Bild: A. Heddergott/TUM
News • Datensicherheit
Startup will Patientendaten vernetzen – aber sicher
Mithilfe einer Open-Source-Software sollen Forscher unterschiedliche medizinische Daten eines Patienten zusammenführen, sicher speichern und einfach abrufen können.
Hinter dem Tool stehen zwei ehemalige Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM), Florian Kohlmayer und Andreas Lehmann. 2016 gründeten sie das Start-up Bitcare.
Sobald wir in einer Klinik behandelt oder untersucht werden, hinterlassen wir Daten. Dazu gehören persönliche Informationen wie Name, Geburtsdatum und Adresse oder medizinische Daten wie Vorerkrankungen oder Diagnose- und Behandlungsergebnisse, aber auch Bioproben wie Blut oder Gewebe. Ist der Patient damit einverstanden, können diese Daten auch für die Forschung genutzt werden. Zudem gibt es Daten, die primär für die Forschung gesammelt werden, natürlich in jedem Fall mit ausdrücklichem Einverständnis des Patienten. All diese vertraulichen medizinischen Informationen müssen vor fremdem Zugriff geschützt werden.
Mit Einführung der Datenschutzgrundverordnung wuchs das Bewusstsein für Cyber Security, und gute und sichere Systeme wurden gebraucht und gefordert
Florian Kohlmayer
„Für Forscher oder Ärzte, die diese Daten zur Forschung nutzen möchten, ist es oft unmöglich, auf all diese Daten gesammelt zuzugreifen. Das ist aber wichtig, weil vor allem bei komplexen Erkrankungen das Gesamtbild entscheidend ist“, erklärt Andreas Lehmann, Bitcare-Gründer. Diese Daten in einer gemeinsamen Datenbank zusammenzuführen, birgt jedoch große Sicherheitsrisiken.
Die Software „Data Integration System“ (DIS) der Bitcare-Gründer stellt sicher, dass die Daten räumlich, organisatorisch und technisch getrennt bleiben, der Arzt aber unkompliziert auf sie zugreifen kann und sie auf einer einzigen Benutzeroberfläche anzeigt bekommt. Die technische Idee ist, dass die Daten im Hintergrund auf drei separaten Systemen bleiben, die auf drei unterschiedlichen Servern liegen. DIS ist eine Open-Source-Software. Das hat den großen Vorteil, dass neue Komponenten, die für einen Nutzer entwickelt werden, auch allen weiteren Nutzern frei zur Verfügung stehen. Lehmann und Mitgründer Florian Kohlmayer bieten in ihrem Unternehmen ihre langjährige Expertise und die Anpassung, Weiterentwicklung und Wartung der Software an.
Die beiden Informatiker von Bitcare entwickelten das IT-System zusammen mit einem großen Team am Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie der TUM unter Leitung von Prof. Klaus Kuhn, der sie auch bei der Gründung entscheidend unterstützt hat.
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„Medizin wird in Bezug auf die IT hochgradig vernetzt betrieben, egal in welche Abteilung man schaut“, so Stefan Bücken, IT-Sicherheitsbeauftragter des Universitätsklinikums Erlangen. Noch vor einigen Jahren konnte man medizintechnische Systeme isoliert betrachten, inzwischen ist diese Sichtweise nicht mehr möglich.
„Bis Mitte letzten Jahres war vielen Anwendern der Datenschutz noch kein zentrales Anliegen. Mit Einführung der Datenschutzgrundverordnung wuchs das Bewusstsein für Cyber Security, und gute und sichere Systeme wurden gebraucht und gefordert“, berichtet Kohlmayer über seine Erfahrungen. Hier setzt das Software-System von Bitcare an. Es verwendet ein zweistufiges Verschlüsselungssystem für die Daten, die sogenannte doppelte Pseudonymisierung. Dabei werden die persönlichen Daten wie Name oder Adresse einer Nummer zugeordnet. Bei der Bitcare-Software wird die erste Nummer einer zweiten Nummer zugeordnet, unter der dann erst die Ergebnisse von Behandlungen gespeichert werden. So ist es nur mit allen drei Servern möglich, die klinischen Daten später der Person zuzuordnen. Kohlmayer ist auch Mitglied der Ethikkommission der Ludwig-Maximilians-Universität München und setzt sich auch im Rahmen dieses Mandats für Datenschutz und Datensicherheit ein.
Schon früh interessierten sich Forschungsinstitutionen und Kliniken für die Software, weil sie alltägliche Probleme bei der Erfassung von Patientendaten löst. Im Jahr 2015 nahm das Interesse sogar stark zu. „Der Weg zur Gründung lag da nahe“, erzählt Andreas Lehmann. Nach Beratung durch die TUM-Gründungsberatung und Lizenzvereinbarungen mit dem Klinikum rechts der Isar zur Nutzung der Software, starteten sie im Oktober 2016 als Unternehmer – ohne Venture Capital und bereits mit vielen Projekten, in denen diese Software eingesetzt wurde. Zahlreiche Münchner Forschungseinrichtungen und deutschlandweite Forschungsnetze gehören inzwischen zu den Nutzern ihrer Software, zum Beispiel das von der TUM geführte Großprojekt DIFUTURE. Ziel dieses BMBF-geförderten Medizininformatik-Projekts ist es, digitale Patientendaten zusammenzuführen und auszuwerten, um Krankheiten besser zu verstehen und schneller individuelle Entscheidungen zu treffen. Vor kurzem erhielt Bitcare die Zusage, dass ihre IT-Lösung auch für das bayernweite Digitalisierungsprojekt „DigiMed Bayern“ des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit eingesetzt wird.
Quelle: Technische Universität München
30.04.2019