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Artikel • Brustkrebs-Vorsorge

Unter falschem Verdacht: Falsch-positive Testergebnisse im Mammographie-Screening

Falsch-positive Befunde bei der Brustkrebsfrüherkennung können starke Ängste bei den Teilnehmerinnen auslösen und sind daher für das Image des Mammographie-Screening-Programms (MSP) nicht gerade förderlich. Dabei sind Fehlalarme ein notwendiges Übel, das sogar für die Qualität der Tests sprechen kann.

Bericht: Karoline Laarmann

portrait of Alexander Katalinic
Prof. Dr. Alexander Katalinic
Quelle: Universität zu Lübeck

Aufklärung unter Ärzten und Patientinnen über die Ziele und Grenzen von Reihenuntersuchungen sind das A und O, um mögliche Missverständnisse und Unsicherheiten im Zusammenhang mit falsch-positiven Befunden aus dem Weg zu räumen. Auf der diesjährigen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Senologie e.V. beleuchteten Experten das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln.

Zunächst die gute Nachricht: Die Falsch-Positiv-Rate im deutschen MSP ist mit 2,4% niedrig. Die schlechte Nachricht: Komplett verhindern kann man sie nicht. „Das Screening ist noch keine Diagnose“, erklärt Prof. Dr. Alexander Katalinic, Direktor des Instituts für Sozialmedizin und Epidemiologie an der Universität zu Lübeck, „sondern identifiziert lediglich die Personen, die eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine bestimmte Erkrankung haben. Je nachdem, wo man die Schwelle zwischen positiv und negativ ansetzt, verändert sich auch die Falsch-Positiv-Rate.“ Die Festlegung des Testtrennwertes ist also eine Nutzen-Schaden-Abwägung. Schließlich geht es darum, einige wenige Erkrankte aus der großen Masse der Gesunden herauszufiltern.

Umgang mit der Angst

Ein positives Testergebnis im MSP bedeutet also nur, dass etwas im Röntgenbild auffällig ist, das allein anhand dieser Aufnahme noch nicht als gutartig oder bösartig eingestuft werden kann. Stellt sich der Befund dann in Folgeuntersuchungen als ungefährlich heraus, spricht man von Falsch-Positiven. „Die zusätzlichen diagnostischen Maßnahmen können für die Person durchaus einen individuellen Schaden darstellen“, sagt Katalinic. „Im schlimmsten Fall können falsch-positive Tests zu unnötigen Therapien führen.“

portrait of Ute Krainick- Strobel
Prof. Dr. Ute Krainick- Strobel

Wie belastend die Zeit des Wartens auf eine endgültige Diagnose empfunden wird, hängt jedoch nicht allein von der persönlichen Konstitution jeder Frau ab, sondern auch davon wie informiert sie ist. „Ein falsch-positiver Befund muss kein Trauma bedeuten“, sagt Prof. Dr. Ute Krainick-Strobel von der Gemeinschaftspraxis für Brustdiagnostik in Tübingen. „Im Rahmen der Abklärungssprechstunde ist eine gute Kommunikation mit der Klientin eine Entlastung und zeigt die Präzision und gute Qualität des Screeningprogramms.“ Denn nur, wer gründlich sucht, der übersieht auch keinen Krebs.

Eine im Journal JAMA Internal Medicine veröffentlichte US-amerikanische Studie bestätigt, dass eine falsch-positive Mammographie zwar eine kurzzeitige psychische Belastung für die betroffenen Frauen darstellt, aber keine langfristigen Folgen auf deren Lebensqualität hat. Den Forschern zufolge erhöhte ein falsch-positives Ergebnis sogar die Absicht der Frauen, sich einem zukünftigen Brustkrebsscreening zu unterziehen. Die Gründe dafür bleiben zwar unklar, aber man kann im Kontext dieser Erhebung mitnichten von einer abschreckenden Wirkung sprechen.

Strategien zur Minimierung der Falsch-Positiv-Rate

Prof. Katalinic sieht den Schlüssel, um möglichst wenige falsch-positive Testergebnisse im MSP zu generieren, in einer hohen Spezifität. Denn je mehr Gesunde sofort als gesund klassifiziert werden, umso weniger falsch-positiv Getestete gibt es. Der Epidemiologe weist in diesem Zusammenhang auf die geringere Spezifität der Sonographie und Magnetresonanztomographie im Vergleich zur Mammographie hin: „Da muss man sich genau überlegen, ob man zum Beispiel beim MRT den Zugewinn an Sensitivität mit einer hohen Anzahl Falsch-Positiver erkauft.“

Wie genau lassen sich falsch-positive Screening-Resultate aber nun vermeiden? Im Jahresbericht Qualitätssicherung 2018 heißt es: „Eine sehr gute diagnostische Bildqualität der Mammographie-Aufnahmen sowie die Qualifikation der Befunder sind Grundbausteine eines effizienten Mammographie-Screening-Programms.“ Die umfassende Qualitätssicherung sowohl auf technisch-physikalischer als auch medizinisch-personeller Ebene wird gemäß den europäischen Leitlinien sichergestellt. Was die Wiedereinbestellungsrate zur weiteren Abklärung unklarer oder verdächtiger Befunde angeht, übertrifft das deutsche Programm mit 3,1% sogar die kritischen 5%, die die EU vorgibt.

Das Verständnis bei den Frauen, für die diese Aufklärung gemacht wird, ist ganz wichtig

Karin Bock

Falsch-Positive sind also in der Regel keine Fehldiagnosen, die von Ärzten aus Mangel an Wissen oder fachlicher Qualifikation gestellt werden, sondern wie Prof. Krainick-Strobel es ausdrückt, der Tatsache geschuldet, dass „benigne und maligne Befunde mammographisch komplett identisch aussehen können.“ Sie betont auch, dass die Evaluation falsch-positiver Befunde wichtiger für den Lernprozess der befundenden und abklärenden Kollegen in ihrem Team sei als die richtig-positiver Befunde. Die Botschaft, die es daher zu verbreiten gilt, lautet: Jede Untersuchung zur Früherkennung kann auch falsche Ergebnisse liefern. Und je häufiger getestet wird – was bei einem Screening, das alle zwei Jahre stattfindet, der Fall ist – desto höher liegt auch die Wahrscheinlichkeit irgendwann einmal einen falsch-positiven Befund zu erhalten.

Sehr viel Aufklärungsarbeit notwendig

„Das Verständnis bei den Frauen, für die diese Aufklärung gemacht wird, ist ganz wichtig“, bestätigt Dr. Karin Bock, Leiterin des Referenzzentrums Mammographie SüdWest in Marburg. „Die Medien haben einen relevanten Einfluss, ganz vorne das Internet. Man muss aufpassen, dass man nicht eine Verselbständigung von Begrifflichkeiten riskiert.“ So würde das Risiko, ein falsch-positives Ergebnis zu erhalten, zwar in der öffentlichen Berichterstattung thematisiert, aber das explizite Wort falle nicht. Dies habe zur Folge, dass der Begriff sehr häufig falsch verstanden werde.

Dies verdeutlicht auch eine Nutzertestung, die im Rahmen der Einführung der Entscheidungshilfe zum Mammographie-Screening im Jahr 2017 durchgeführt wurde. Ziel der Aufklärungsbroschüre, die vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) entwickelt wurde, ist es, Frauen verständlich über die Vor- und Nachteile des MSP zu informieren. Der Begriff Falsch-Positive fällt in dem Informationsblatt allerdings nicht. Stattdessen wird auf das Thema Überdiagnosen fokussiert. Diese sind im Rahmen des MSP als Diagnose eines Tumors definiert, der ohne Teilnahme an der Früherkennung lebenslang nicht klinisch auffällig geworden wäre. Nach Einschätzung von Karin Bock ein weniger relevanter Nachteil als die Falsch-Positiven.

In besagter Nutzerinnentestung, die ebenfalls vom IQWIG durchgeführt wurde, kam heraus, dass ein Großteil der befragten Frauen vor Lektüre der Entscheidungshilfe eine Überdiagnose für ein falsch-positives Ergebnis hielten. Nach der Lektüre der Entscheidungshilfe waren es immer noch 39% in der Zielgruppe der 50- bis 69-Jährigen, die dies taten. „Das Ganze ist insofern schade, weil von diesen Frauen alle sagten, jetzt hätten sie es gut verstanden“, bedauert Bock. Deswegen sei es um so wichtiger, den Begriff Falsch-Positiv zu verwenden und klar zu kommunizieren.

15.07.2021

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