Plädoyer für die Thoraxradiologie

Die konventionelle Röntgenthoraxaufnahme stellt eine Modalität dar, deren umfangreiches diagnostisches Potenzial voll ausgeschöpft werden sollte.

Prof. Dr. Okka Hamer
Prof. Dr. Okka Hamer

Prof. Okka Hamer, Leiterin der Kardiopulmonalen Bildgebung am Universitätsklinikum Regensburg sowie Chefärztin der Abteilung für Radiologie an der Lungenfachklinik Donaustauf plädiert deshalb für eine konsequente Anwendung und eine bessere Ausbildung. Insgesamt hält sie die Einführung der Schwerpunktkompetenz „Thoraxradiologie“ für sinnvoll. Der konventionelle Röntgenthorax ist eine der häufigsten Untersuchungen in der Radiologie und bietet viele Vorteile: Das Verfahren ist nahezu überall verfügbar, schnell sowie kostengünstig und arbeitet im Vergleich zur Computertomographie mit einer sehr geringen Strahlenbela stung. „Es sollte deshalb nicht übersprungen werden, da es entweder die klinische Frage bereits vollständig beantworten kann oder als Weichensteller für weitere Untersuchungen dient“, erklärt Prof. Hamer.

Ein unterschätztes Verfahren
Viele Erkrankungen lassen sich mit dem Röntgenthorax gut diagnostizieren, so zum Beispiel Pleuraergüsse, Pneumonien, ein Pneumothorax, Rundherde über 1 Zentimeter Größe und mediastinale Raumforderungen ab einer gewissen Größe. „Schwierig wird es immer dann, wenn die Veränderungen nur sehr diskret sind. Rundherde unter 1 Zentimeter Größe, eine diskrete Atemwegsveränderung oder ein diskret ausgeprägtes Emphysem zum Beispiel können einer Erkennung entgehen. Auch die Beurteilung von interstitiellen Lungenerkrankungen, die Detektion einer Pneumonie bei immunsupprimierten Patienten oder die ätiologische Einordnung von komplexen Erkrankungen mit sich überlagernden Entitäten sind im Röntgenthorax schwierig“, schildert die Professorin.

Zu oft direkt in den CT
Zwar kommen Magnetresonanztomographie, Ultraschall und nuklearmedizinische Verfahren auch zum Einsatz – zum Beispiel bei kardialen, pleuralen oder malignen Veränderungen –, aber die häufigste Alternative zum Röntgenthorax ist die Computertomographie (CT). Die Versuchung, eine CT auch als Einsteigeruntersuchung einzusetzen, ist groß, da dieses Gerät in den meisten Häusern standardmäßig zur Verfügung steht. Die Konsequenz sind zu viele unnötige CT-Untersuchungen, die die Patienten mit Strahlen belasten und zudem kostenintensiv sind. „Beim konventionellen Röntgenthorax wird der Patient nur 0,02 bis 0,1 Millisievert ausgesetzt, bei der normalen Thorax-CT sind es 4 bis 5 Millisievert“, so Hamer, „ein ganz erheblicher Unterschied.“ Durch den übermäßigen Einsatz der CT geht zudem das detaillierte Wissen über die Röntgenthoraxdiagnostik langfristig und unwiderruflich verloren.

Normalbefund muss sitzen
Profundes Wissen und ein hohes Maß an Erfahrung sind bei der Befundung der Röntgenthoraxaufnahme gefragt: „Nur wenn man den Normalbefund, der sehr variabel sein kann, aus dem Effeff kennt, gelingt es auch, Pathologien sicher zu diagnostizieren“, ist Hamer überzeugt. Beispielsweise gelingt es nur, bestimmte Pathologien zu detektieren und zuzuordnen, wenn man die vielen Linien und Streifen im Normalbefund sicher erkennen und benennen kann. Allein die Bestimmung der Lokalisation einer Läsion kann im Röntgenthorax wesentlich schwieriger sein als in der CT. Hier sind eine gute Ausbildung und Kombinationsgabe gefragt.

Subspezialisierung für die Thoraxradiologe
Hamer plädiert für die Einführung der Schwerpunktkompetenz „Thoraxradiologie“, ähnlich wie in Nordamerika, wo es erfahrene Experten gibt. „Die Thoraxradiologie ist inzwischen sehr komplex und die bildgebenden Methoden sind sehr viel besser geworden, sodass eine Spezialisierung auf diesem Gebiet absolut sinnvoll ist“, so Hamer. Auch die neuen therapeutischen Entwicklungen, zum Beispiel auf dem Gebiet der interstitiellen Lungenerkrankungen, setzen eine sichere Diagnostik voraus. „Das radiologische Wissen über diese Erkrankungen ist zum Teil viel zu gering. Zumindest an den großen Häusern ist es deshalb unbedingt sinnvoll, einen spezialisierten Thoraxradiologen zu haben.“

Im Profil:
Prof. Dr. Okka Hamer ist seit 2009 Professorin für Kardiopulmonale Bildgebung am Universitätsklinikum Regensburg und Chefärztin der Abteilung für Radiologie an der Lungenfachklinik Donaustauf. Nach ihrem Studium in Regensburg und Würzburg absolvierte Hamer im Rahmen von Fellowships wissenschaftliche und klinische Aufenthalte in den USA und Kanada, unter anderem an der Section of Chest Imaging bei Prof. Nestor Müller in Vancouver. Mehrere Preise und Stipendien begleiteten ihren beruflichen Werdegang. Professor Hamer ist in zahlreichen Forschungskooperationen und Fachgesellschaften aktiv und verfügt über eine beeindruckende Veröffentlichungsliste.

Veranstaltung
Raum Peters
Do., 29.05.2014,16:15 - 17:00 Uhr
Systematische Befundung des Röntgenthorax –Mediastinum
Hamer O./ Regensburg
Session: Fit für den Facharzt – Das konventionelle Röntgenbild – THORAX I

28.05.2014

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