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Endoprothetik bei Schenkelhalsfrakturen – aber bitte unkompliziert

Die Endoprothetik bei Schenkelhalsfrakturen hat in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte verzeichnet, doch Komplikationen durch Infekte stellen nach wie vor ein großes Problem dar. Durch gute Vorbereitung und die richtige Technik können Orthopäden diesem Szenario jedoch viel von seinem Schrecken nehmen. Auf dem Heraeus-Symposium im Rahmen des Deutschen Kongresses für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU) besprachen drei Experten die wichtigsten Risikofaktoren und wie sie mit ihnen umgehen.

Artikel: Wolfgang Behrends

„Hüftchirurgie – das muss man so sagen – ist Hochrisiko-Chirurgie“, stimmte Prof. Ulrich Liener sein Publikum ein. Studien zufolge liegt die Komplikationsrate bei der Versorgung von Schenkelhalsfrakturen bei 75%, bei mehr als jedem zehnten Patienten muss erneut operiert werden.1 Der Leiter der Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sporttraumatologie am Marienhospital Stuttgart hob hier insbesondere die Bedeutung von Infektkomplikationen hervor: „Für die Patienten ist das eine Katastrophe“, brachte er es auf den Punkt. Höhere Mortalität2, Einschränkung der Mobilität, zudem starke Schmerzen3 – insgesamt also ein deutlicher Einschnitt der Lebensqualität4, worunter auch die Klinik und der Operateur leiden.

Gute Vorbereitung macht den Unterschied

Mit umsichtiger Vorplanung können Chirurgen vieles tun, um die Erfolgsaussichten eines Eingriffs zu verbessern, merkte Liener an. So lässt sich Diabetes – ein Hochrisikofaktor für die Entwicklung von Infekten – durch die Einstellung von HbA1c auf einen Wert >7,5% oft noch in den letzten 24 Stunden vor dem Eingriff modifizieren.5 Weitere Stellschrauben sind die Antibiotikaprophylaxe6, die Behandlung zuvor bestehender Infektionen7, eine möglichst kurze Eingriffsdauer8, regelmäßiger Wechsel der Handschuhe während des Eingriffs9 sowie ein gutes Patient Blood Management (PBM)10. „Das alles sind sehr einfache Maßnahmen, die ohne großen Aufwand umzusetzen sind, aber das Infektrisiko enorm reduzieren – wahrscheinlich sogar stärker als über eine Veränderung der chirurgischen Technik“, betonte der Experte.

Zement ist nicht nur gut, um die Prothese zu fixieren, es ist auch ein guter Vektor, um Antibiotika dorthin zu bringen, wo sie hochkonzentriert gebraucht werden

Ulrich Liener

Darüber hinaus hat sich Antibiotika-beladener Knochenzement als effektives Mittel für die Minimierung von Infektionsraten erwiesen, erklärte Liener. Studien zeigen, dass Patienten von einer Zementierung der Prothese bei Schenkelhalsfrakturen profitieren; im Vergleich zur zementfreien Schaftverankerung ist die periprothetische Frakturrate deutlich niedriger, die Lebensdauer des Implantats damit um den Faktor 3 bis 4 höher11, und auch die Mortalität sinkt über den gesamten Zeitraum der Hospitalisierung12, so der Experte. „Zement ist nicht nur gut, um die Prothese zu fixieren, es ist auch ein guter Vektor, um Antibiotika dorthin zu bringen, wo sie hochkonzentriert gebraucht werden.“ Insbesondere hochdosierter, doppelt beladener Knochenzement (Gentamicin und Clindamycin; G+C) zeigt längere und breitere Wirkung.13,14,15 „Ich verwende diesen Zement schon länger bei all meinen Hochrisiko- und älteren Patienten, da er die Infektrate stark verringert.“ 

Patienten über 75 stark repräsentiert

Die Bedeutung des Patientenalters griff auch Prof. Dieter Christian Wirtz auf: „Bei den Über-75-Jährigen ist die Arthrose – neben Bluthochdruck – das zweithäufigste behandlungsbedürftige Krankheitsbild, noch vor Diabetes oder Koronarer Herzkrankheit“, so der Experte von der Klinik und Poliklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am Universitätsklinikum Bonn. Entsprechend groß ist der Anteil dieser Altersgruppe bei Hüfterstimplantationen – etwa 41,6% der mehr als 147.000 jährlichen Eingriffe werden bei Patienten über 75 durchgeführt.16 Das birgt zusätzliche Herausforderung für die Endoprothetik: Ältere Patienten haben durch Osteoporose, kognitive und motorische Einschränkungen häufiger Defizite in der Primärstabilität, ein höheres Luxations- und Sturzrisiko, und sind auch bei OPs häufiger von Komplikationen betroffen.

Durch Zementierung lässt sich die Revisionsrate bei elektiven Hüfttotalendoprothesen merklich verringern, wie der Experte mit Blick auf aktuelle Zahlen verdeutlichte16: „Das liegt vor allem an der periprothetischen Fraktur, die bei zementfreier Technik ab einem Alter von 75 aufwärts in einer erhöhten Rate auftritt.“ Insbesondere Frauen mit Osteoporose innerhalb dieser Altersgruppe profitieren deutlich vom Zement-Einsatz, so Wirtz. Dies gilt gleichermaßen für Patienten mit Schenkelhalsfrakturen. Auch hier zeigen die Register deutlich einen Vorteil der zementierten Versorgung.17,18 

Von links: Prof. Nils Hailer, Prof. Dieter Christian Wirtz, Prof. Ulrich Liener
Von links: Prof. Nils Hailer, Prof. Dieter Christian Wirtz, Prof. Ulrich Liener

Bildquelle: Heraeus 

Implantatoberfläche: glatt oder matt?

Auch die richtige Implantatoberfläche kann Komplikationen verhindern, fuhr der Experte fort: Sogenannte Exeter-Implantate mit hochpolierter Oberfläche (Ra <0,1µm) verbinden sich nicht mit dem umgebenden Knochenzement, sondern verklemmen sich im umliegenden Mantel. Diese axiale Migration kann zu longitudinalen Rissen im Zementmantel führen. „Gerade bei älteren Patienten steigt dadurch das Risiko periprothetischer Frakturen deutlich an.“19. Studienergebnisse sprechen daher für Implantate mit matter Oberfläche (Ra <2,5 µm), die eine feste Verbindung mit dem Knochenzement eingehen und so das Frakturrisiko verringern.20 

Empfehlenswert ist zudem – gerade bei älteren Patienten – der Einsatz von Dual-Mobility-Cups.21,22 Dieser Implantattyp profitiert ebenfalls von einer zementierten Fixierung,18 und auch Wirtz betonte in diesem Zusammenhang noch einmal die Vorteile von Antibiotika-beladenem Knochenzement: „Es ist natürlich ein Kostenfaktor, aber die Evidenz spricht klar dafür.“ Das gilt auch für Befürchtungen, die Antibiose könnte zur vermehrten Bildung resistenter Erreger führen. Dies hat sich nicht bestätigt.23

Die Rolle Deutschlands für die zementierte Endoprothetik hob anschließend Univ.-Prof. Dr. Nils Hailer hervor. Hier wurde zum einen das als Plexiglas bekannte PMMA erfunden, das heute als Knochenzement verwendet wird; zum anderen erfolgte in Hamburg erstmal die Beimischung von Antibiotika in den Knochenzement, zählte der Leiter der Klinik für Orthopädie, Unfall- und Handchirurgie am Universitätsklinikum Uppsala auf. Trotz dieser Pionierrolle wird in der Bundesrepublik bei den meisten Eingriffen auf diese Technik verzichtet, wunderte sich der Experte: „Wir müssten viel mehr zementieren“, so seine Einschätzung.

So gelingt der ‚Whiteout‘

Neben der Differenzierung der Patientengruppen – nach Alter, Geschlecht und Vorerkrankungen – ist vor allem die richtige Zementiertechnik entscheidend für den Erfolg der Behandlung. Als Qualitätsmerkmal nannte Hailer den ‚Whiteout‘: Hier ist auf der Röntgenaufnahme kein Übergang zwischen zementierter Endoprothese und kortikalem Knochen erkennbar. Um das zu erreichen, wird der Knochen zunächst mit einem Markraumstopper distal versiegelt. „Zum einen verhindert dieser das Auftreten unschöner ‚Zementwürste‘, zum anderen ermöglicht der Stopper das gründliche Spülen und die retrograde Markraumauffüllung.“ Durch die anschließende Druckspülung wird der spongiöse Knochen von Fett- und Blutpartikeln befreit. „Das verhindert Fettembolien und ermöglicht die Interdigitation des Zements in den Knochen24.“ 

Schließlich erfolgt die retrograde Auffüllung des Markraums mit Knochenzement – distal auf den Stopper aufgebracht und dann proximal aufgefüllt. Durch diese Technik gelangen keine Luftbläschen in den Knochenzement, die später zu Rissen führen können. Für optimale Verzahnung mit dem Knochen sorgt anschließend die proximale Markraumversiegelung, durch die der Knochenzement mit dem nötigen Druck nachverfestigt werden kann. „Das ist später auf dem Röntgenbild als Whiteout zu sehen.“ Nun ist alles vorbereitet für die Einführung der Endoprothese – Hailer mahnt seine Kollegen bei diesem Schritt zur Geduld, denn auch beim zu schnellen Einführen des Schafts können Luftbläschen im Zementmantel entstehen. Die Aushärtezeit des Knochenzements von etwa zwölf Minuten muss für die Reponierung abgewartet werden, da sich ansonsten die Torsion des Schaftes verändert und zu Instabilität führen kann.

Perioperative Komplikationen

Trotz des Auftretens des Bone Cement Implantation Syndromes (BCIS), so zeigte bereits Liener, ist die Mortalität bei zementiert versorgten Patienten niedriger.12 Dennoch sei es wichtig vorab die Patientengruppe zu differenzieren25: Ältere, männliche und multimorbide Patienten stellen eine besonders fragile Gruppe dar. Hier sollte, so Hailer, die Zementiertechnik angepasst werden. Durch die gründliche Druckspülung des Knochens schon vor Einbringung des Markraumstoppers, eine erneute Spülung mit viel Flüssigkeit sowie den Verzicht auf proximale Markraumversiegelung und maximalen Druckaufbau, lässt sich diese Komplikation auch in der besonders gefährdeten Patientengruppe vermeiden. Zu guter Letzt hob Hailer die Vorzüge des lateralen Zugangs bei Hemi- (HEP) und Totalendoprothesen (TEP) hervor, der das Luxationsrisiko im Vergleich zum dorsalen Zugang um das Drei- bis Fünffache verringert.26,27 


Literatur: 

  1. Flikweert et al.: Complications after hip fracture surgery: are they preventable?; European Journal of Trauma and Emergency Surgery 2018 
  2. Duckworth et al.: Deep infection after hip fracture surgery: predictors of early mortality; Injury 2021 
  3. Zimmerli et al.: Prosthetic-joint infections; NEJM 2004 
  4. Cahill et al.: Quality of life after infection in total joint replacement; Journal of Orthopaedic Surgery (Hong Kong) 2008 
  5. Tsang et al.: Adverse peri-operative outcomes following elective total hip replacement in diabetes mellitus: a systematic review and meta-analysis of cohort studies; Bone & Joint Journal 2013 
  6. Fogelberg et al.: Prophylactic Penicillin in Orthopaedic Surgery; Journal of Bone and Joint Surgery 1970 
  7. Wang et al.: Effect of urinary tract infection on the risk of prosthetic joint infection: A systematic review and meta-analysis; Surgeon 2021 
  8.  Urquhart et al.: Incidence and risk factors for deep surgical site infection after primary total hip arthroplasty: a systematic review; Journal of Arthroplasty 2010 
  9. Al-Maiyah et al.: Glove perforation and contamination in primary total hip arthroplasty; Journal of Bone and Joint Surgery [British Volume] 
  10. Koval et al.: Does blood transfusion increase the risk of infection after hip fracture? Journal of Orthopaedic Trauma 1997 
  11. Gjertsen et al.: More re-operations after uncemented than cemented hemiarthroplasty used in the treatment of displaced fractures of the femoral neck; The Journal of Bone and Joint Surgery 2012
  12. Costa et al.: Does cementing the femoral component increase the risk of peri-operative mortality for patients having replacement surgery for a fracture of the neck of femur? Data from the National Hip Fracture Database; Journal of Bone and Joint Surgery 2011
  13. Ensing et al.: Copal Bone Cement Is More Effective in Preventing Biofilm Formation than Palacos R-G; Clinical Orthopaedics and Related Research 2008
  14. Fink et al.: Sufficient release of antibiotic by a spacer 6 weeks after implantation in two-stage revision of infected hip prostheses; Clinical Orthopaedics and Related Research 2011
  15. Sprowson et al.: The use of high-dose dual-impregnated antibiotic-laden cement with hemiarthroplasty for the treatment of a fracture of the hip. The Fractured Hip Infection trial; Joint & Bone Journal 2016
  16. Endoprothesenregister Deutschland (EPRD): Jahresbericht 2021
  17. Kristensen et al.: Cemented or Uncemented Hemiarthroplasty for Femoral Neck Fracture? Data from the Norwegian Hip Fracture Register. Clinical Orthopaedics and Related Research 2019
  18. Australian Orthopaedic Association, National Joint Replacement Registry: Hip, Knee & Shoulder Arthroplasty 2022 Annual Report
  19. Ullmark G: Femoral head fractures: hemiarthroplasty or total hip arthroplasty?; Hip international 2014
  20. Chatziagorou et al.: The design of the cemented stem influences the risk of Vancouver type B fractures, but not of type C: an analysis of 82,837 Lubinus SPII and Exeter Polished stems; Acta Orthopaedica 2019
  21. Adam et al.: Dual mobility cups hip arthroplasty as a treatment for displaced fracture of the femoral neck in the elderly. A prospective, systematic, multicenter study with specific focus on postoperative dislocation; Orthopaedics & Traumatology, Surgery & Research 2012
  22. Graversen et al.: No dislocations after primary hip arthroplasty with the dual mobility cup in displaced femoral neck fracture in patients with dementia. A one-year follow-up in 20 patients; SICOT-J 2017
  23. Tootsi et al.: The use of antibiotic-loaded bone cement does not increase antibiotic resistance after primary total joint arthroplasty; Knee Surgery, Sports Traumatology, Arthroscopy 2022
  24. Wirtz et al.: Einfluss der Femurmarkraumspülung auf die periprothetische Zementverteilung: Jet-Lavage versus Spritzenspülung; Zeitschrift für Orthopädie und ihre Grenzgebiete 2001
  25. Hailer et al.: Early mortality and morbidity after total hip arthroplasty in patients with femoral neck fracture; Acta Orthopaedica 2016
  26. Jobory et al.: Dislocation of hemiarthroplasty after hip fracture is common and the risk is increased with posterior approach: result from a national cohort of 25,678 individuals in the Swedish Hip Arthroplasty Register; Acta Orthopaedica 2021
  27. Rogmark et al.: The association of surgical approach and bearing size and type with dislocation in total hip arthroplasty for acute hip fracture; Bone & Joint Journal 2022
  28. Hopman et al.: Uncemented total hip arthroplasty; increased risk of early periprosthetic fracture requiring revision surgery in elderly females; Journal of Orthopaedics 2021 


Quelle: Heraeus

01.03.2023

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