Kardio-MRT: beim Radiologen in den richtigen Händen

Ende der 1980er-Jahre hat die Kernspintomographie als bildgebendes Verfahren Einzug in die klinische Praxis gehalten. In der kardialen Diagnostik ist dieses moderne, nichtinvasive Schnittbildverfahren kaum mehr wegzudenken.

54-jähriger Patient mit Z.n. nach akutem Myokardinfarkt und Akut-PTCA vor zwei...
54-jähriger Patient mit Z.n. nach akutem Myokardinfarkt und Akut-PTCA vor zwei Tagen. Deutlich nachweisbares Ödem septal und apikal. In der Late-Enhancement-Bildgebung Darstellung eines apikalen transmuralen Late Enhancements als bildmorphologisches Korrelat des stattgefundenen Myokardinfarkts.
28-jähriger Patient mit V.a. Myokarditis. In der morphologischen Bildgebung...
28-jähriger Patient mit V.a. Myokarditis. In der morphologischen Bildgebung Nachweis eines regionalen myokardialen Ödems im Bereich der Herzspitze mit erhöhtem T2-w-Signal. Nach Kontrastmittelapplikation zeigt die Late-Enhancement-Bildgebung pathognomonische myokardiale Veränderungen sowohl epi- als auch mittmyokardial (Pfeile), die Ausdruck der manifesten Entzündung sind.

Mit Magnetresonanztomographen der neuesten Generation konnten die Einsatzmöglichkeiten besonders in der kardiovaskulären Diagnostik ausgebaut werden. So lassen sich beispielsweise mithilfe der kardialen Magnetresonanztomographie (Kardio-MRT) genaue Rückschlüsse ziehen, welcher Bereich des Myokards durch welche pathologische Veränderung beeinträchtigt wird.

Die Kardio-MRT gehört zu den nichtinvasiven, computergestützten bildgebenden Verfahren. Durch die Modulation magnetischer Felder und von Radiowellen können detaillierte Schnittbilder in sämtlichen Ebenen aus dem Inneren des menschlichen Körpers erzeugt werden. „In den vergangenen Jahren konnte eine deutliche Zunahme der Untersuchungen mit dem Kardio-MRT beobachtet werden“, verdeutlicht PD Dr. Ulrich Kramer die wachsende Bedeutung des Verfahrens.

Dieser Bedeutungszuwachs hängt zum einen mit der fortschreitenden Optimierung der Technik zusammen, aber auch mit der Ausweitung der Einsatzbereiche der MRT, wie der Leitende Oberarzt der Abteilung Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Bereichsleiter Magnetresonanztomographie am Universitätsklinikum Tübingen, weiter ausführt. Kramer: „Anfangs hat man sich eher auf Patienten mit koronarer Herzerkrankung konzentriert. Auf Grundlage der MRT-Diagnostik können Aussagen zur Myokardfunktion und insbesondere zur Myokardvitalität gemacht werden. Diese Ergebnisse können eine unmittelbare therapeutische Konsequenz haben und bei der Entscheidung helfen, inwieweit ein Patient von einer operativen oder interventionellen Prozedur profitieren kann.“

Inzwischen hat sich jedoch gezeigt, dass die Magnetresonanztomographie auch in dem großen Gebiet der Diagnostik von Kardiomyopathien einen zunehmenden klinischen Stellenwert erlangen konnte. Vor allem jüngere Patienten mit unklarer ventrikulärer Funktionseinschränkung, aber invasiv ausgeschlossener koronarer Herzerkrankung profitieren von einer MRT-Untersuchung, mit der verschiedene Formen einer Kardiomyopathie – wie beispielsweise die dilatative, die hypertrophe oder aber auch der Formenkreis der restriktiven und unklassifizierten Kardiomyopathien – diagnostiziert werden können. Ein Vorteil der MRT liegt dabei neben der fehlenden Strahlenexposition in der Objektivierbarkeit der Bilddaten, während bei der Echokardiographie beispielsweise immer wieder konstitutionelle Parameter das Untersuchungsergebnis einschränken können.

Darüber hinaus bietet die MRT die Möglichkeit der Gewebecharakterisierung, sodass Aussagen zur Morphologie und zur Vitalität des Myokards gemacht werden können. „Die Late-Enhancement-Technik erlaubt den Nachweis von Narbengewebe und myokardialer Fibrosierung“, sagt Kramer. „Man hat mittlerweile in großen Patientenstudien zeigen können, dass anhand charakteristischer Verteilungsmuster dieser Fibrosierungen im Myokardgewebe eine zuverlässige Differenzierung zwischen ischämischer und nichtischämischer Genese möglich ist.“ So kann letztendlich eindeutig belegt werden, ob die Fibrosierung Ausdruck einer manifesten Kardiomyopathie ist, die dann zum Beispiel Herzrhythmusstörungen oder eben eine linksventrikuläre Funktionsstörung hervorgerufen hat. Ein weiterer Einsatzbereich der Kardio-MRT ist die Risikostratifizierung. So kann unter anderem bei Patienten, denen ein ICD implantiert werden soll, vorab mittels MR-Bildgebung der Grad einer Fibrosierung bestimmt werden. Ist das Herzgewebe in einem bestimmten Bereich stark fibrosiert, ist es nicht sinnvoll, dort das Reizleitungssystem zu stimulieren.

Neuere technische Entwicklungen versuchen, die Sensitivität der Kardio-MRT im Vergleich zur Late-Enhancement-Technik zu erhöhen. Diese T1- und T2-Mapping genannten Techniken sollen den Nachweis einer Störung in der Textur des Muskelgewebes verbessern. „Diese Verfahren sind allerdings zurzeit Gegenstand wissenschaftlicher Studien. Bis diese in der klinischen Routine ankommen, wird es noch dauern“, schränkt Kramer ein. Erst müsste noch über eine größere Untersuchungszahl an relevanten Patientenkollektiven das klinische Potenzial bewiesen werden. Grundsätzlich erwartet er allerdings im Bereich der Charakterisierung unklarer Einschränkungen der Ventrikelfunktion in absehbarer Zeit die weitreichendsten (technischen) Fortschritte. Was die Funktionsdiagnostik und die Untersuchungen zur Herzmorphologie angeht, sieht Kramer dagegen einen sehr hohen Standard erreicht, der nur Verbesserungen im Detail erwarten lässt. So wird beispielsweise die Untersuchungszeit im MRT verkürzt werden können, weil es möglich sein wird, während eines Atemstopps mehrere Schichten gleichzeitig aufzunehmen: „Das wird sicherlich die Akzeptanz unserer Patienten gegenüber einer MRT-Untersuchung erhöhen.“

In einem ganz anderen Bereich freut sich Kramer über deutliche Fortschritte: Im Frühjahr haben die Deutsche Röntgengesellschaft (DRG), die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie (DGPK) und die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) gemeinsam das Konsensuspapier „Konsensusempfehlungen der DRG/DGK/DGPK zum Einsatz der Herzbildgebung mit Computertomographie und Magnetresonanztomographie“ veröffentlicht. „Im Gegensatz zu den bisherigen Leitlinien hat man versucht, sich von der einzelnen Modalität zu lösen und den Einsatz des jeweiligen bildgebenden Verfahrens krankheitsbezogen zu klassifizieren“, erklärt Kramer. Herausgekommen sei eine wertneutrale Gegenüberstellung von CT und MRT. Das Konsensuspapier bewerte jetzt eindeutig, ob CT und MRT Verfahren der ersten Wahl darstellen und für welche spezielle Fragestellung sie einen sinnvollen Beitrag liefern können oder ob sie nur eingesetzt werden sollten, wenn andere bildgebende Verfahren zu keiner eindeutigen Diagnose führen.

Trotz der gemeinsamen Empfehlung bleibt zwischen Radiologen und Kardiologen umstritten, in welche Hände die Kardio-MRT gehört. Kramer sieht die Methode an sich bei den Radiologen in den richtigen Händen, die Befundung sollte aber in enger Kooperation mit dem Kardiologen, der die Ergebnisse vorangegangener Untersuchungen kennt, erfolgen: „Das ist sicherlich keine Frage. Der kardiologische Rat ist jederzeit willkommen und sollte immer entsprechend berücksichtigt werden.“


Im Profil
PD Dr. Ulrich Kramer ist Leitender Oberarzt der Abteilung Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Tübingen und ist in dieser Funktion auch für den Bereich Magnetresonanztomographie zuständig. Sein Medizinstudium begann der gebürtige Mainzer in seiner Heimatstadt, bevor er dann an die Universität Tübingen wechselte. Im Jahr 2005 legte er die Prüfung zum Facharzt für Diagnostische Radiologie ab, 2009 habilitierte Kramer im Fach Radiologie. Seit Januar 2011 ist er zusätzlich Lehrbeauftragter der Abteilung Diagnostische und Interventionelle Radiologie. Die wissenschaftlichen Schwerpunkte von Dr. Kramer sind die kardiovaskuläre Magnetresonanztomographie, die Diagnostik angeborener und erworbener Herzvitien, die Magnetresonanzangiographie sowie die uroradiologische Bildgebung.
 

24.10.2012

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