Artikel • Mammadiagnostik
Vielfalt in der Wahrnehmung erhöht die Detektion von Brustkrebs
Tagtäglich rekonstruieren wir die Umwelt mit Hilfe unserer Sinnesorgane durch Sehen, Hören, Fühlen und Riechen. Prof. Dr. Mundinger ist davon überzeugt, dass je mehr unterschiedliche physikalische Prinzipien bei der Früherkennung von Brustkrebs kombiniert werden, desto größer die Wahrscheinlichkeit der richtigen Abbildung der Strukturen wird, also einer richtigen Diagnose.
Derzeit ist die Rolle der Mammografie als wissenschaftlich evaluierte Hauptmethode eines Brustkrebs Screenings noch unbestritten. Die Diagnose verkalkter Krebsvorstufen und kleiner verkalkter Krebse ist eine besondere Stärke der Mammografie, gleichzeitig ein Schwachpunkt des Brustultraschalls. Aber eine differenzierte Betrachtung ist im Lichte der Fortschritte und Erfahrungen der letzten Jahre notwendig.
Unterschiede zwischen invasiven und nichtinvasiven Karzinomen
Die Benchmark Daten (BCSC Mammography Screening Benchmarks) des ACR-BI-RADS Atlas 2013 ergeben, dass derzeit ein Mammakarzinom mit einer Screeningmammographie bei einer durchschnittlichen Größe von 1,4 cm detektiert wird, mit Ultraschall bei 1,0 cm. Eine Studie von Prof. Kuhl und Mitarbeitern konnte sogar die durchschnittliche Größe von durch Screening MR entdeckten Karzinomen auf 0,8 cm senken. Besondere Schwierigkeiten gibt es bei der Detektion in dichtem Brustgewebe. „Nach der ACRIN 6666-Studie, die von Wendie Berg und ihren Kollegen 2016 nachanalysiert wurde, ist die Krebserkennungsrate bei Ultraschall vergleichbar mit der Mammographie, wobei ein größerer Anteil an invasiven und Lymphknoten-negativen Krebserkrankungen bei US-Erkennungen auftritt. Nach dieser Studie ist bei den nichtinvasiven Karzinomen, einem duktalen Carcinoma in situ (DCIS), vor allem die Mammographie die Methode der Wahl“, erklärt Prof. Dr. Mundinger.
Nicht so einfach fällt den Autoren eine generelle Empfehlung bei den invasiven Karzinomen. Denn 90% der invasiven Karzinome wurden durch Ultraschall, aber nur 70% durch die Mammographie entdeckt. Auch beide Verfahren kombiniert haben laut Studie etwa 10% der Karzinome am Ende der 3. Screening Runde nicht erkannt, die dann durch die MRT diagnostiziert wurden. Vor allem die niedrigere Recall Rate und die gesicherte Senkung der Brustkrebs-spezifischen Mortalität durch die Mammographie erklären, dass populationsbasierten Screening Programmen sich immer noch auf die Mammographie stützen. Für die dichte Brust ist das zumindest für Frauen in den Vereinigten Staaten nicht genug. In den USA sind bisher in 30 Staaten die Radiologen verpflichtet, Frauen über ihre hohe Brustdichte und das Risiko einer mögliche Maskierung von Krebsen in der Mammographie zu informieren (Breast Density and Mammography Reporting Act of 2015). Weitere Staaten bereiten vor, ihre Gesetze entsprechend zu ändern.
Ultraschall oder Tomosynthese für supplementary imaging
Welches dieser Verfahren auf Dauer sicherer ist, wissen wir noch nicht
Friedrich Alexander Mundinger
„Das Thema, das die westlichen Länder umtreibt, ist die Frage, welches Verfahren eine wertvolle zusätzliche Diagnostik zur Mammographie bieten kann. Die geeignetste Methode hierfür ist wahrscheinlich der Ultraschall. In Amerika wird heute zunehmend der automatisierte Brustultraschall (ABUS) eingesetzt, was durch den dortigen Einsatz der Technicians begünstigt wird“, so der Osnabrücker Chefarzt. In einem Screening-Kollektiv mit hoher Brustdichte können durch den Handheld Ultraschall drei bis vier weitere Karzinome pro 1000 Teilnehmerinnen zusätzlich gefunden werden. Mit durchschnittlich ca. zwei zusätzlichen Karzinomen sind die Zahlen für ABUS und die Tomosynthese etwas schlechter. Prof. Mundinger plädiert daher dafür, den Ultraschall zumindest bei dem speziellen Subkollektiv mit sehr dichter Brust als auch im Screening anzubieten: „Es wäre ein erster Schritt, supplementary imaging entweder mit Tomosynthese oder mit Ultraschall durchzuführen. Welches dieser Verfahren auf Dauer sicherer ist, wissen wir noch nicht. Aus dem asiatischen Raum gibt es Hinweise auf den Ultraschall, in den westlichen Ländern setzt sich gerade die Tomosynthese in der Praxis durch, weil sie leichter in den Gesamtprozess zu integrieren ist.“ In Deutschland wären wir schon sehr zufrieden, wenn im Rahmen des Mammographie Screening Programms die Brustdichte an die behandelnden Ärzte mitgeteilt würde.
Im Zeitalter der personalisierten Medizin sollten auch Teilnehmerinnen an einem Screening Programm, Anspruch auf eine umfassende Information zur maßgeschneiderten und risikoadaptierten Früherkennung wahrnehmen können. Prof. Mundinger erteilt einer flächendeckenden Einführung der Sonographie für alle Dichtestufen der Brust eine Absage. Die Qualität der Befunde sei derzeit nicht ausreichend, die Rate der Fehlalarme und falsch positiver Biopsien zu hoch und in einer lipomatösen Brust der niedrigsten Dichtestufe seien so gut wie keine Zusatzbefunde zu erwarten. Eine strikte Qualitätssicherung ist heute für jedes Zusatzverfahren unverzichtbar.
Superstudie fehlt
Insgesamt ist das Gesamtüberleben nach Brustkrebs heute sehr gut, auch weil wir ihn schon relativ früh diagnostizieren
Friedrich Alexander Mundinger
Die Tomosynthese hat mit dem Ultraschall gemein, dass sie auch ein Schichtverfahren ist. Bei der Tomosynsthese werden dieselben diagnostischen Kriterien wie bei der Mammographie eingesetzt, während dem Ultraschall ein völlig anderes physikalisches Prinzip zugrunde liegt. „Unsere Wahrnehmung basiert auf der Rezeption der Umwelt durch unsere Sinne. In der Mammadiagnostik steht, vereinfacht gesagt, die Mammographie für das Sehen und die Sonographie für das Hören. Wenn man beide Verfahren miteinander kombiniert, kann man mehr sehen, als mit einem weiteren Mammographieverfahren in Schichttechnik. Eine große Studie, die alle Verfahren inklusive ABUS miteinander vergleicht, steht aber noch aus.
Prof. Mundinger: „Die validesten Daten gibt es bisher für die Tomosynthese und die handheld Sonographie. Die Daten zu ABUS sind gut bezüglich der Detektion, aber sehr heterogen bezüglich der Recall Rate. In Deutschland sind wir noch sehr weit davon entfernt, eine klare Datenlage erstellen zu können, wir sind auf internationale Studien angewiesen. Man muss sich auch fragen, inwieweit die Mortalität, die ja ein entscheidender Punkt ist, von einer Vorverlegung der Diagnose zu kleineren Stadien auf Dauer beeinflusst wird. Das können wir im Moment nicht sagen. Neben der Frühdiagnose möglichst kleiner Krebs hat heute das biologische und generische Profil des Krebses einen hohen Stellenwert für die Therapie, weil in Abhängigkeit von Biomarkern und Veränderungen des Genoms die verschiedenen Therapien unterschiedlich gut wirken. Insgesamt ist das Gesamtüberleben nach Brustkrebs heute sehr gut, auch weil wir ihn ja schon relativ früh diagnostizieren, was besonders bei den hochaggressiven Tumoren prognostisch bedeutsam ist.“
Plädoyer für mehr Qualität
Wichtig ist für Prof. Mundinger, dass man die Qualitätssicherung im Hinblick auf das Training der Untersucher und die Gerätequalität verbessert. In Deutschland gibt es nach wie vor das Problem, dass nach den KV-Richtlinien Brustuntersuchungen mit relativ niederfrequenten Ultraschall Geräten von 7 MHz erlaubt sind. Zunehmend mehr Radiologen plädieren dafür, solche Ultraschallsysteme vom Markt zu nehmen oder nicht mehr in die Abrechnung zuzulassen, um mit den höherfrequenten Sonden von mindestens 10, besser 13 MHz und mehr die Qualität der Untersuchung zu verbessern.
Hybrid- und Fusionstechnologie
Die Zukunft gehört vermutlich langfristig multiparametrischen, multispektralen, Hybrid- und Fusionstechnologien. Die Begriffe überlappen sich bis zu einem gewissen Grad und werden in der Literatur nicht konsistent verwendet. Multiparametrische Bildgebung kombiniert die verschiedenen Ergebnisse einer Grundtechnologie (Beispiel: Ultraschall CT). Multispektrale Technik vereint die Ergebnisse von Bildern, die mit unterschiedlichen Energieniveaus erzeugt wurden, zu einem neuen Bild, das mehr Informationen liefert als jedes der Quellbilder (Beispiel: Spektrale Mammographie). Hybride Technologien sind das Ergebnis von zwei elterlichen Technologien, die miteinander vermischt werden, aber noch die erkennbaren Elemente jeder Elterntechnologie umfassen (Beispiel: PET-CT, Mammographie-US). Fusionstechnologie synthetisiert zwei oder mehr verschiedene Technologien zu etwas einzigartigem Neuem (Beispiel: Dunkelfeldmammographie). Diese Systeme stecken teilweise noch in den Kinderschuhen und haben bislang nicht die diagnostische Performance und Kosteneffizienz der Standardmethoden erreicht. Wir dürfen auf die weiteren Entwicklungen gespannt sein.
Profil:
Nach dem Studium in Freiburg und Heidelberg absolvierte Prof. Dr. Friedrich Alexander Mundinger sowohl die Ausbildung zum Facharzt für Innere Medizin als auch für Radiologie. 1992 habilitierte er mit einer Arbeit über die MR in der Arthritisdiagnostik; sieben Jahre später wurde er zum außerplanmäßigen Professor berufen. 1995 wurde er Chefarzt der Klinik für Radiologie am Marienhospital Osnabrück und leitet seit 2009 die Sektion bildgebende und minimal-invasive Mammadiagnostik im Brustzentrum Osnabrück, Franziskushospital Harderberg. Mundinger ist Past Präsident der Senologic International Society (SIS) und International Breast Ultrasound School (IBUS), DEFUM Stufe 3 – Mammasonographie Gründungsmitglied und nationaler Konsensusexperte für Ultraschall, Mammographie und MRT der Brust der DRG.
Veranstaltungshinweis:
Do, 09.11.2017, 14:30 – 15:00
Früherkennung mittels Sonographie: Wann? Bei wem? Wie?
Prof. Dr. Alexander Mundinger, Osnabrück
Session: Mammadiagnostik (mit TED)
Congress-Saal
06.11.2017