News • Datensicherheit

KI erleichtert Abrechnungsprozess im Krankenhaus

Damit Krankenhäuser ihre Leistungen, die bei der Behandlung von Patienten anfallen, bei den Krankenkassen abrechnen können, müssen diese kodiert werden. Für die Erlössicherung der Kliniken ist dieser Prozess essenziell – er ist jedoch personalintensiv, zeitaufwendig und mitunter fehleranfällig.

Das Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS hat gemeinsam mit der GSG Consulting GmbH die KI-gestützte Software RICO entwickelt, die das Personal im Kodierprozess unterstützt. RICO wurde mit höchsten Datenschutz-Standards entwickelt, ist ohne zusätzlichen Aufwand sofort betriebsbereit und befindet sich bereits in mehreren Krankenhäusern im Einsatz.

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Bildquelle: Unsplash/Tyler Franta

Für die Klassifikation von Krankenhausleistungen existieren tausende Codes für Diagnosen (ICD) und Behandlungen (OPS). Für alle Patienten müssen sie ausgewählt und mit Nachweisen belegt werden – ein Prozess, der für viele Krankenhäuser eine organisatorische Herausforderung darstellt. Die korrekte und vollständige Kodierung von Diagnose- und Leistungsinformationen ist für die Erlössicherung der Kliniken jedoch essenziell, denn nur so können ihre Aufwendungen mit den Krankenkassen abgerechnet werden.

Das Fraunhofer IAIS hat in Zusammenarbeit mit der GSG Consulting GmbH die auf Künstlicher Intelligenz (KI) basierende Kodierunterstützungssoftware RICO entwickelt, die den Prozess erheblich vereinfacht und prüfungssicher umsetzt – der Medizinische Dienst (MD) prüft Krankenhäuser verstärkt seit dem Reformgesetz Anfang 2020 hinsichtlich unvollständiger oder unbelegter Angaben. RICO steht für "RightCoding" – die Software hilft dem Krankenhaus-Team dabei, bei der Rechnungsstellung keine Leistung zu vergessen und überprüft, ob alle relevanten Nachweise vorhanden sind. Falls Belege fehlen, sucht die Software automatisch in den Krankenakten. "Wir sind froh, dass wir eines der führenden Wissenschaftsinstitute im Bereich KI für das gemeinsame Projekt gewinnen konnten. Die Software spiegelt wider, wie sich unser Know-how verknüpft: Wir haben das medizinische Hintergrundwissen und die Controlling-Expertise, Fraunhofer IAIS hat jahrelange Erfahrungen mit Künstlicher Intelligenz und Natural Language Understanding (NLU)", sagt Dr. Stephan Werthebach, einer der beiden Geschäftsführer der GSG Consulting.

Die Software ist ein Hybrid-System, welches aus zwei zentralen, sich ergänzenden Komponenten besteht. Die erste Komponente besteht aus KI-basierten Modellen, die vom Fraunhofer IAIS eigens für RICO entwickelt wurden. Alle digital vorhandenen Dokumente sowie aktuell vorhandene Fallkodierungsinformationen aus Krankenhausinformations- und Subsystemen werden von RICO automatisch importiert. "Die KI-Komponente verfügt über ein kontextuelles Textverständnis: Zum Beispiel kann sie für die Kodierung relevante Textstellen in den Krankenakten nahezu selbstständig identifizieren und für die Nutzer*innen visualisieren", erklärt Sven Giesselbach, Teamleiter Natural Language Understanding am Fraunhofer IAIS.

Die zweite Komponente der Software verbindet das kontextuelle Textverständnis mit medizinischem Wissen in Form von Regelwerken. Dazu gehören etwa alle Behandlungs- und Krankheitscodes oder das deutsche Arzneimittelverzeichnis "Rote Liste". Durch die intelligente, kontextuelle Dokumentenanalyse der KI mit Vorschlagsverfahren für Abrechnungscodes gehören Probleme wie Tippfehler und synonym verwendete Formulierungen der Vergangenheit an: Nahezu alle Krankheits- und Behandlungsformen sind in unterschiedlichsten Schreibweisen im System integriert.  Beide Komponenten sind eng verzahnt und arbeiten zusammen, um dem Kodierpersonal – also den Klinik-Mitarbeitenden, die für die Kodierung verantwortlich sind – hochwertige Informationen zur Verfügung zu stellen. RICO ist die erste Software, die dazu in diesem Umfang in der Lage ist und geht damit weiter als die aktuellen, rein regelbasierten Systeme.

RICO versteht den gesamten Prozess der medizinischen Dokumentation, sodass notwendige Nachweise an unterschiedlichen Stellen automatisch gefunden werden. Dadurch werden auch in komplexen medizinischen Sachverhalten keine Abrechnungscodes vergessen. So kann die Anzahl der Korrekturen durch den Medizinischen Dienst gering gehalten werden. Im Idealfall findet die Kodierung der entstandenen Leistungen und der Diagnose nicht erst nach der Patientenentlassung, sondern schon während des stationären Aufenthalts statt. RICO zeigt in Echtzeit bisher unbelegte Leistungen auf und ermöglicht es dem Kodierpersonal, diese kurzfristig, etwa schon während der Visite, anzusprechen und das Kollegium um Belege für bestimmte Diagnosen zu bitten. Diese können noch am Bett per Tablet oder aber auch direkt im Anschluss am Computer komplettiert werden. Kommt es zu einem Prüfungsverfahren, benötigt das Kodierpersonal schnell und unkompliziert Zugriff auf sämtliche Nachweise aus der Krankenakte. RICO stellt diese automatisiert zusammen. Die manuelle Suche nach Nachweisen für spezifische Codes oder Begründungen für Verweildauertage kann dadurch erheblich reduziert werden.

Jedes Krankenhaus hat unterschiedliche Voraussetzungen und individuelle Gegebenheiten in der medizinischen Dokumentation. Diese werden mit Hilfe eines Annotationstools berücksichtigt und umgesetzt: Das Kodierpersonal ist damit in der Lage, für bestimmte Codes relevante Passagen auf den Nachweisen mit einem virtuellen Textmarker zu markieren. Das System merkt sich diese Markierung und erkennt sie beim nächsten Mal automatisch. "Unser Annotationstool NLU.AnEx lernt von manuellen Eingaben. Das spart dem Personal beim nächsten Mal Zeit bei der Kodierung und macht die Software gleichzeitig zuverlässiger", so Giesselbach.

Die integrierte KI mit ihrem kontextuellen medizinischen Textverständnis, das Annotationstool sowie das medizinische Regelwerk sind ein lernendes System, das mit der Zeit immer besser wird. Dafür wird ein zentrales Modell trainiert, periodisch aktualisiert und als Update an die Modelle in den Krankenhäusern eingespielt. Alle Krankenhäuser, in denen RICO eingesetzt wird, profitieren dadurch zusätzlich von einer Art Schwarmintelligenz: Die Software folgt dem Ansatz "Lernen von den Anderen" und integriert die Informationen aus den KI-Systemen der anderen Krankenhäuser. Dadurch wird RICO stetig besser. Individuelle Definitionen, die über das Annotationstool in die Software einfließen, werden vor Freigabe für die anderen Krankenhäuser von Medizin-Experten der GSG sorgfältig überprüft. Während des gesamten Lernprozesses fließen keine Daten – schon gar keine personenbezogenen Informationen – sondern es werden in bestimmten Intervallen nur Modelle zwischen den Krankenhäusern ausgetauscht. Dadurch ist das Kodierpersonal in der Lage, neue medizinische Behandlungsspektren, die vorher nicht erbracht wurden, sofort mit RICO in der Krankenhaus-Abrechnung umzusetzen.


Quelle: Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS

15.07.2020

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