarf gibt.
Interview: Daniela Zimmermann
Herr Ihls, was soll mit dem eHealth-Gesetz bewirkt werden?
Alexander Ihls: Grundsätzlich will man die Möglichkeiten und die Art der Zusammenarbeit der Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH (Gematik) mit anderen Organisationen und anderen Stakeholdern im Bereich eHealth in Deutschland optimieren und auf eine gesetzliche Grundlage stellen.
Mittlerweile gibt es einen 80-seitigen Referentenentwurf sowie einen 70-seitigen Gesetzesentwurf, der im Mai dem Bundeskabinett vorgelegt wurde. Gegenüber der Planungsstudie, die 2012 vom BMG in Auftrag gegeben wurde, handelt es sich hierbei aber um einen Papiertiger. Beide Entwürfe entsprechen keineswegs dem, was in der Planungsstudie angedacht und gefordert wurde. Das momentane Ergebnis ist desaströs. Schon der Referentenentwurf war kaum dazu in der Lage das Thema Interoperabilität voranzubringen, denn er zeigt, dass viele Themen noch gar nicht verstanden wurden.
Gegen diesen Entwurf haben Sie sich dann mit einigen anderen Verbänden zusammengeschlossen und eine Stellungnahme verfasst. Sind Sie die einzigen Kritiker?
Ihls: Die Kritiken spalten sich eigentlich in zwei Lager. Das Eine sind die Organisationen und Verbände, die Änderungen möchten, wie der Arbeitskreis der Leiter der klinischen Rechenzentren der Universitätskliniken Deutschlands (ALKRZ), der Bundesverband medizinischer Informatiker e.V. (BMI), der BVITG als Industriedachorganisation, die Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS) e.V., HL 7 Deutschland sowie IHE Deutschland. Dann noch der Medizinische Fakultätentag der Bundesrepublik Deutschland (MFT), die Technologie- und Methoden-Plattform für die vernetzte medizinische Forschung (TMF) e.V. in Berlin und der Verband der Universitätsklinika Deutschlands (VUD) sowie die Kassenärztliche Bundesvereinigung. Mit diesen haben wir uns zusammengeschlossen und eine gemeinsame Stellungnahme verfasst.
In eine ganz andere Richtung argumentiert natürlich der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV).
Warum?
Ihls: Es geht in erster Linie darum, wie dieses Gesetz versucht, die Gematik neu zu ordnen. Nun ist aber die Gematik durch ihre Gesellschafter mit 50 Prozent Beteiligung des GKV-Spitzenverbandes stark an den Kostenträgern orientiert. Und da versucht natürlich, und das ist nachvollziehbar, die Reihe der Kostenträger, vertreten durch den Spitzenverband, insbesondere Finanzierungsfragen abzuwehren.
Also in der Summe geht es im Grunde auf Ihrer Seite und der Verbände, die mit Ihnen argumentieren, um möglichst intelligente Lösungen, die die Arbeit erleichtern, ohne finanzielle Aspekte in den Vordergrund zu stellen. Auf der anderen Seite steht eine starke Lobby der Leute, die diese Gesetzesänderung finanziell tragen müssen und damit dem eHealth-Gesetz Steine in den Weg legen?
Ihls: Das zum Einen und wir haben es mit dem historischen Konflikt der sektoralen Trennung zutun. Es war ein inneres Anliegen der Planungsstudie, diese zu überwinden. Leider ist die Trennung jetzt zementiert worden. Im Gesetzesentwurf steht beispielsweise, dass für die niedergelassenen Ärzte als auch Zahnärzte sowie für die Krankenhäuser entsprechende Standardisierungen definiert werden müssen, um interoperabel zu sein. Man hat aber für jeden der drei genannten Bereiche die jeweilige Standesvertretung dazu bestimmt, diese Spezifikationen auszuarbeiten. Es ist lediglich ein Wunsch, dass die Bereiche sich koordinieren.
Es gibt also keine Verpflichtung, dass alle zu einer einvernehmlichen Lösung finden?
Ihls: Richtig. Stattdessen gibt es leicht gewichtete Konstrukte, die extrem ineffizient sind. Ich gebe Ihnen ein weiteres Beispiel: Im Gesetzentwurf steht, dass die Gematik ein sogenanntes Interoperabilitätsverzeichnis führen soll. Im Grunde handelt es sich lediglich um eine Liste von Standardempfehlungen für bestimmte Situationen. Aber es sind keine verpflichtenden Maßnahmen.
Was wird jetzt passieren müssen?
Ihls: Zuallererst muss man das Wissen darüber, was eigentlich in diesem Entwurf steht an die Öffentlichkeit bringen, auch um den Änderungsforderungen einen breiteren Raum zu verschaffen. Das DICOM Meeting bildet dafür eine gute Plattform.
Dazu gehört auch, dass Verbände und einzelne Vertreter von den entsprechenden Organisationen versuchen, massiv Einfluss zu nehmen. Der Industrie geht es überhaupt nicht um Geld, sondern darum interoperable Lösungen zu schaffen. Wir sind alle davon überzeugt, dass nur dann das Gesundheitswesen weiterentwickelt werden kann. Aber wir sind eben nicht der Ansicht, dass der heutige Gesetzentwurf dazu geeignet ist, dieses Vorhaben sicherzustellen.
PROFIL:
Alexander Ihls ist Senior Expert Medical IT bei der Deutschen Telekom Healthcare Solutions (DTHS) und begleitet die Entwicklung verschiedener Produkte und Services der DTHS. Seit vielen Jahren ist er in verschiedenen nationalen und internationalen Gremien zur Standardisierung von Healthcare IT engagiert und war unter anderem Gründungsvorsitzender der Initiative „Integrating Healthcare Enterprise“ (IHE) Deutschland (2004-2006), für deren Industriemitglieder er seit 2014 erneut den Vorsitz übernommen hat.
17.06.2015