Artikel • Gefäße

Mehr Evidenz vonnöten

Die Behandlung peripherer arterieller Verschlüsse hat in den vergangenen Jahre große Fortschritte gemacht. Neue Kathetersysteme, vor allem medikamentenbeschichtete Ballonkatheter, senken die Revaskularisationsrate und erlauben, arterielle Segmente zu behandeln, die bis vor Kurzem noch als No-Stent-Zonen galten.

Aber immer noch gibt es viele Behandlungsansätze, in denen mehr Evidenz erforderlich ist, schildert Prof. Dr. Ralph Kickuth, leitender Oberarzt für Interventionelle Radiologie am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie des Universitätsklinikums Würzburg.

Dreisäuliger Behandlungsansatz

Die Behandlung der peripheren arteriellen Gefäße umfasst derzeit drei wichtige Säulen. Für die kurzen Gefäßläsionen bis zu 15 Zentimetern (TASC-A- und -B-Läsionen) zeigen die medikamentenbeschichteten Ballonkatheter beziehungsweise Stents eine moderate Evidenz insbesondere bei der Behandlung der Femoralarterien. Die zweite Säule stellt die Behandlung von Diabetikern dar. „Dabei handelt es sich um Patienten, die überwiegend im Unterschenkel- beziehungsweise Pedalstromgebiet behandelt werden müssen. Hierfür steht erst seit ein paar Jahren das entsprechende Material zur Verfügung. Das betrifft sowohl Führungsdrähte, Ballonkatheter wie auch verschiedenartige Stents“, schildert der interventionelle Radiologe.

Bis vor wenigen Jahren hat man Stents in diesen Segmenten nur in absoluten Bail-out-Situationen eingesetzt

Prof. Dr. Ralph Kickuth

Die dritte Säule besteht in der Behandlung der gebeugten Segmente der Arteria poplitea. Als eine der ersten Kliniken haben die Mediziner am Universitätsklinikum Würzburg einen speziell konzipierten Stent, der als Vessel Mimatic Implant bezeichnet wird, eingesetzt und damit sehr gute Ergebnisse erzielt, die bereits publiziert wurden. Dieser Stent ist selbstexpandierend, hat eine vierfach höhere Radialkraft als andere Stents, eine hohe Flexibilität, eine hohe Strapazierfähigkeit und eine hohe Konformität. Zudem ist die chronisch nach außen gerichtete Kraft sehr niedrig, was offenbar zu einer gemäßigten Rate an Restenosen führt. „Deshalb kann man diesen Stent sehr gut in den gebeugten Segmenten 1 und 2 der Arteria poplitea einsetzen, in denen exzessive mechanische Kräfte wie Torsion, Flexion, longitudinale Extension und Kompression wirken. Bis vor wenigen Jahren hat man Stents in diesen Segmenten nur in absoluten Bail-out-Situationen eingesetzt, um das technische Ergebnis nach perkutaner transluminaler Angioplastie zu sichern. Heutzutage bekommen wir viele Patienten zugewiesen, die eben genau in diesen arteriellen Bewegungssegmenten Okklusionen beziehungsweise Stenosen aufweisen“, erklärt Prof. Dr. Kickuth.

Der Fokus der Behandlung in Würzburg liegt auf Patienten mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit (pAVK), die an einer chronisch kritischen Extremitätenischämie leiden, also entweder Ruheschmerzen beklagen oder aber Ulzerationen am Fuß aufweisen. Eher zurückhaltend ist man bei der endovaskulären Behandlung von Patienten, die an einer Klaudikation, der sogenannten Schaufensterkrankheit, leiden. Nach den Leitlinien ist hier einer konservativen Therapie zunächst der Vorzug zu geben und nur wenn diese Maßnahmen ergebnislos bleiben oder wenn die Lebensqualität erheblich eingeschränkt ist, kann auch bei diesen Patienten eine perkutane transluminale Angioplastie gegebenenfalls mit Stentversorgung zur Anwendung kommen. 

Rekanalisation einer Okklusion der Arteria poplitea in der i. a. DSA.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit

Dabei sollte es für den Patienten unerheblich sein, ob er von einem Interventionellen Radiologen, Gefäßchirurgen oder Angiologen behandelt wird. Generell sollte die Behandlung durch die Disziplin erfolgen, die in dem jeweiligen Umfeld die beste Expertise aufweist. An der Universität Würzburg besteht eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den Gefäßchirurgen dergestalt, dass alle Behandlungskonzepte interdisziplinär im Team abgesprochen werden. Dies betrifft gerade auch Behandlungsstrategien, die dann im Hybrid-OP von Interventionellen Radiologen und Gefäßchirurgen gemeinsam vorgenommen werden. Hilfreich sind diesbezüglich klare Absprachen. Kickuth: „Das Spektrum der Radiologen umfasst alle arteriellen und venösen gefäßeröffnenden wie auch -verschließenden Eingriffe, Kombinationseingriffe aus Operation und endovaskulärer Therapie werden zumeist von den Gefäßchirurgen alleine, oder in bestimmten Fällen mit uns gemeinsam durchgeführt."

Offenheit der Stents und Unmet Needs

Die Offenheit der Stents nach der Implantation wird von mehreren Faktoren beeinflusst, auch davon, wie krank das behandelte Patientenkollektiv ist. In Würzburg werden viele Diabetiker therapiert, die zum Teil auch unter einer terminalen Niereninsuffizienz leiden. „Bei diesen Patienten liegt es auf der Hand, dass es aufgrund sich ausbildender neointimaler Hyperplasien auch zu erneuten Stenosen kommt, die sich dann im Stent ausbilden. Die primäre Offenheit bei diesen schwerkranken Patienten nach Behandlung der poplitealen Bewegungssegmente kann nach einem Jahr bei circa 70 Prozent liegen. Und diese stellt offenbar eine respektable Offenheitsrate dar, wenn man bedenkt, dass es sich bei diesem Kollektiv um multimorbide Patienten mit hohem operativem Risiko handelt“, schildert der Radiologe. Im Bereich der Femoralarterien sieht die Revaskularisationsrate der Zielläsion bei den medikamentenbeschichteten Ballonkathetern viel besser aus als bei der herkömmlichen perkutanen transluminalen Angioplastie, wenn es sich um TASC-A- und -B-Läsionen handelt. In Studien zeigten medikamentenbeschichtete Ballonkatheter eine Zielläsionrevaskularisationsrate von circa 20 Prozent versus 50 Prozent unter Anwendung eines herkömmlichen Ballonkatheters. Wenn also ein nicht beschichteter Ballon genutzt wird, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass dieses Gefäßsegment nochmal behandelt werden muss. Es ist aber sinnvoll, anhand größerer Patientenkollektive und mit prospektiv randomisierten Studien diese Ergebnisse weiter zu untermauern. Das gilt insbesondere auch für die Behandlung längerer Läsionen (TASC C und D), für die es bislang überhaupt keine Evidenz gibt.

Nur so wird es möglich sein, zukünftig eine individuell auf den Patienten ausgerichtete Therapie anbieten zu können.

Prof. Dr. Ralph Kickuth

Weitere Unmet Needs, die zukünftig in Studien behandelt werden sollten, sind die Behandlung der Unterschenkelarterien und der Beugesegmente der Arteria poplitea mit medikamentenbeschichteten Ballonkathetern. Außerdem fordert Prof. Dr. Kickuth Studien zur Behandlung von schweren Kalzifikationen mit Atherektomiesystemen und medikamentenbeschichteten Ballons, denn hier wisse man, dass eine Therapie mit medikamentenbeschichteten Ballons allein nicht allzu wirksam ist, da das Medikament plaquebedingt nicht effektiv genug in die Gefäßintima einwirken kann. Wünschenswert sind außerdem pAVK-Studien mit Fokus auf die periinterventionelle Thrombozytenaggregationshemmung, die sich bisher nur an die kardiologische Daten anlehnt. „Das sind unsere zukünftigen Aufgaben, die unbedingt in Betracht gezogen werden müssen, um verbesserte Datenlagen bezüglich der Behandlung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit zu erhalten. Nur so wird es möglich sein, zukünftig eine individuell auf den Patienten ausgerichtete Therapie anbieten zu können.“

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Prof. Dr. Ralph Kickuth, leitender Oberarzt für interventionelle Radiologie am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie des Universitätsklinikums Würzburg und Mitglied des erweiterten Direktoriums des Zentrums für Innere Medizin.

Profil:
Prof. Dr. Ralph Kickuth hat nach dem Studium der Humanmedizin an der Ruhr-Universität Bochum von 1995 bis 2001 seine Facharztausbildung „Diagnostische Radiologie“ am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie des Marienhospitals Herne, Klinikum der Ruhr-Universität Bochum absolviert. Nach weiteren zwei Jahren als Oberarzt in der Klinik wechselte er 2004 an das Institut für Diagnostische, Interventionelle und Pädiatrische Radiologie des Inselspitals, Universitätsklinikum Bern, das ihn 2006 zum leitenden Oberarzt für interventionelle Radiologie beförderte. Seit 2008 ist Prof. Dr. Kickuth leitender Oberarzt für interventionelle Radiologie am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie des Universitätsklinikums Würzburg und seit 2011 Mitglied des erweiterten Direktoriums des Zentrums für Innere Medizin. In diesem Jahr wurde er zum Universitätsprofessor für Interventionelle Radiologie an die Julius-Maximilians-Universität zu Würzburg berufen.

Veranstaltungshinweis
Raum: Congress-Saal
Donnerstag, 29.10.2015, 14:45 Uhr
Update: Interventionen an den peripheren arteriellen Gefäßen
Ralph Kickuth, Würzburg
Session: Interventionen

27.10.2015

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