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News • Genetische Netzwerke entschlüsselt
Neue Einblicke in die Rechtsherzschwäche
Die fortschreitende Unfähigkeit des Herzens, ausreichend Blut durch den Körper zu pumpen, ist eine unheilbare Erkrankung mit einer schlechten Prognose.
Dieses Krankheitsbild, das sowohl die rechte als auch die linke Herzkammer betreffen kann, wird als chronische Herzschwäche oder Herzinsuffizienz bezeichnet, ist häufig ein Endzustand von unterschiedlichen Herzkrankheiten und gehört weltweit und mit steigender Tendenz zu den vorherrschenden Todesursachen. Insbesondere die spezifischen Vorgänge bei einer Rechtsherzinsuffizienz sind im Gegensatz zur häufigeren Linksherzinsuffizienz noch vergleichsweise wenig erforscht. Ein interdisziplinäres Team der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) unter der Leitung der Physiologin Prof. Dr. Susanne Rohrbach und des Pharmakologen Prof. Dr. Michael Kracht hat dazu jetzt eine Studie in „Nature Cardiovascular Research“ veröffentlicht.
„Bei einer Rechtsherzinsuffizienz kann die rechte Herzkammer nicht mehr genug Blut durch die Lunge pumpen, so dass es zu einem Rückstau in die Leber und andere Organe kommt und das Blut insgesamt nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff gesättigt wird“, erklärt Prof. Rohrbach. „Hierfür gibt es eine Reihe von Ursachen, wie ein erhöhter Blutdruck im Lungenkreislauf und Verengungen in den Lungenarterien oder Herzklappenfehler.“
Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Rechtsherzinsuffizienz nicht durch ein einzelnes Gen, sondern durch Gruppen von zusammenwirkenden Genen verursacht wird. In Zukunft wird es wichtig sein, diese Gen-Netzwerke gezielt zu behandeln
Susanne Rohrbach
Obwohl oft gleichgesetzt, gibt es zwischen der linken und der rechten Herzkammer wichtige Unterschiede. Die rechte Herzkammer, in der der Blutdruck geringer ist, weist eine dünnere Muskelschicht, eine geringere Kraftentfaltung und eine nachgiebigere Herzwand auf. „Diese Unterschiede und das fehlende Ansprechen einer Rechtsherzinsuffizienz auf herkömmliche Medikamente für die Linksherzschwäche oder das Linksherzversagen führten zu der Frage, welche molekularen Veränderungen im Verlauf der chronischen Rechtsherzerkrankung auftreten“, erklärt Prof. Michael Kracht aus dem Rudolf-Buchheim-Institut für Pharmakologie der JLU. „Hierfür war für uns von besonderem Interesse, dass die rechte Herzkammer über einen längeren Zeitraum eine Pumpschwäche durch Umbauvorgänge kompensieren kann, bevor es sozusagen zusammenbricht und es zum terminalen Rechtsherzversagen kommt.“
Die Forschenden um Prof. Rohrbach und Prof. Kracht konnten unter anderem mit Hilfe von komplexen bioinformatischen Methoden funktionell zusammenhängende genetische Netzwerke rekonstruieren, deren Aktivierung mit dem Schweregrad einer Rechtsherzinsuffizienz zusammenhängt. Hierfür verglichen sie die Genaktivitäten von Herzmuskelzellen aus einem eigens etablierten Tiermodell in der Ratte mit Gewebeproben von Patienten, die an einer chronischen Form des Lungenhochdrucks mit einer Rechtsherzbelastung erkrankt waren. Die Forschungsergebnisse können dabei helfen, die Ursachen der Krankheit zu verstehen und neue Therapien zu entwickeln.
„Wir haben Gruppen von Genen gefunden, die den Übergang von einer stabilen zu einer sich verschlechternden Rechtsherzinsuffizienz anzeigen. Einige dieser Gene sind wichtig für den bindegewebigen Umbau des Herzgewebes und könnten in Zukunft als Biomarker oder Angriffspunkte für neue Medikamente dienen“, betont Prof. Kracht. „Andere Gene wurden bisher kaum untersucht, wie zum Beispiel Proenkephalin, dessen Genprodukte die Funktion von Herzmuskelzellen beeinträchtigen können. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Rechtsherzinsuffizienz nicht durch ein einzelnes Gen, sondern durch Gruppen von zusammenwirkenden Genen verursacht wird. In Zukunft wird es wichtig sein, diese Gen-Netzwerke gezielt zu behandeln“, fügt Prof. Rohrbach hinzu.
Die interdisziplinäre Untersuchung des Lungenhochdrucks und des Rechtsherzversagens stellt die Kernkompetenz des Gießener Sonderforschungsbereichs (SFB) „Pulmonale Hypertonie und Cor pulmonale“ dar. „Die Studie zeigt beispielhaft, wie unterschiedlichste Ressourcen gemeinsam genutzt werden, um neue Erkenntnisse und Therapieansätze zu entwickeln. Zahlreiche Forschende aus verschiedenen Teilprojekten des SFBs haben mit Probenmaterial, Datensätzen und spezifischen Tests einen Beitrag zur Komplementierung dieser Studie geleistet“, erklärt Prof. Dr. Norbert Weißmann, der Sprecher des SFBs.
Quelle: Justus-Liebig-Universität Gießen
10.07.2024