IHE-D stellt sich neu auf

In der Mitgliederversammlung des deutschen Vereins der internationalen Initiative „Integrating the Healthcare Enterprise“, IHE-D, wurden am 7.12.2010 turnusmäßig drei neue Vorstände gewählt. IHE ist eine weltweite Kooperation von Anwendern und Herstellern.

IHE-D-Akteure auf der Mitgliederversammlung im Dezember 2010 (v. l.): Dr. Frank...
IHE-D-Akteure auf der Mitgliederversammlung im Dezember 2010 (v. l.): Dr. Frank Oemig (Agfa), ITI Caretaker; Dr. Niki Wirsz (Siemens), IHE International; Andreas Kassner (VHitg/bvitg), Geschäftsführer IHE Deutschland; Dr. Sylvia Thun (DIMDI), past User Co-Chair, IHE Deutschland; Dr. Alexander Ihls (open eHealth), ITI Caretaker

Der deutsche Verein IHE-D wurde 2001 gegründet. Den User Co-Chair übernimmt nun Prof. Dr. Björn Bergh (Universitätsklinikum Heidelberg), den Vendor Co-Chair Dr. Georg Heidenreich (Siemens AG) und die Geschäftsführung Andreas Kassner (VHitG). Alle drei sind erfahrene und bekannte Akteure aus der Healthcare-IT-Branche, und stellen ihre Situationseinschätzung und Ziele vor.

„Im Kern möchte ich zwei Themen adressieren: die einrichtungsübergreifende Kommunikation und den Einfluss von Anwendern auf die Standardisierung“. konstatiert Prof. Dr. Bergh. „Bei der einrichtungsübergreifenden (intersektoralen) Kommunikation hat sich international, auch in vielen europäischen Ländern IHE durchgesetzt. Dies zeigt sich ebenfalls durch weitere Standardisierungsinitiativen (Continua) und bei pan-europäischen EU-Projekten (z.B. EpSOS, Caliope). In Deutschland werden dagegen überwiegend proprietäre Lösungen konzipiert, wobei sich dann bei der Umsetzung und Industrieakzeptanz die Stolpersteine offenbaren. Ich glaube, dass es angesichts der zwingend internationalen Ausrichtung der Unternehmen, auch aus Anwendersicht, nicht sinnvoll sein kann, sich gegen den globalen Markt zu stellen. Hier möchte ich auf einen nationalen Dialog auf möglichst breiter Basis hinarbeiten. Ziel wäre die Findung eines Konsenses, um die nationalen Initiativen auf eine internationale Standardplattform zu stellen. Dann kann man diese auch besser beeinflussen!“

„Damit verbunden ist die verstärkte Einbindung der Anwender entscheidend. Die internationale Standardisierung wird von Vertretern der Unternehmen oder Industrieverbände dominiert. Die Partizipation der Anwender ruht oft auf dem persönlichen Einsatz einzelner, eine systematische Vertretung gibt es kaum. Dies kann keine Dauerlösung sein, da diese Standards unser aller Arbeit immer erheblicher beeinflussen werden. Mein zweites Ziel ist daher, herausfinden, ob und wie wir unsere Vertretung professionalisieren können. Dies könnte z.B. durch aus einzelnen Anwendervereinigungen heraus, besser aber durch eine Zusammenarbeit aller Verbände, z.B. von ALKRZ, KH-IT, GMDS, BVMI aber auch den Organisationen der Medizintechniker, gelingen“, so der User Co-Chair weiter.

„Die Versorgungssysteme stoßen in Deutschland an ihre Grenzen“, erläutert Dr. Heidenreich perspektivisch. Informierte Patienten könnten mit IHE-basierter Telematik auch im Fall chronischer Krankheiten ihre Mobilität lange erhalten; „der stationäre Sektor hat hier allerdings schon lange nichts mehr anzubieten. Die Europäische Kommission hat erkannt, dass Kooperationen wie IHE viel rascher auf Marktbedürfnisse reagieren können. Das Anfordern der Profile von IHE wird künftig auch in öffentlichen Ausschreibungen möglich.“ Davon, so der neue Vendor Co-Chair weiter, „erwarten wir uns eine erhebliche Verstärkung der Sichtbarkeit und der Marktdurchdringung.“ Als konkrete Einflussmöglichkeiten von IHE auf das deutsche Gesundheitswesen nennt er Anwendungsfälle institutsübergreifender Vernetzung – Erfolgsmodelle sind hier MVZ und Radiologieverbund. „Hierfür liefern wie heute schon IHE-Profile als Architekturbausteine.“ In IHE-Profilen werden typischerweise vorhandene internationale Standards wiederverwendet, statt dass neue Standards festgelegt werden.

„Die Industrie wartet auf die Nachfrage – und der Anwender auf die Lösung“, fasst auch Kassner die Situation im Bereich der Krankenhäuser zusammen. Die Mission von IHE-D sieht er wie folgt: „Anwender definieren den Workflow, die Industrie setzt ihn um; standardübergreifende Konzepte sind gefragt, die Vermeidung von Insellösungen ist das Ziel. Tests unter realitätsnahen Bedingungen – etwa im Rahmen von Connectathons – sind Teil der Strategie.“ Er kündigt die Fortsetzung der bisherigen fachlichen Tätigkeit ebenso an wie den neuen Fokus im Bereich der einrichtungsübergreifenden Kommunikation. Ferner prangert der neue Geschäftsführer einen Wildwuchs von IKT-Standards im Gesundheitswesen – mehrere hundert an der Zahl – an. Es handelt sich dabei zumeist um kleine Spezifikationen, die sich tatsächlich im Einsatz befinden. IHE-D hat hierunter die besten ausgewählt und in 50 Profilen mit Szenarien für Anwenderprozesse zusammengefasst. Kassner: „Dies erleichtert dem Ausschreibenden die Arbeit, weil er anstelle des detaillierten Einbezugs zahlreicher Standards 3-10 Profile nutzen kann.“ Kassner sieht als wichtige Aufgabe den Aufbau eines Dialogs mit Anwendern, Industrie und Kostenträgern ohne direktes Eingreifen der Politik. „Wir wünschen uns allerdings eine politische Basis der Refinanzierung bestimmter Geschäftsmodelle im Bereich der Regelversorgung – etwa beim elektronischen Arztbrief und bei der Arzneimitteltherapiesicherheit.“ Den Engpass bei der Realisierung der Ziele sieht er im Bereich „Human Resources“.
 

Weiterführende Informationen über den Verein IHE-D finden Sie unter www.ihe-d.de

29.03.2011

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