Medizinische Implantate
Neuartige DLC-Oberflächen und weniger Revisionsoperationen
Einheilverhalten, Abrieb und Infektionsrisiko sind die Knackpunkte dauerhaft im Körper verbleibender Gelenkimplantate. Die maßgeblichen Implantateigenschaften durch Oberflächenmodifikationen entscheidend zu verbessern, ist das Ziel eines neuen, federführend an der Universität Augsburg und ihrem Anwenderzentrum für Material und Umweltforschung AMU angesiedelten Erkenntnistransferprojekts, das die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) jüngst genehmigt hat.
Projektpartner der Augsburger Biophysiker und Materialwissenschaftler sind Mediziner der TU München und der Universitätsmedizin Mannheim sowie die Aesculap AG, die als Sparte des B. Braun-Konzerns zu den führenden deutschen Herstellern medizinischer Implantate zählt.
Ausgangspunkt des neuen medizintechnologischen Transferprojekts, mit dem die DFG die bisherigen Erfolge einer engen Zusammenarbeit der Augsburger Materialwissenschaft und Biophysik mit Kollegen aus der medizinischen Forschung und Anwendung honoriert, sind die Ergebnisse ebenfalls DFG-geförderter Grundlagenforschungen, bei denen es der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Bernd Stritzker am Augsburger Lehrstuhl für Experimentalphysik IV gelungen war, durch Einlagerung von Silber-Nanopartikeln in diamantähnlichen Kohlenstoff eine antibakterielle Oberflächenmodifikation für medizinische Implantate zu entwickeln.
Antimikrobiell und biokompatibel
Biologische Untersuchungen am Klinikum rechts der Isar der TU München (PD Dr. med. Burgkart und Prof. Dr.med. Gollwitzer, Orthopädie und Sportorthopädie) sowie am Universitätsklinikum Mannheim (Prof. Dr. med. Stefan Schneider, Experimentelle Dermatologie) zeigten für klinisch relevante schädliche Keime eine deutlich wachstumshemmende antimikrobielle Wirkung der in der Augsburger Physik entwickelten DLC-Modifikation, die sich darüber hinaus durch eine weitere entscheidende Eigenschaft auszeichnet: Wenige Stunden nach der Hüft- oder Kniegelenksoperation verliert die DLC-Oberfläche ihre während des Eingriffs enorm wichtige antibakterielle Wirkung und sorgt so für eine hervorragende Biokompatibilität des Implantats. Mit Blick auf die klinische Anwendung ist dieses Verhalten der Oberfläche ideal, da es in den kritischen Phasen während des operativen Eingriffs und unmittelbar danach Infektionen verhindert, das Einheilverhalten des Implantats anschließend aber in keiner Weise mehr beeinträchtigt.
Auf bewährte Implantat-Polymere übertragbar
Zwei weitere Vorteile kommen hinzu: Zum einen kann diese antimikrobiell wirksame Oberflächenmodifikation durch Ionenbestrahlung auf bewährte Implantat-Polymere übertragen werden, zum anderen können Tierversuche ersetzt werden, denn im Rahmen des Projekts werden die neuartigen Implantatoberflächen hinsichtlich des Anwachsverhaltens von Knochenzellen auf daumennagelgroßen Mikrofluidik-Chipsystemen charakterisiert., die speziell für diesen Zweck am Augsburger Experimentalphysik-Lehrstuhl I von Prof. Dr. Achim Wixforth entwickelt wurden.
„Jetzt geht es darum, die Erkenntnisse, die wir gewonnen haben, in der Praxis zu testen und auf Basis der Ergebnisse unserer Grundlagenforschung gemeinsam mit dem Anwendungspartner Aesculap AG im Erfolgsfall eine Endoprothese als Prototyp zu entwickeln“, erläutert Wixforth. Er hat die Projektleitung von seinem Kollegen Stritzker übernommen, der mittlerweile in Ruhestand getreten ist, das Projekt aber weiterhin wie bereits bei der Antragstellung mit Rat und Tat begleitet.
Optimierung unter realen Bedingungen
In Zusammenarbeit mit der Aesculap AG - Projektverantwortliche sind dort Dipl.-Ing. Melanie Holderied, T&D Biomechanics und PD Dr. med. habil. Dr.-Ing. Thomas Grupp, Director R&D - sollen die neuen Implantatoberflächen nun unter realen Bedingungen optimiert werden. „Wenn uns, wovon wir ausgehen, eine vollständige antimikrobielle Ausrüstung eines kompletten Implantats gelingen sollte, wird dies ein enormer, auf diesem Gebiet so noch nie dagewesener Fortschritt sein“, betont Stritzker. Denn ein verbessertes Einheilverhalten und ein reduzierter Abrieb bei künstlichen Gelenken, insbesondere aber auch eine verminderte Infektionsrate seien entscheidende Faktoren, mit denen sich eine deutlich längere Funktionsdauer der Implantate erreichen und die Zahl der Revisionsoperationen an betroffenen Patienten erheblich reduzieren lasse.
Quelle: Pressemitteilung der Universität Augsburg
20.03.2015