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Aktuelle neuropathologische Studien deuten darauf hin, dass Mikrogliazellen bei zahlreichen neurologischen Erkrankungen eine Rolle spielen, darunter Multiple Sklerose, Amyotrophe Lateralsklerose sowie die Parkinsonerkrankung.

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Mikroglia: kleine Zellen, die es in sich haben

Lange wurden Mikroglia unterschätzt – doch inzwischen weiß man, dass die kleinen Nervenzellen im Gehirn viel mehr sind als Helfer der Immunabwehr:

„Mikrogliazellen übernehmen eine zentrale Rolle bei der Gehirnentwicklung und der Vernetzung von Nervenzellen während der Gehirnreifung bei jungen Erwachsenen. Sie sind außerdem von großer Bedeutung für die Entfernung von Abbauprodukten des Gehirnstoffwechsels. Die Hinweise verdichten sich, dass Fehl- oder Überaktivierungen der Mikroglia zur Entstehung einer Reihe neuropsychiatrischer Erkrankungen beitragen“, sagte Professor Jochen Herms bei der Neurowoche in Berlin. Der Direktor des Zentrums für Neuropathologie und Prionforschung der LMU erklärte, welche Erkenntnisse die Neuropathologie in jüngster Zeit bei der Erforschung von Schizophrenie und Alzheimer-Demenz gewinnen konnte.

Programmierung im Mutterleib mit lebenslangen Folgen

Am konkretesten sind die Hinweise, dass falsch geprägte Mikrogliazellen eine Ursache für die Entwicklung der Schizophrenie sind

Jochen Herms

Mikrogliazellen bevölkern sehr früh das sich entwickelnde Gehirn im Mutterleib. Sie nehmen aktiv an der Einwanderung, Selektion und Ausdifferenzierung von Nervenzellen und anderen Zellen des Gehirns teil. Doch damit sind ihre Aufgaben nicht abgeschlossen. „Mikrogliazellen lernen während der Gehirnentwicklung körperfremde Produkte aus dem mütterlichen Blutkreislauf kennen, etwa Virusbestandteile oder Bestandteile von Bakterien aus dem mütterlichen Darm. Diese Programmierung, man spricht auch von einer epigenetischen Prägung, kann fehlerhaft ablaufen, wenn die Mutter während der Schwangerschaft zum Beispiel an einer Infektionserkrankung leidet“, sagt Jochen Herms, Tagungspräsident der Deutschen Gesellschaft für Neuropathologie und Neuroanatomie (DGNN).

Diese fehlerhafte Prägung kann möglicherweise lebenslange Konsequenzen haben, denn Mikrogliazellen, das zeigen neueste Untersuchungen im Tiermodell, leben sehr lange. „Neue Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung legen nahe, dass bei einigen Erkrankungen des Gehirns die normalen Funktionen der Mikroglia fehl- bzw. überaktiviert sind“, sagt Herms. „Am konkretesten sind die Hinweise, dass falsch geprägte Mikrogliazellen eine Ursache für die Entwicklung der Schizophrenie sind.“ Diese Erkrankung manifestiert sich typischerweise bei jungen Erwachsenen zu einem Zeitpunkt, an dem die Mikroglia sehr aktiv ist und überschüssige synaptische Verbindungen zwischen Nervenzellen abbaut.

Risiko für Demenz und neurologische Erkrankungen

Aktuelle neuropathologische Studien deuten darauf hin, dass die Funktion der Mikroglia bei zahlreichen neurologischen Erkrankungen eine Rolle spielt, darunter Multiple Sklerose, Amyotrophe Lateralsklerose sowie die Parkinsonerkrankung. Besonders gut untersucht ist der Zusammenhang bei Erkrankungen des alternden Gehirns, insbesondere bei der Demenz vom Alzheimer-Typ. „Fehlfunktionen der Mikroglia erhöhen die Wahrscheinlichkeit, eine Alzheimer-Demenz zu entwickeln“, sagt Herms. Abbauprodukte des Stoffwechsels werden schlechter abgeräumt, was zu Ablagerungen von körpereigenen Eiweißen im Gehirn führt, zum Beispiel in Form von Amyloidplaques, und damit die Entwicklung und den Verlauf von neurodegenerativen Erkrankungen vorantreibt. „Die Mikrogliaaktivität kann entweder durch genetische Faktoren, aber wahrscheinlich auch durch chronisch entzündliche Prozesse gestört werden“, berichtet Herms. „Ein Drittel der Genveränderungen, die das Risiko für neuropsychiatrische Erkrankungen erhöhen, beeinflusst auch die Funktion von Mikrogliazellen.“


Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie

03.11.2018

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