An der Universität Rostock wird der Einsatz von elektrisch aktiven Implantaten...
An der Universität Rostock wird der Einsatz von elektrisch aktiven Implantaten erforscht. Von links: Dr. Anika Jonitz-Heincke, Dr. Janine Waletzko-Hellwig und Prof. Dr. Rainer Bader

Foto: Marie-Luise Sellin/Universität Rostock

News • Forschungsinitiative ELAINE

Knorpelregeneration: Projekt setzt auf elektrisch aktive Implantate

Auf die Industriegesellschaften kommen nach Experteneinschätzungen massive Probleme bei der Gesundheitsversorgung zu. Die Menschen bewegen sich immer weniger und werden schwergewichtiger. Die Kosten für die Behandlung von Folgen des Übergewichts könnten demnach explodieren. Neben der Prävention muss der Fokus auf einer frühen Behandlung der Folgeerkrankungen liegen.

Mit Sorge schauen Mediziner und Soziologen auf die wachsende Zahl von übergewichtigen Kindern und Jugendlichen. Mögliche Folgen können neben Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen schwere Gelenkschädigungen sein. „Das oft viel zu hohe Gewicht führt im Zusammenspiel mit zu wenig Bewegung zur Überbeanspruchung vor allem des Knorpelgewebes in den Knien und Sprunggelenken“, sagt Prof. Rainer Bader von der Orthopädischen Klinik der Universitätsmedizin Rostock. Das könne schon in jüngeren Jahren zu Schädigungen der Knorpelstrukturen führen, die in Folge bereits etwa ab dem 50. Lebensjahr den Einsatz von künstlichen Gelenken erzwingen können. „Das zu verhindern ist eines der Ziele des Sonderforschungsbereichs 1270 ELAINE der Universität Rostock“, erklärt der Mediziner und Ingenieur Bader, er ist stellvertretender Sprecher des Sonderforschungsbereichs. ELAINE ist die Abkürzung für elektrisch aktive Implantate. 

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Neuartige, elektrisch aktive Implantate regen geschädigte Knochen und Knorpel zur Heilung an

© Universität Rostock

Defekte des Gelenkknorpels, die bis zum darunter liegenden Knochen reichen, müssen früh behandelt werden. „Wenn die daraus resultierende überaus schmerzhafte Arthrose größere Teile des Gelenks befallen hat, wird eine Therapie mit elektrisch aktiven Implantaten nicht mehr möglich sein“, sagt Bader. Auch wenn sich diese Therapie noch im Stadium der Grundlagenforschung befinde, zeichne sich der mögliche Weg hin zur klinischen Behandlung schon ab. 

Wie die Biologin Dr. Anika Jonitz-Heincke erklärt, werde in einer Operation zunächst das defekte Gewebe entfernt. In die entstandene Leerstelle, die den etwa drei Millimeter dicken Knorpel und das angrenzende Knochengewebe umfasst, wird ein Ersatzmaterial eingebracht. Dieses soll als Gerüststruktur für die umliegenden Knorpelzellen sowie Stammzellen aus dem Knochenmark dienen, wie Jonitz-Heincke berichtet. 

Durch Einbringen eines Knorpelersatzmaterials in den Defekt sollen die einwachsenden Zellen durch eine elektrisch-mechanische Stimulation dazu angeregt werden, hochwertiges, sogenanntes hyalines Knorpelgewebe zu bilden

Anika Jonitz-Heincke

Der Ansatz in ELAINE ist, die Zellen bei ihrer Ausdifferenzierung durch ein elektrisch stimulierendes Implantat zu unterstützen, das in der Nähe der defekten Stelle positioniert wird. Das Implantat sendet dabei ein elektrisches Feld aus. „Durch Einbringen eines Knorpelersatzmaterials in den Defekt sollen die einwachsenden Zellen durch eine elektrisch-mechanische Stimulation dazu angeregt werden, hochwertiges, sogenanntes hyalines Knorpelgewebe zu bilden“, sagt Jonitz-Heincke. Die Bildung von „minderwertigem Faserknorpel“ soll dagegen verhindert werden. Das elektrisch stimulierende Implantat werde nach erfolgter Regeneration des Knorpels entfernt. 

Noch sind viele elementare Fragen zur Knorpelregeneration mittels elektrisch-mechanischer Stimulation zu beantworten, zum Ende der dritten und letzten DFG-Förderperiode im Jahr 2029 soll aber der Weg in die klinische Behandlung geebnet werden. „Der Sonderforschungsbereich arbeitet an der Schnittstelle zwischen Medizin und Technik“, sagt Wissenschaftsministerin Bettina Martin. Hier ist der Universitätsstandort Rostock besonders stark. „Die Themen, die hier erforscht werden, haben großes Potenzial, zukünftig das Leben und die Gesundheit der Menschen zu verbessern.“ Der schnelle Wissens- und Technologietransfer ist entscheidend, um gesellschaftliche Herausforderungen und deren Folgen bewältigen zu können. ELAINE vereint auf einzigartige Weise Humanwissenschaften, Natur- und Ingenieurwissenschaften. Die Versorgungsforschung, klinisch-therapeutische Anwendungen, einschließlich neuer Materialen, Elektrotechnik und Elektronik kommen zusammen. Der jüngst eröffnete Neubau der Elektrotechnik auf dem Campus Südstadt stärkt diese Vorteile noch weiter. „Das Land unterstützt solche wissenschaftlichen Innovationskerne gezielt mit Investitionen“, sagte Martin. 


Quelle: Universität Rostock

03.05.2023

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