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News • Nach dem Vorbild der Natur
Selektive Antibiotika gegen Infektions-Erreger
Mit zunehmender Gefahr durch multiresistente Keime werden neue Antibiotika dringender denn je benötigt. Allerdings unterscheiden Antibiotika nicht zwischen Krankheitserregern und nützlichen Mikroben. Sie können die empfindliche Balance des Mikrobioms zerstören – mit bleibenden Schäden.
Die Arbeitsgruppe des Konstanzer Chemikers Dr. Thomas Böttcher ist nun der Lösung dieser Probleme einen Schritt näher gekommen. In Kooperation mit der Arbeitsgruppe des Konstanzer Biologen Prof. Dr. Christof Hauck entdeckten die Wissenschaftler bisher unerforschte antibiotische Eigenschaften eines Naturstoffs, den man zuvor lediglich für ein bakterielles Signalmolekül hielt. Das Team mit den Doktoranden Dávid Szamosvári und Tamara Schuhmacher entwickelte und erforschte synthetische Abkömmlinge des Naturstoffs, die eine überraschend hohe Effizienz gegen den Krankheitserreger Moraxella catarrhalis zeigten. Hierbei wurde lediglich das Wachstum von Krankheitserregern dieser Spezies gehemmt, nicht jedoch das anderer Bakterien. Ein solch selektiver Wirkstoff konnte in einem weiteren Projekt auch für den Malariaerreger entwickelt werden. Dadurch könnte die Grundlage für neuartige Präzisionsantibiotika geschaffen werden. Die Forschungsergebnisse werden in den aktuellen Ausgaben der Fachzeitschriften Chemical Science beziehungsweise Chemical Communications beschrieben.
So wichtig Antibiotika für die Behandlung von Infektionskrankheiten auch sind, im Mikrobiom des Menschen hinterlassen sie eine Spur der Verwüstung. Magen-Darm-Beschwerden nach Antibiotikabehandlung sind hier noch die harmlosesten Folgen. Häufig treten auch resistente Krankheitserreger an die Stelle nützlicher Mikroben. Diese können später schwere Infektionskrankheiten hervorrufen oder zu chronischen Erkrankungen führen. Doch nicht alle Mikroben sind gefährlich. Ganz im Gegenteil, viele Mikroorganismen leben friedlich mit uns zusammen und sind für die menschliche Gesundheit sogar unerlässlich. Der Mensch ist dabei ein wahrer Mikrokosmos und beherbergt sogar mehr Mikroben als menschliche Zellen. Doch dieses Ökosystem, das menschliche Mikrobiom, ist fragil. Allergien, Übergewicht, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen und sogar psychiatrische Erkrankungen können die Folge eines geschädigten Mikrobioms sein. Doch wie hält man diese ökologische Vielfalt im Fall einer Infektionskrankheit aufrecht?
Das Forscherteam untersuchte ursprünglich die Signalstoffe des Bakteriums Pseudomonas aeruginosa. Eine Verbindung weckte dabei ihr Interesse, denn sie hemmte hoch selektiv das Wachstum des Krankheitserregers Moraxella catarrhalis. Der Erreger ist unter anderem für Mittelohrentzündungen bei Kindern sowie Infektionen bei Patienten mit chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen verantwortlich. Eine synthetische Weiterentwicklung des Naturstoffes führte zu einer neuen Substanzklasse mit enormer antibiotischer Effizienz. Überraschend war aber vor allem deren Selektivität: Lediglich das Wachstum von Moraxella catarrhalis wurde gehemmt, nicht jedoch das anderer Bakterien. Sogar eng verwandte Spezies aus der gleichen Gattung blieben völlig unbeeinträchtigt.
Aktuell erforscht das Team von Thomas Böttcher und Christof Hauck den Wirkmechanismus dieser hochselektiven Antibiotika gegen den Krankheitserreger Moraxella catarrhalis. Antibiotika mit einer derartigen Spezies-Selektivität würden Präzisionseingriffe ermöglichen, um zielgerichtet Krankheitserreger auszuschalten, aber dabei die Artenvielfalt der nützlichen Mikroben zu erhalten.
In einer weiteren aktuellen Arbeit in der Fachzeitschrift Chemical Communications ist es im Forschungsteam von Thomas Böttcher und dem Doktoranden Dávid Szamosvári zusammen mit Wissenschaftlern der Duke University (USA) gelungen, hochselektive Wirkstoffe gegen den Malariaerreger zu entwickeln. Auch hier bediente sich das Team dem Vorbild der Natur und kreierte neue, bisher unerforschte Chinolon-Ringsysteme. Eine Verbindung erwies sich dabei als herausragend spezifisch für ein kritisches Stadium im Lebenszyklus des Malariaparasiten. Dieser nistet sich zunächst in der Leber ein, bevor er beginnt, Blutzellen zu befallen. In diesem Leberstadium konnten die Forscher den Parasiten gezielt angreifen und ausschalten. Diese Erkenntnisse sollen helfen, neue chemische Strukturklassen für eine gezielte Erforschung und eine mögliche selektive Therapie von Malaria zu erschließen.
Quelle: Universität Konstanz
30.07.2019