Artikel • Senhance® Surgical Robotic System

„Robotic-Systeme sind die Zukunft der Medizin“

Das St. Marien-Krankenhaus Siegen hat im April 2017 Robotic-Geschichte geschrieben: Als erstes Krankenhaus in Deutschland hat es ein Robotic-System des Herstellers Transenterix in der Chirurgie eingeführt. Inzwischen wurden mit dem Senhance® Surgical Robotic System mehr als 450 Operationen durchgeführt, und die Expertise von Prof. Dr. Dietmar Stephan, Leiter der minimal-invasiven Chirurgie, ist in der ganzen Welt gefragt.

Man darf nicht den Fehler machen, zu viel zu schnell zu wollen. Wir haben uns vom Einfachen zum Komplexen herangetastet und damit gute Erfahrungen gemacht

Hans-Jürgen Winkelmann

Die Marien-Gesellschaft Siegen betreibt neben dem Krankenhaus noch sechs Wohn- und Pflegeeinrichtungen, zwei ambulante Reha-Zentren, ein Therapiezentrum, ein Hospiz und fünfzehn ambulante Arztpraxen in drei Medizinischen Versorgungszentren. Der Entscheidung für das Senhance-System ging das Engagement von Stephan und dem Chefarzt der Klinik für Allgemein-, Viszeral-, und Gefäßchirurgie, Prof. Dr. Frank Willeke, voraus. „Die beiden wollten innovative Technologien einsetzen, um die minimalinvasive Chirurgie weiter auszubauen“, erinnert sich Hans-Jürgen Winkelmann, Hauptgeschäftsführer der Marien-Gesellschaft Siegen. Ende 2016 stießen sie in einem Schulungszentrum in Mailand auf das Senhance-System. „Sie waren sofort begeistert und wollten es unbedingt deutschlandweit als erste realisieren“, so Winkelmann. Keine sechs Monate später wurde die erste Operation mit dem System in Siegen durchgeführt. Begonnen wurde mit Hernien-Operationen, später folgte die große Rektumchirurgie sowie Eingriffe an der Speiseröhre und am Zwerchfell. Auch gynäkologisch kommt der Roboter z.B. bei Hysterektomien zum Einsatz. „Man darf nicht den Fehler machen, zu viel zu schnell zu wollen“, rät Winkelmann jedem, der über den Einsatz von Robotic-Systemen nachdenkt. „Um sich an größere Operationen wagen zu können, braucht man längere Lern- und Erfahrungskurven. Wir haben uns vom Einfachen zum Komplexen herangetastet und damit gute Erfahrungen gemacht.“

Umstrukturierungen für bessere Ergebnisse

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Hans-Jürgen Winkelmann, Hauptgeschäftsführer der Marien-Gesellschaft Siegen

Um beste Bedingungen für das Senhance-System zu schaffen, wurde ein vormals ambulanter OP-Saal mit relativ wenig Aufwand in einen Robotic-Saal umgewandelt. Die ambulanten Eingriffe wurden ausgelagert, so dass sich die Ärzte und das OP-Personal komplett auf die Robotic-Operationen einstellen konnten. „Es ist wichtig, anfangs längere OP-Zeiten einzuplanen und dem gesamten Personal – nicht nur den Ärzten – die notwendige Zeit für kontinuierliche Verbesserungen zu geben“, erklärt Winkelmann. „Gewisse Umstrukturierungen sind für ein optimales Ergebnis unumgänglich.“ Und der Erfolg gibt ihm Recht, denn kein Patient hat es bisher abgelehnt, sich mit Hilfe des Robotic-Systems operieren zu lassen. „Das Vertrauen in unser Team war immer da“, freut sich der Hauptgeschäftsführer. Das System liefert dem Chirurgen, der während der Operation in einer bequemen Position an einer offenen Konsole neben dem Patienten sitzt, gestochen scharfe, hochaufgelöste Bilder in bis zu 6-facher Vergrößerung. Die Steuerung der Kamera erfolgt durch die Augenbewegungen des Operateurs, die Steuerung der Instrumente im Bauchinnern des Patienten mit den Händen. Ein eingebauter Tremorfilter eliminiert die feinen, bei jedem Menschen vorhandenen Zitterbewegungen. Dadurch ist eine derart präzise Arbeitsweise möglich, wie sie menschliche Hände niemals erlangen könnten. Der Vorteil für die Patienten spricht für sich: Mehr Sicherheit, weniger Einstiche, geringere Wundschmerzen, schnellere Heilungsprozesse.

„Robotic-Systeme sind die Zukunft der Medizin“

Expertise ist weltweit gefragt

Die Expertise von Stephan hat sich nicht nur unter den Patienten in der Region Siegen herumgesprochen, sondern weltweit. Denn unter den weltweit 25 Senhance-Referenzzentren ist das Krankenhaus in Siegen die Einrichtung, die die meisten Eingriffe durchgeführt hat. Der Chirurg ist daher gern gesehener Redner auf Kongressen in den USA und in Japan, wo er seine Erfahrungen mit dem System vorstellt und anhand von Videos die entwickelten Techniken präsentiert. Zudem kommen regelmäßig Hospitationsgäste aus der ganzen Welt ins St. Marien-Krankenhaus, um von Stephan und seinen Kollegen in das System eingeführt zu werden. Auch den chirurgischen Assistenzärzten ermöglichen Willeke und Stephan gerne, sich im Bereich Robotic weiterzubilden und die Arbeit mit dieser Zukunftstechnologie zu erlernen. Winkelmann ist sich sicher, dass sich die Robotic nach und nach durchsetzen wird. „In der Orthopädie und der Urologie sind bereits viele solcher Systeme etabliert. In nicht allzu ferner Zukunft rechne ich damit, dass in jedem Zentral-OP zwei oder sogar drei Robotic-Säle eingerichtet sein werden.“

Noch handelt es sich jedoch um eine Technologie, für die sich der Hauptgeschäftsführer das ein oder andere Mal ökonomisch rechtfertigen muss, da sie noch nicht refinanziert wird. Um das zu ändern, arbeitet das Krankenhaus an mehreren Studien, die den besseren Output von Robotic-Operationen nachweisen sollen. „Wenn das gelingt“, so Winkelmann, „werden diese Leistungen auch besser refinanziert und überall in Deutschland etabliert werden.“ (SB)


Profil:

Hans-Jürgen Winkelmann ist seit 2018 Hauptgeschäftsführer der Marien Gesellschaft Siegen gGmbH. Zuvor war der ausgebildete Bankkaufmann und studierte Wirtschaftswissenschaftler Geschäftsführer des zur Gesellschaft gehörenden St. Marien-Krankenhaus Siegen. Winkelmann ist Vorstandsvorsitzender des Zweckverbands der Krankenhäuser Südwestfalen e.V. und Vorstandsmitglied der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW).

02.12.2020

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