Dr. med. Sebastian Cremer, Oberarzt und Forscher an der Medizinischen Klinik...
Dr. med. Sebastian Cremer, Oberarzt und Forscher an der Medizinischen Klinik III: Kardiologie und am Institut für kardiovaskuläre Regeneration des Universitätsklinikums Frankfurt am Main.

Quelle: DHS/Andreas Malkmus 

News • Deutsche Herzstiftung fördert Studie

Herz- und Gefäßerkrankungen: Was richtet Covid-19 in den Zellen an?

Mit Unterstützung einer Forschungsförderung der Deutschen Herzstiftung in Höhe von 70.000 Euro wollen Experten des Frankfurter Universitätsklinikums klären, was bei einer Covid-19-Erkrankung in den Entzündungszellen von Patienten mit vorbestehenden Herz- und Gefäßerkrankungen (Atherosklerose/Arteriosklerose) im Vergleich zu Covid-19-Patienten ohne Vorerkrankungen geschieht. Auch die Frage, welche entzündungshemmende Therapien in das Zellgeschehen von Covid-19-erkrankten Hochrisikopatienten effektiv eingreifen können, um sie so vor schwerwiegenden Verläufen zu schützen, soll das Projekt mit dem Titel „Defining an immune cell signature of COVID-19 infections in patients with atherosclerosis“ klären.

Die Angst vor schwerwiegenden Verläufen der Coronavirus-Erkrankung besonders unter den Risikogruppen mit chronischen Leiden wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist weiterhin groß. Infektionen mit Sars-CoV-2 führen bei einigen Patienten zu schweren Lungenentzündungen mit hoher Sterblichkeit. Menschen mit Herz- und Gefäßerkrankungen haben ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung und erleiden häufiger besonders schwere Komplikationen. Ursache dafür kann zum einen ein akutes Ereignis wie Herzmuskelentzündung, Herzinfarkt und die Entgleisung einer Herzschwäche sein oder ein besonders schwerer Verlauf einer Lungenentzündung auf dem Boden der Covid-19-Erkrankung. „An allen Ausprägungen solcher Komplikationen – ob von Herz und Gefäßen ausgehend oder bedingt durch eine Coronavirus-Infektion – ist das Immunsystem aufgrund der Entzündungsaktivitäten maßgeblich beteiligt“, berichtet Dr. med. Sebastian Cremer, Oberarzt an der Medizinischen Klinik III: Kardiologie und am Institut für kardiovaskuläre Regeneration des Universitätsklinikums Frankfurt. „Für eine gezielte medizinische Bekämpfung dieser akuten und lebensbedrohlichen Komplikationen müssen wir aber klar unterscheiden können: Entstehen die Komplikationen aus einer massiven überschießenden Reaktion des körpereigenen Immunsystems auf Entzündungen in Herz und Gefäßen und einer zusätzlichen Entzündungsaktivität im Zuge der SARS-CoV-2-Infektion etwa in der Lunge? Oder rührt die heftige Immunantwort alleine aus dem Entzündungsgeschehen der Coronavirus-Infektion?“

Bei Herzpatienten mit verengten Herzkranzgefäßen, kann bereits ein Entzündungsgeschehen im gesamten Körper etwa als Folge einer Covid-19 Erkrankung (...) einen Herzinfarkt begünstigen.

Sebastian Kremer

Bei akuten Herzmuskelentzündungen ist bekannt, dass Monozyten aus dem Blut in das Herzmuskelgewebe einwandern, wo diese als Fresszellen (Makrophagen) durch Ausschüttung pro-entzündlicher Botenstoffe des Immunsystems (Zytokine) zum Absterben von Herzmuskelgewebe beitragen. „Bei Herzpatienten mit verengten Herzkranzgefäßen, kann bereits ein Entzündungsgeschehen im gesamten Körper etwa als Folge einer Covid-19 Erkrankung zur Instabilität von atherosklerotischen Plaques in den Herzgefäßen beitragen und so einen Herzinfarkt begünstigen“, erläutert Cremer. „Wir wollen im Rahmen unseres Forschungsvorhabens klären, ob Entzündungszellen von Patienten mit vorbestehenden entzündlichen Gefäßerkrankungen wie Atherosklerose nach einer Covid-19-Erkrankung unterschiedlich aktiviert werden und eine verstärkte Entzündungsaktivität von Zellen des peripheren Blutes zu komplizierten Verläufen führen können“, berichtet Cremer. So ist etwa bekannt, dass eine verstärkte Ausschüttung von Interleukin-6 (IL-6) durch Monozyten und Makrophagen zu einem Zytokin-Freisetzungssyndrom (CRS) führen kann, das bei schweren Covid-19-Erkrankungen zum Blutdruckabfall und akutem Lungenversagen (ARDS) führt. Dieser Vorgang des CRS wird auch als „Zytokinsturm“ bezeichnet. IL-6 ist ein Polypeptid und befindet sich z. B. bei Infektionen, Sepsis oder Autoimmunerkrankungen in erhöhter Menge im Blutserum oder -plasma und dient als früher Indikator einer systemischen Entzündung oder Gewebeschädigung.

Wirkt eine krankhafte Immunantwort verstärkend auf die Entzündungsaktivität?

Cremer und seine Forscherkollegen haben bei ihren Untersuchungen die angeborene Immunität des Menschen im Fokus, im Fachjargon „Trained Immunity“. Sie bezeichnet einen Prozess, in dem das angeborene Immunsystem seine Abwehrbereitschaft durch erste Krankheitsgeschehen, die es aktivieren, aufbaut und sich so seine äußeren „Feinde“ (z. B. Viren) einprägt und bei erneutem Befall auf diese mit einer Immunantwort reagiert. Dass diese eigentlich protektive angeborene Abwehrbereitschaft auch zerstörerische Effekte entwickeln kann, haben Forschungen in den vergangenen Jahren ergeben. So kann es auch im Zuge umfassender Entzündungen durch Infektionen, rheumatische oder entzündliche Gefäßerkrankungen wie Atherosklerose zu einer Aktivierung der Immunaktivität mit der Folge von Gefäßkomplikationen kommen. Auch ist die Beteiligung von Makrophagen am Fortschreiten der chronischen Herzinsuffizienz gut belegt.

„Ob bei Patienten mit Atherosklerose im Rahmen von Covid-19-Erkrankungen eine verstärkte, durch ,Trained Immunity‘ bedingte krankhafte Immunantwort vorliegt, die sowohl eine Lungenentzündung negativ beeinflusst als auch zu Herz- und Gefäßkomplikationen aufgrund einer Immunantwort führen kann, ist nicht bekannt“, sagt Cremer. Daher sollen im Rahmen des von der Herzstiftung unterstützten Forschungsvorhabens Analysen von mononukleären Zellen im peripheren Blut von Covid-19-Patienten mit nachgewiesener Atherosklerose sowie von Covid-19-Patienten ohne Vorerkrankungen in Herz und Gefäßen erfolgen. Flankieren wollen das die Frankfurter Forscher mit einer detaillierten Analyse der Ausprägung von Antigenen auf den Zellen des peripheren Immunsystems (Immunphänotypisierung). Dies zusammen soll folgende Kernfragen beantworten:

1. Unterscheidet sich im Rahmen von Covid-19-Erkrankungen der Immunphänotyp bei sechs in die Untersuchungen eingeschlossenen Patienten mit Atherosklerose verglichen mit einer gesunden Kontrollgruppe aus weiteren sechs Patienten? Könnte es verstärkte Entzündungen bei Patienten mit Atherosklerose und Covid-19-Erkrankung geben?
2. Was passiert im Zuge der Covid-19-Erkrankungen in den untersuchten Zellen der Patienten: Weisen Zellen des angeborenen Immunsystems in diesem Zusammenhang eine vermehrte Entzündungsaktivität auf? Ist diese vergleichbar mit den klassischen Veränderungen bei „Trained Immunity“ z. B. durch Vermehrung pro-entzündlicher Zytokine?
3. Werden zirkulierende Leukozyten in Patienten mit Atherosklerose im Rahmen einer Covid-19-Erkrankung unterschiedlich aktiviert bzw. welche transkriptionellen Programme sind in ihnen aktiv? Sind bestimmte Signalwege überaktiv, die sich durch gezielte Therapien mit anti-entzündlichen Substanzen wie Tocilizumab beeinflussen lassen?

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„Wir erhoffen uns von den Untersuchungsergebnissen belastbare Daten für den besonders frühen Einsatz von anti-entzündlichen Substanzen bei Patienten mit kardialen Vorerkrankungen und Covid-19, um schwere Krankheitsverläufe bei diesen Hochrisikopatienten zu verhindern“, so Cremer.

Die Pandemie durch das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 ist für Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und angeborenen Herzfehlern mit hohen Risiken verbunden. Für viele Covid-19-Erkrankte sind die Folgen für Herz und andere Organe gravierend bis hin zu langfristigen Beeinträchtigungen der Herz- und Lungenfunktion. Mit dem Ziel, möglichst rasch zur Klärung der dringlichsten Fragestellungen zum neuartigen Coronavirus im Zusammenhang mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und angeborenen Herzfehlern beizutragen, hat die Deutsche Herzstiftung in einer Ad-hoc-Initiative eine Million Euro für die Forschungsförderung im Kampf gegen SARS-CoV-2 bereitgestellt. Von insgesamt 60 Forschungsanträgen wurden 14 Forschungsvorhaben für eine Projektförderung mit einem Gesamtfördervolumen von über 940.000 Euro bestimmt. „In einer Extremsituation wie der Pandemie durch das neuartige Coronavirus sind neue Forschungsergebnisse äußerst wichtig, um Prävention und Behandlung zu verbessern“, betont der Notfallmediziner und Kardiologe Prof. Dr. med. Dietrich Andresen, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung. Sein Stellvertreter im Herzstiftungs-Vorstand Prof. Dr. med. Thomas Voigtländer fügt hinzu „Wir wollen mit der Förderung möglichst rasch auf dem Boden hochkarätiger Forschung verlässliche Erkenntnisse in Diagnostik und Therapie gewinnen, die helfen, Herz-Kreislauf-Patienten vor den Folgen einer Covid-19-Erkrankung zu schützen.“

12.09.2020

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