hand in red glove pointing at xray mammogram

Bildquelle: Shutterstock/Tomas K

News • Nach Brustkrebs-OP

Neue Leitlinie: Nicht immer muss die ganze Brust bestrahlt werden

Nach einer brusterhaltenden Brustkrebs-Operation schließt sich bei Patientinnen fast immer eine Strahlentherapie an.

Nach aktueller S3-Leitlinie soll die gesamte verbliebene Brust bestrahlt werden mit einer Dosis von ca. 50 Gy bei konventioneller Fraktionierung (in ca. 25-28 Fraktionen in ca. 5-6 Wochen) oder 40 Gy in Hypofraktioniering (15-16 Fraktionen in ca. 3-5 Wochen). Lediglich bei Frauen, die eine begrenzte Lebenserwartung haben (weniger als 10 Jahre), kann bei kleinem Tumor ohne Lymphknotenbefall, wenn er mit einer Hormontherapie behandelbar ist, auf eine Bestrahlung nach brusterhaltender Operation verzichtet werden. Doch muss bei allen anderen Patientinnen wirklich die gesamte Brust bestrahlt werden?

Nein, befinden Experten der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO). Die Datenlage hat sich in den letzten Jahren geändert und während die vorhergehende Fassung der S3-Leitlinie noch betonte, die Teilbrustbestrahlung als alleinige intra- oder postoperative Bestrahlungsbehandlung stelle keinen Therapiestandard dar, ist in der Fassung der Leitlinie vom August 2019 nachzulesen: „Eine alleinige Teilbrustbestrahlung (als Alternative zur Nachbestrahlung der ganzen Brust) kann bei Patientinnen mit niedrigem Rezidivrisiko durchgeführt werden.“ Kriterien für ein niedriges Rückfallrisiko sind:

  • Die Wechseljahre der Patientin sind abgeschlossen,
  • der Tumor ist klein (Tumorstadium T1-2) und wenig bis mäßig bösartig (G1-2) und
  • die Tumorzellen sind Hormonrezeptor-positiv, d.h. der Tumor spicht auf eine Hormontherapie an.

Erst wenn alle diese Kristerien erfüllt sind, kommt eine Teilbrustbestrahlung aus medizinischer Sicht in Betracht. Ist sie möglich, bringt sie durchaus Vorteile für die Patientin: Gegenüber der externen Bestrahlung der ganzen Brust bietet eine gezielte Teilbestrahlung die Möglichkeit, das umliegende Gewebe zu schonen und so Nebenwirkungen zu reduzieren.

Eine Teilbrustbestrahlung wurde bisher intraoperativ als Brachytherapie oder Bestrahlung des Tumorbettes durchgeführt, nicht als „normale“ Strahlentherapie nach der OP (von Außen durch die Haut, sogenannte perkutane Bestrahlung). Strnad et al. hatten gezeigt, dass die Lokalrezidivrate bei Patientinnen mit frühem Brustkrebs (Stage 0, I und II a) nach brusterhaltender Operation mit einer akzelerierten Teilbrustbestrahlung mit Brachytherapie der Ganzbrustbestrahlung nicht unterlegen ist. Auch die TARGIT-A-Studie hatte ergeben, dass bei Patientinnen mit frühem Brustkrebs eine sofortige intraoperative Einzeldosis-Bestrahlung eine Alternative – gleichwertig zur Ganzbrust-Bestrahlung nach OP – darstellen kann. „Die Rückfallrate am Ort des ursprünglichen Tumors ist im Vergleich zu eine Ganzbrustbestrahlung nicht erhöht. Allerdings kommt es zu einer minimal erhöhten Rückfallrate in anderen Abschnitten der betroffenen Brust und in den regionären Lymphknoten. Aus dieser minimal erhöhten Rückfallrate (0,8-2%) resultiert aber kein Überlebensnachteil, erklärte Prof. Dr. Wilfried Budach, Düsseldorf, Past-Präsident der DEGRO, auf dem Deutschen Krebskongress. „Daher wurde die S3-Leitlinie im Sommer letzten Jahres angepasst.“ Neu ist nun, dass auch die herkömmliche perkutane Teilbrustbestrahlung nicht der Gesamtbrustbestrahlung unterlegen ist. Dazu wurden Ende 2019 drei Studien publiziert:

  • Eine randomisierte Phase-3-Studie hatte über 4.000 Patientinnen aus den USA, Kanada, Irland und Israel eingeschlossen – eine Gruppe erhielt die Teilbrustbestrahlung, die andere die Ganzbrustbestrahlung, der primäre Endpunkt war der erste Rückfall. Nach einem medianen Follow-up von mehr als 10 Jahren war bei 4% der Patientinnen, die der Teilbrustbestrahlung unterzogen worden waren, ein Wiederauftreten der Tumorerkrankung diagnostiziert worden, in der Vergleichsgruppe bei 3%. Dieser Unterschied war statistisch nicht signifikant, hinzukam, dass die Mortalitätsrate in beiden Gruppen gleich war (2%).
  • Eine zweite randomisierte Studie verglich ebenfalls die Rückfallraten nach Teil- und Ganzbrustbestrahlung. Über 2.000 Patientinnen aus Kanada, Australien und Neuseeland wurden eingeschlossen und über 8 Jahre nachbeobachtet. Auch hier zeigte sich nur eine leicht höhere Rückfallrate bei den Patientinnen, die eine Teilbrustbestrahlung erhalten hatten (3,0% vs. 2,8%), der Unterschied war nicht signifikant.
  • Eine dritte Studie wurde Mitte Dezember 2019 auf dem Brustkrebssymposium in San Antonio vorgestellt. Dabei handelt es sich um die 10-Jahres-Daten einer italienischen Phase-3-Studie mit insgesamt 520 Patientinneb über 40 Jahre, die von Brustkrebs im Frühstadium (Tumorgröße von max. 25 mm) betroffen waren. 260 von ihnen waren einer Teilbrustbestrahlung zugeführt worden, bei den anderen 260 wurde konventionell die gesamte Brust bestrahlt. Das Langzeitergebnis war nicht signifikant unterschiedlich. Ein Wiederauftreten des Tumors in der gleichen Brust trat bei 3,74% in der Teilbrust-Bestrahlungsgruppe auf und bei 2,5% in der Vergleichsgruppe (p=0,58). Das Überleben war in beiden Gruppe ebenfalls nicht signifikant unterschiedlich.

Das 'One fits all'-Konzept hat in der Strahlentherapie ausgedient

Wilfried Budach

„Fazit der neuen Studien ist, dass für Patientinnen mit niedrigem Rückfallrisiko eine partielle Brustbestrahlung auch mittels perkutaner Strahlentherapie angeboten werden kann“, so Budach. Diese ist für Patientinnen von Vorteil, die ein erhöhtes OP-Risiko haben, z.B. aufgrund von Herzerkrankungen, Lungenerkrankungen, Bluthochdruck oder Diabetes, denn die intraoperative Bestrahlung verlängert die OP- und Narkosezeit (bei der Intrabeam-Methode muss ca. 30 Minuten bestrahlt werden, wodurch sich der Eingriff um mindestens 40 Minuten verlängert, bei der IORT mit Elektronenbeschleuniger dauert die Bestrahlung selbst nur 2 Minuten, insgesamt kommt es zu einer Verlängerung des Eingriffs von 15-20 Minuten. Die Brachytherapie erfolgt in der Regel als zusätzlicher Eingriff von ca. 40 min + Strahlentherapie über einige Tage bei liegenden Kathetern). „Diesen Patientinnen können wir nun die perkutane Teilbestrahlung der Brust im Nachgang zur OP anbieten und müssen nicht auf eine Vollbestrahlung bestehen“, so der Experte.

Abschließend erklärte Prof. Wilfried Budach, Past-Präsident der DEGRO, auf dem Deutschen Krebskongress: „Die verschiedenen Therapiealternativen geben uns die Möglichkeit, jeder Patientin eine individuell ausgerichtete Behandlung zu empfehlen, so dass sie so viel Therapie wie nötig und so wenig wie möglich bekommt. Das 'One fits all'-Konzept hat in der Strahlentherapie ausgedient.“


Quelle: Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO)

26.02.2020

Mehr aktuelle Beiträge lesen

Verwandte Artikel

Photo

News • Strahlentherapie

Brustkrebs: Behandlung bei Befall der Lymphknoten anpassen

Sind bei Patientinnen mit Brustkrebs auch die Lymphknoten betroffen, kann eine zusätzliche Strahlentherapie den Behandlungserfolg steigern, wie die DEGRO mit Bezug auf eine neue Studie berichtet.

Photo

News • Radio-Dermatitis

Gestörte Hautflora kann bei Strahlentherapie gegen Krebs Probleme bereiten

Manche Krebspatienten entwickeln im Laufe einer Strahlentherapie eine Radio-Dermatitis, eine starke Hautentzündung. Eine Pilotstudie deutet nun auf eine wichtige Rolle der Hautbakterien hin.

Photo

News • TUR und Radiochemotherapie

Blasenkrebs: Alternativen zur radikalen Entfernung

Bei Patienten mit Blasenkrebs ist die Entfernung der Harnblase aktuell Standard – obwohl es ebenso wirksame organerhaltende Optionen gibt. DEGRO-Experten fordern bessere Aufklärung.

Verwandte Produkte

Newsletter abonnieren