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Hohe diagnostische Sicherheit nur bei gerade eingestellten Thoraxaufnahmen

Röntgenuntersuchungen des Thorax auf Intensivstationen sind häufig Notfalluntersuchungen, die nicht selten in der Nacht durchgeführt werden müssen.

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Prof. Dr. Christoph Müller-Leisse, Chefarzt der Klinik für Radiologie der Kliniken Maria Hilf in Mönchengladbach.

Da der Radiologe routinemäßig nicht vor Ort ist, um die Bilder sofort zu befunden, sind es Kollegen anderer Disziplinen, die als Erste die Röntgenaufnahmen sehen und eine Therapieentscheidung treffen müssen. Umso wichtiger ist es, dass die Bilder qualitativ hochwertig sind und keine Artefakte entstehen.

„Es gibt eine Reihe von Indikationen für einen Intensiv-Thorax, die eine zeitnahe Röntgenuntersuchung erforderlich machen: Wenn man beispielsweise nach der Anlage eines Zugangs (Zentral-venöser Katheter, ZVK) wissen möchte, ob das Katheterende zentral liegt oder man nach einer schwierigen Intubation und seitendifferentem Atemgeräusch und plötzlicher Atemnot in Erfahrung bringen möchte, wo der Tubus endet, so ist dazu in der Regel auch der behandelnde Arzt auf der Intensivstation in der Lage; er sieht solche Röntgenaufnahmen täglich und verfügt daher häufig über eine ausreichende Fachkenntnis“, erklärt Prof. Dr. Christoph Müller-Leisse, Chefarzt der Klinik für Radiologie der Kliniken Maria Hilf in Mönchengladbach. Bei diesen Aufnahmen des Thorax ist es besonders wichtig, dass der Patient gerade auf dem Rücken liegt. Was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, ist für die Röntgenassistenten auf der Intensivstation (ITS) aber oft schwierig umzusetzen, da sich schwerkranke Patienten nicht selbst bewegen können. Beim Unterschieben der Röntgenkassette unter den Rücken des Patienten ist das Personal auf die Hilfe von anderen vor Ort angewiesen; aber für die erforderliche „zweite Hand“ fehlt häufig die Zeit und mitunter auch die Bereitschaft, die nötig ist, um beispielsweise einen 100 kg schweren Patienten anzuheben.

Kunstlinie oder Pathologie?

Wird die Kassette untergelegt, ohne den Patienten anzuheben, dann kann es passieren, dass sich die Haut zusammenschiebt. Bei älteren Patienten und bei Flüssigkeitsmangel können Falten entstehen, die nicht sofort wieder weggehen. Im Röntgenbild ergibt das Kunstprodukte, die aussehen wie ein Pneumothorax, also Luft zwischen den Pleurablättern, bzw. im Pleuraspalt. „Diese Linien bilden Falten, die schwierig zuzuordnen sind. Es ist mitunter schwer bis unmöglich auseinanderzuhalten, ob es sich um eine Kunstlinie oder die pleurale Umschlagfalte, also den Rand der kollabierten Lunge, mithin einen Pneumothorax handelt oder nicht“, schildert der Chefarzt.

Verlagerung des Mediastinums

Liegen die Patienten nicht gerade, dann wird eine Verlagerung des Herzens bzw. des Mediastinums vorgetäuscht. Im Fall einer Verdrehung des Patienten nach links, sieht es so aus, als ob das Mediastinum nach links verlagert ist. Müller-Leisse: „Der Radiologe muss sich dann fragen, warum das so ist: Ist die Aufnahme tatsächlich nach links verdreht oder gibt es auf der rechten Seite etwas, was ein Volumenplus verursacht, z.B. ein Pneumothorax, der unter Spannung steht und das Herz in die linke Brusthälfte drückt? Oder könnte es sein, dass es auf der Seite, zu der das Mediastinum verlagert ist ein Volumenminus gibt, wie eine Belüftungsstörung, eine Atelektase? In beiden Fällen muss man unmittelbar handeln, den Pneu entlasten bzw. den Patienten bronchoskopieren, um die Ursache zu klären und beispielsweise den Schleimpfropf abzusaugen, der den Luftweg verstopft und zur Atelektase geführt hat. Es ist für den Radiologen häufig nicht einfach zu erkennen und abzuschätzen, ob tatsächlich eine Mediastialverlagerung vorliegt oder nicht.“

Nur wenn die Aufnahme gerade eingestellt ist und der Patient keine Skoliose hat, kann die Verlagerung gut beurteilt werden. Sobald der Patient schief liegt oder eine Wirbelsäulendeformität hat, kann es schwierig sein. Und ein weiteres Problem kommt hinzu: Ist die Aufnahme verdreht, ändert sich auch die Breite des Mediastinums; noch dazu macht es einen Unterschied, ob der Patient nach links oder rechts verdreht ist, weil das Mediastinum bei einer nach rechts verdrehten Aufnahme breiter ist als auf einer nach links verdrehten.

Aufnahme in Inspiration

Neben der „faltenfreien“ und der gerade eingestellten Thoraxaufnahme beschreibt Prof. Müller-Leisse die „tiefe Inspiration“ als maßgeblich für die Beurteilung von Thoraxaufnahmen. Da die meisten Patienten auf der ITS nicht spontan atmen, sondern beatmet werden, muss der Untersuchende dafür sorgen, dass zum Zeitpunkt der Röntgenaufnahme die Luft in den Körper strömt. Denn nur so ist die Lunge auf dem Bild schön entfaltet. „Das setzt voraus, dass die MTRA entweder genau hinguckt und just in dem Moment das Bild schießt, in dem die Lunge gebläht wird, oder man braucht einen Helfer, der den richtigen Zeitpunkt der Beatmungsmaschine abpasst und das Signal zur Aufnahme gibt. Das ist wichtig, weil auf Aufnahmen, bei denen der Patient nicht gut eingeatmet hat, Krankhaftes vorgetäuscht oder übersehen werden kann. Eine Lungenentzündung, Wasser in der Lunge, eine Belüftungsstörung oder ein zu großes Herz, all das kann bei falscher Inspiration in die Irre führen“; so Müller-Leisse abschließend.


Profil:

Prof. Dr. Christoph Rolf Müller-Leisse ist seit 1997 Chefarzt der Klinik für Radiologie der Kliniken Maria Hilf in Mönchengladbach. Die berufliche Laufbahn des gebürtigen Rheinländers begann nach dem Studium in Frankfurt und Mannheim an den Städtischen Kliniken in Offenburg, am Röntgeninstitut der Universitätskinderklinik Heidelberg und in der Deutschen Klinik für Diagnostik in Wiesbaden. 1990 folgte die Anerkennung als Arzt für Radiologische Diagnostik. Seit 1989 arbeitete er an der TH Aachen, zunächst als Wissenschaftlicher Mitarbeiter, dann als Oberarzt am Institut für Radiologische Diagnostik. Im November 1994 erfolgte die Habilitation, seit 2002 ist Müller-Leisse außerplanmäßiger Professor. Zu seinen wissenschaftlichen Schwerpunkten zählt die hochauflösende CT der Lunge (HRCT) und die konventionelle Röntgendiagnostik.

Veranstaltungshinweis:
Raum: Congress-Saal
Samstag, 05.11.2016, 08:00 - 08:45 Uhr
Intensiv-Thorax
Christoph Müller-Leisse, Mönchengladbach
Session: Thoraxdiagnostik (mit TED)

03.11.2016

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