Geburtenrückgang durch staatliche Zuschüsse stoppen

Die Zahl der Geburten in Deutschland ist im vergangenen Jahr dramatisch gesunken. Etwa 17.000 Kinder kamen 2009 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes weniger als im Vorjahr zur Welt. Dabei könnten jährlich knapp 8.000 Kinder mehr geboren werden, würde der Staat die Hälfte des Eigenanteils von gesetzlich krankenversicherten Kinderwunschpaaren aus Steuermitteln übernehmen. Zu diesem Ergebnis kam eine Studie des Berliner IGES-Instituts.

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In der Studie wurden die Folgen der Gesundheitsreform 2004 für Paare mit unerfülltem Kinderwunsch untersucht. Die Anzahl der Kinder, die aufgrund einer künstlichen Befruchtung geboren wurden, ist mit Inkrafttreten der Reform und der damit verbundenen Einschränkung der Erstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen schlagartig von 19.000 im Jahr 2003 auf 10.000 in 2004 zurückgegangen. Bis 2003 übernahmen die gesetzlichen Krankenkassen bis zu vier Behandlungsversuche vollständig. Seit 2004 werden die Kosten für maximal drei Versuche nur noch zur Hälfte übernommen. Für den vierten und alle weiteren Behandlungsversuche gibt es keinen Zuschuss mehr. Diese müssen von den Kinderwunschpaaren selbst finanziert werden, was mit Behandlungskosten in Höhe von mehreren tausend Euro verbunden sein kann. Die privaten Krankenversicherungen übernehmen hingegen in der Regel die Kosten einer künstlichen Befruchtung.

„Es hilft nichts, wenn Politiker den dramatischen Geburtenrückgang nur beklagen. Sie müssen und können etwas tun“, sagte Dr. Sören Hermansson, Deutschland-Geschäftsführer von Merck Serono. Doch bislang würden nur die beiden Bundesländer Sachsen und Sachsen-Anhalt dem Geburtenrückgang durch die Bezuschussung von Kinderwunschbehandlungen entgegensteuern. Seit März 2009 zahlt das Land Sachsen ungewollt kinderlosen Ehepaaren unter bestimmten Voraussetzungen einen finanziellen Zuschuss zur Behandlung. Sachsen-Anhalt folgte mit einem vergleichbaren Vorstoß im Juni 2010. Das sächsische Modell zeigte bereits nach einem Jahr eine beeindruckende Zwischenbilanz: Die Zahl der  Kinderwunschbehandlungen stieg nach Angaben des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz um rund 30 Prozent. In 552 finanziell unterstützten Behandlungszyklen konnten 112 Babys geboren werden. Darüber hinaus waren 41 weitere Frauen zum Zeitpunkt der Erhebung schwanger.
„Die bereitgestellten Mittel von jährlich 500.000 Euro in Sachsen und 250.000 Euro in Sachsen-Anhalt verdeutlichen, dass sich mit einem überschaubaren finanziellen Einsatz große Wirkungen erzielen lassen“, sagte Hermansson. Die Zuschussmodelle würden sich auch für die übrigen Bundesländer eignen, ohne deren Landeshaushalte zu überfordern.
Würden Bund oder Länder den heutigen Eigenanteil der Kinderwunschpatienten durch einen Steuerzuschuss um die Hälfte reduzieren, könnten laut IGES-Studie wieder deutlich mehr Kinder geboren werden: Sollten gesetzlich versicherte Patienten heute Kinderwunschbehandlungen im selben Umfang wie vor der Gesundheitsreform (2003) beanspruchen, könnten jährlich etwa 4.300 zusätzliche Babys zur Welt kommen. Fiele die Nachfrage etwa so hoch wie im Nachbarland Dänemark aus, könnte sogar mit rund 7.900 Geburten gerechnet werden.
 

23.11.2010

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