News • Potenzial für Mammografie-Entlastung
KI liefert Zweitmeinung bei Brustkrebs-Diagnose
Versorgungslücken mithilfe von künstlicher Intelligenz schließen
Für die Früherkennung und Bekämpfung von Brustkrebs – der häufigsten Krebserkrankung bei Frauen – sind Mammografien unerlässlich. „Trotzdem haben sich die Wartezeiten für kurative Mammografietermine in den letzten Jahren vervielfacht. Vor allem in ländlichen Regionen warten Betroffene inzwischen über ein Jahr, um einen unklaren Befund abklären zu lassen“, beklagt Priv. Doz. Dr. Susanne Grandl, Fachärztin für Radiologie und Mitglied der Radiologie Initiative Bayern. Dafür gibt es zahlreiche Gründe: Vielen Praxen fehlt geschultes Mammografie-Personal, Weiterbildungsplätze sind selten und vor allem vergüten die Krankenkassen die Untersuchung so schlecht, dass sie für viele Praxen ein Minusgeschäft darstellt. „Um die Versorgung langfristig zu sichern und die Arbeitsbelastung der Radiologen zu minimieren, müsste inzwischen standardmäßig künstliche Intelligenz zum Einsatz kommen. Doch sowohl die gesetzlichen als auch die privaten Krankenkassen vergüten KI-gestützte Diagnosen bisher nicht zusätzlich“, erklärt Priv. Doz. Dr. Grandl.
Die rasanten Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz eröffnen neue Möglichkeiten, die Engpässe bei der Mammografie zu überwinden. Moderne KI-Systeme sind inzwischen in der Lage, Aufnahmen mit hoher Präzision auszuwerten und zutreffend zu erkennen, ob ein Normalbefund vorliegt. Sie filtern unauffällige Befunde zuverlässig heraus, sodass sich Ärzte auf komplexere Fälle konzentrieren können. „Unsere Empfehlung ist, KI standardmäßig als Zweitmeinung einzubinden. Die finale Diagnose sollte dabei in der Hand eines menschlichen Experten bleiben“, so Priv. Doz. Dr. Grandl und fügt an: „Dieses Vorgehen entlastet Ärzte erheblich und hilft gleichzeitig, Versorgungslücken zu schließen, ohne Kompromisse bei der diagnostischen Qualität einzugehen.“ Dabei soll die KI kein Ersatz für medizinisches Fachwissen sein, sondern eine wertvolle Ergänzung. „Es geht darum, Technologie und Expertise so zu kombinieren, dass alle Frauen zeitnah Zugang zu qualitativ hochwertigen Mammografien erhalten – unabhängig davon, ob sie in der Stadt oder auf dem Land leben“, fasst Priv. Doz. Dr. Grandl zusammen.
Auch die Ausweitung der Altersgrenze des Screenings von 70 auf 75 Jahre im letzten Sommer sorgt dafür, dass zusätzliche Kapazitäten benötigt werden
Susanne Grandl
Nicht nur in der kurativen Mammografie zur Abklärung eines konkreten Brustkrebsverdachts, auch beim Mammografie-Screening, das Frauen zwischen 50 und 75 Jahren alle 2 Jahre zur Prävention in Anspruch nehmen können, könnte KI eingesetzt werden. Hier ist eine sogenannte Doppelbefundung sogar vorgeschrieben: Jede Untersuchung wird von zwei unabhängigen, speziell dafür ausgebildeten Ärzten ausgewertet, um die diagnostische Sicherheit zu maximieren. Doch genau dieser hohe Standard ist zeitaufwendig und erfordert erhebliche personelle Ressourcen, die vielerorts knapp sind. „Auch die Ausweitung der Altersgrenze des Screenings von 70 auf 75 Jahre im letzten Sommer sorgt dafür, dass zusätzliche Kapazitäten benötigt werden. An dieser Stelle könnte KI als Teil der Doppelbefundung den hohen Standard des Screenings wahren, während die Effizienz steigt“, erklärt Priv. Doz. Dr. Grandl.
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Mammadiagnostik: Die KI im Bunde der Dritte
Seit Februar setzt die Universitätsklinik Innsbruck auf eine künstliche Intelligenz, die zwei menschlichen Befundern in der Mammadiagnostik zur Seite steht. Auf dem Deutschen Röntgenkongress sprach Dr. Birgit Amort über das neue Arbeiten mit der Technik. Dabei ließ die Expertin durchblicken, dass der Algorithmus trotz aller Vorteile keinesfalls ein Wunderwerkzeug ist.
Doch nicht nur für die Analyse von Mammografien ist der Einsatz von KI denkbar. „Auch in der Verlaufskontrolle von anderen Tumorerkrankungen bietet die Technologie beispielsweise großes Potenzial: Mit ihr könnte das Vermessen von Tumoren, das Lokalisieren und Vergleichen von Metastasen sowie das Feststellen kleinster Veränderungen in Bildaufnahmen optimiert werden. Diese Aufgaben sind zeitaufwendig und stellen für Radiologen eine hohe Belastung dar, die eine KI schneller und teilweise sogar präziser bewältigen kann“, erklärt Priv. Doz. Dr. Grandl. Die Technologie könnte Entlastung in der Radiologie schaffen, die aktuell vielen Herausforderungen, wie Personalmangel, steigender Patientenzahl aufgrund des demografischen Wandels und mehr Bildern durch bessere MRT- und CT-Geräte, gegenübersteht. „Wir fordern die Politik deshalb dazu auf, neue Abrechnungsmöglichkeiten für KI-basierte Diagnostik zu schaffen und die Weichen zu stellen, damit KI-Einsatz flächendeckend möglich wird“, sagt Priv. Doz. Dr. Grandl abschließend.
Quelle: Radiologie Initiative Bayern
14.01.2025