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Nicht oft zu sehen: Die Rolle der MRT bei Morbus Recklinghausen
Die Neurofibromatose Typ 1 (NF 1), die auch nach ihrem Entdecker als Morbus Recklinghausen bezeichnet wird, ist eine seltene Erbkrankheit, deren Symptome bei der Geburt noch nicht sichtbar sind, sondern erst nach einigen Jahren und dann aber immer evidenter werden.
So beschreiben es die Richtlinien der Kinder-Tumor-Stiftung (www.ctf.org) und der Genetikausschuss der Amerikanischen Akademie für Kinderheilkunde. „Die Bildgebung hat für die Diagnose der Erkrankung so gut wie keine Bedeutung, erst für das Follow-up der verschiedenen Pathologien wird sie wichtig“, schildert Dr. Luc van den Hauwe, Neuroradiologe am Universitätskrankenhaus Antwerpen in Belgien.
Diagnose nach klinischen Kriterien
Bereits Ende der 80er-Jahre wurden klinische diagnostische Kriterien festgeschrieben, von denen mindestens zwei zutreffend sein müssen für die Diagnose der Neurofibromatose Typ 1. Dazu gehören vor allem Haut- und Augenanomalien, wie die sogenannten Café-au-Lait-Flecken, Neurofibrome oder das Lisch-Knötchen. Etwa jedes fünfte Kind mit Neurofibromatose Typ 1 hat ein Gliom im Bereich des Sehnervs. „Vor allem kleine Kinder vor dem siebten Lebensjahr entwickeln einen Sehnervtumor, der in der Regel gutartig ist, aber überwacht werden sollte, da er bei schnellem Wachstum das Sehvermögen des Kindes erheblich beeinträchtigen kann“, so Dr. van den Hauwe.
Wann und wie oft MRT?
Für diese Überwachung nutzt man die Magnetresonanztomographie, die aber immer wieder für Diskussionen sorgt. Eine Gehirn-MRT dauert etwa eine halbe Stunde und für die Kinder bedeutet das eine Vollnarkose. „Da man den jungen Patienten das nicht jedes Jahr antun möchte, sondern nur dann, wenn es wirklich nötig ist, werden die meisten von einem Augen- oder Hautarzt und nicht vom Radiologen überwacht. Bei der MRT hat man den Vorteil, dass man sieht, was im Kind vor sich geht, und wenn man etwas findet, die Behandlung früher beginnen kann. Eine MRT ist auf jeden Fall angebracht bei einer NF-1-Diagnose, aber nach den Richtlinien ist sie nicht vorgeschrieben, es sei denn, es gibt Auffälligkeiten bei der Augenarztuntersuchung“, erklärt der Neuroradiologe.
Veränderungen im Gehirn und an der Wirbelsäule stehen im Vordergrund, da bei Morbus Recklinghausen vor allem das Nervengewebe geschädigt ist. Aufgrund ihrer hohen Auflösung gilt die Magnetresonanztomographie hierbei als Goldstandard, wobei ganz reguläre Sequenzen, oft mit Gadolinium, zur Anwendung kommen. Aber auch für andere Tumoren mit einer größeren malignen Tendenz besteht bei NF 1 eine höhere Inzidenz, wie beispielsweise für bösartige periphere Nervenhüllentumoren. Auch hier empfiehlt sich eine engmaschige Überwachung mit MRT beziehungsweise bei plexiformen Neurofibromen auch ein PET-Scan, um eine bösartige Veränderung der Tumoren auszuschließen.
Krankhafte Muster im Gehirn
Im Gehirn sieht man mithilfe der MRT vor allem zweierlei: Tumoren, wie etwa am Sehnerv (Optic Pathway Glioma, Abb. 1), die zur Blindheit führen können und häufig mit einer verfrühten Pubertät einhergehen und eine abnorme Signalintensität in der Region der Basalganglien, also in der tieferen Gehirnregion. Dr. van den Hauwe: „Diese abnorme Signalintensität nimmt im Laufe der Zeit zu und hat während der Pubertät ihre stärkste Ausprägung, bevor sie wieder ganz verschwindet. Diese hyperintensen Herde (Unidentified Bright Objects = UBO, Abb. 2) sind sehr typisch für NF 1 und deshalb sollte der Radiologe darauf achten, insbesondere wenn auch die klinischen Anzeigen für Morbus Recklinghausen vorliegen. Allerdings werden die UBOs aufgrund der vergänglichen Vorkommnis nicht als Diagnosekriterium von NF 1 akzeptiert, da sie in der Folge auch wieder verschwinden können.“
Verwechslung ausgeschlossen
Irrtümlicherweise wird auch die Neurofibromatose Typ 2 (NF 2) als Morbus Recklinghausen bezeichnet. Doch während bei NF 1 der Chromosomenfehler auf dem 17. Chromosom liegt, ist bei NF 2 das Chromosom 22 betroffen. Statt vom Nervengewebe selbst gehen die Störungen und Tumoren bei der NF 2 von den Nervenumhüllungen aus, was man im MRT gut unterscheiden kann. Die Pathologien sind das Vestibularisschwannom, das Meningioma und das Ependynoma, weshalb die Erkrankung auch das Acronym „MISME“ für Multiple Inherited Ependynomas, Schwannomas and Meningiomas trägt.
Fazit
Die Bildgebung ist für die Diagnose der Neurofibromatose Typ 1 nicht erforderlich. Der sicherste Nachweis der Erkrankung erfolgt über einen Gentest aus Zellen der Mundschleimhaut. Die Bildgebung, vor allem die MRT, ist hilfreich um die Anomalien, die etwa 20 bis 25 Prozent der Betroffenen entwickeln, zu erkennen und zu verfolgen, um schweren Auswirkungen wie z.B. Erblindung oder Krebserkrankung rechtzeitig begegnen zu können.
Profil:
Dr. Luc van den Hauwe hat seine medizinische Ausbildung an der Universität Antwerpen, Belgien, genossen. Bei Prof. Dr. A. De Schepper hat er seine radiologische Facharztausbildung und bei Prof. Dr. P. M. Parizel in Antwerpen seine neuroradiologische Facharztausbildung absolviert. Er arbeitet als konsultierender Neuroradiologe an der Universität Antwerpen.
25.09.2015