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Blau eingefärbtes Abstrichmaterial von Corona-Tests wird mithilfe eines Laborroboters für die Analyse in einem Sequenzierungsgerät vorbereitet

Bildquelle: Universitätsklinikum Bonn / F. Heyder

News • Bis zu 100-mal empfindlicher als Antigen-Schnelltests

Neuer Coronatest vielversprechend für Massentestungen

Ein neuer am Universitätsklinikum Bonn entwickelter Corona-Test kann mithilfe von Sequenziertechnologie eine Vielzahl von Abstrichen gleichzeitig analysieren und hat eine ähnlich hohe Sensitivität wie der gängige qPCR-Test.

Insbesondere für die systematische Testung in Kitas, Schulen oder Betrieben bietet das innovative Verfahren großes Potential. Die Studienergebnisse zum neuen Corona-Test sind jetzt im Fachjournal „Nature Biotechnology“ veröffentlicht worden.

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Prof. Dr. Jonathan Schmid-Burgk, beim Pipettieren in einem Labor auf dem Campus des Universitätsklinikums Bonn

Bildquelle: Universitätsklinikum Bonn / F. Heyder

Um in der Corona-Pandemie das Infektionsgeschehen effektiv überwachen und eindämmen zu können, bleibt neben der Impfung die systematische Testung der Bevölkerung von zentraler Bedeutung. Nur so kann die Ausbreitung des Virus effektiv überblickt und durch gezielte Maßnahmen eingedämmt werden. Der Corona-Test „LAMP-Seq“, der am Universitätsklinikum Bonn (UKB) entwickelt worden ist, bietet die Möglichkeit viele Menschen regelmäßig auf das SARS-CoV-2-Virus zu testen. So können Infektionen frühzeitig erkannt und entsprechende Infektionsketten schnell unterbrochen werden. „Unser Corona-Test „LAMP-Seq“ ist etwa 100-mal empfindlicher als die aktuell weit verbreiteten Antigen-Schnelltests und fast so sensitiv und spezifisch wie der gängige qPCR-Test“, beschreibt Prof. Dr. Jonathan Schmid-Burgk vom Institut für Klinische Chemie und Klinische Pharmakologie des UKB die Eigenschaften des Testverfahrens, das interdisziplinär mit anderen Forschenden am UKB entwickelt worden ist. „Hinzu kommt die hohe Skalierbarkeit des Tests. Durch den Einsatz von Sequenziermaschinen lassen sich tausende Proben gleichzeitig analysieren“, so Schmid-Burgk, der 2020 an die Universität Bonn berufen wurde und zuvor am Broad Institute of MIT and Harvard tätig war. Das LAMP-Seq-Verfahren erkennt dabei nicht nur Corona-Infektionen mit dem Ursprungsvirus, sondern auch solche mit neuartigen Mutanten der Varianten Alpha bis Delta.

An dem Projekt waren unter anderem Mitglieder des Exzellenzclusters ImmunoSensation2, das Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit, die Life&Brain GmbH sowie das Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz beteiligt.

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In einem Mikroreaktionsgefäß (häufig auch als „Eppi“ bezeichnet) gefüllt mit 1 Milliliter Flüssigkeit befindet sich das amplifizierte Abstrichmaterial von bis zu 10.000 Corona-Tests, die mit einem Sequenzierungsgerät analysiert werden

Bildquelle: Universitätsklinikum Bonn / F. Heyder

Für den „LAMP-Seq“-Test haben die Bonner Wissenschaftler das bereits etablierte LAMP-Verfahren („Loop-mediated Isothermal Amplification“ – Vermehrung des Virusgenoms bei einer konstanten Temperatur) adaptiert und es mit Sequenziermaschinen aus der biomedizinischen Forschung kompatibel gemacht. Im Ergebnis lassen sich viele Proben gleichzeitig im Hochdurchsatzverfahren analysieren. Ermöglicht wird dieses labordiagnostische Verfahren durch eine Innovation von Schmid-Burgk: Bevor tausende Proben in einem Sequenzierlauf zusammen analysiert werden, wird jede einzelne Probe mit einem molekularen Barcode verknüpft. Dieser Barcode sorgt dafür, dass jede Probe auch nach dem Pooling tausender Proben zweifelsfrei zugeordnet werden kann. „Eine Nachtestung des gesamten Pools bei einem positiven Testergebnis ist daher nicht mehr notwendig“, so Dr. Kerstin Ludwig, Emmy-Noether-Gruppenleiterin am Institut für Humangenetik. Diese Technologie senkt die Kosten pro Test im direkten Vergleich zum qPCR-Test deutlich und macht das „LAMP-Seq“-Verfahren zu einem skalierbaren Corona-Massentest. „Mit seinem großen Durchsatz und der hohen Sensitivität kann der „LAMP-Seq“-Test einen wesentlichen Beitrag zum Screening von unerkannten Infektionen leisten. Gerade in Schulen oder Betrieben, wo sich viele Menschen regelmäßig begegnen, ist unser Corona-Test ideal, um das Infektionsgeschehen systematisch und präventiv zu monitoren“, beschreibt die Co-Entwicklerin des Test-Verfahrens die möglichen Einsatzszenarien des „LAMP-Seq“-Tests.

Prof. Wolfgang Holzgreve, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender am UKB, erklärt den Nutzen des neuen Tests für die Corona-Surveillance so: „Um eine Pandemie wirksam einzudämmen, muss man Infizierte finden, bevor sie andere Personen anstecken. Um dieses Ziel zu erreichen, benötigen wir Massenscreenings mit höchster Sensitivität, mit denen wir ein detailliertes Bild von bestehenden Infektionsketten bekommen können. Genau dafür bietet sich der am UKB entwickelte Corona-Test „LAMP-Seq“ an.“

Bereits kleinere Modelle der eingesetzten Sequenziermaschinen sind in der Lage in einem einzigen Lauf (Dauer: etwa zehn bis zwölf Stunden) rund 10.000 Proben zu analysieren. Damit werden die Laborkapazitäten als limitierender Faktor in der Testung nahezu ausgeschlossen. In mehreren großen Studien (unter anderem Schul- und Mitarbeitertestung) mit insgesamt rund 20.000 Testungen haben die Bonner Wissenschaftler die gesamte vor- und nachgelagerte Logistik, von der Probennahme per Rachenabstrich bis hin zur volldigitalen Rückmeldung der Testergebnisse ausführlich getestet, optimiert und erfolgreich validiert. Die Dokumentation der Studienergebnisse hat kürzlich einen unabhängigen Peer-Review-Prozess durchlaufen und ist nun im Fachjournal „Nature Biotechnology“ veröffentlicht worden.

Während die Bonner Forschenden ihr Verfahren derzeit ganz auf die SARS-CoV-2-Testung ausgerichtet haben, lässt sich „LAMP-Seq“ in Zukunft auch differentialdiagnostisch bei der Testung auf andere Viren wie Influenza A einsetzen und ist auch für weitere Pandemien schnell adaptierbar. Aktuell arbeiten die Wissenschaftler an der CE-Kennzeichnung im Rahmen eines Konformitätsbewertungsverfahrens, um den „LAMP-Seq“-Test zeitnah international verfügbar zu machen. Bis diese Zulassung vorliegt, wird das technisch und wissenschaftlich vollständig validierte „LAMP-Seq“-Verfahren weiterhin für Pilot-Testungen eingesetzt.


Quelle: Universitätsklinikum Bonn

30.06.2021

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