Früherkennung rettet ungeborenen Kindern das Leben
Vorgeburtlicher Ultraschall erkennt gefährliche Nabelschur-Komplikationen
Die Nabelschnur versorgt das ungeborene Kind mit Sauerstoff und Nährstoffen aus dem Blut der Mutter und entsorgt Abbauprodukte des kindlichen Stoffwechsels.
Doch setzt die lebenswichtige Verbindung zwischen Mutter und Kind nicht wie gewöhnlich am Mutterkuchen an, kann dies für das Ungeborene schwerwiegende und im schlimmsten Fall tödliche Folgen haben. Die Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM) fordert, die Früherkennung von „Insertionsfehlbildungen“ der Nabelschnur in das Regelprogramm der Schwangerschaftsvorsorge aufzunehmen. Mittels Ultraschall sei es möglich, Gefahren früh zu erkennen und vielen Kindern das Leben zu retten.
„Bei etwa 1,5 Prozent aller Ein-Kind- und bei sechs Prozent aller Zwillingsschwangerschaften entspringt die Nabelschnur nicht in der Mitte des Mutterkuchens sondern stattdessen an den Eihäuten. Wir sprechen dann von einer ,Insertio velamentosa‘“, erklärt DEGUM-Experte Professor Dr. med. Wolfgang Henrich, Chefarzt der Kliniken für Geburtsmedizin der Berliner Charité. Für das ungeborene Kind geht diese Fehlbildung, die besonders häufig nach künstlichen Befruchtungen und bei Mehrlingsschwangerschaften auftritt, mit einer tödlichen Gefahr einher: 1,6 Prozent der Kinder mit „velamentöser“ Nabelschnur sterben um den Zeitpunkt der Geburt herum. Das sind etwa doppelt so viele wie unter nicht betroffenen Kindern, so die Ergebnisse einer kürzlich publizierten nationalen Erhebung aus Norwegen.
„Bei der Insertio velamentosa kommt es häufiger zu Nabelschnurkompressionen und einem drohenden Sauerstoffmangel“, erklärt Henrich. Eine große Gefahr bestehe zudem, wenn die Fruchtblase sich öffnet: Befindet sich der Nabelschnuransatz in den Eihäuten direkt oder sehr nahe am inneren Muttermund – Ärzte sprechen von „Vasa praevia“ – können die Gefäße der Nabelschnur beim Blasensprung einreißen. Das Kind droht innerhalb von wenigen Minuten unter der Geburt zu verbluten.
„Wenn wir um die Gefahr wissen, planen wir einen frühzeitigen Kaiserschnitt zwischen 36 und 37 vollendeten Schwangerschaftswochen“, erklärt Henrich. Im Rahmen einer „risikoadaptierten“ Betreuung, bei der Ärzte zur Planung des Kaiserschnitts unter anderem das individuelle Frühgeburtsrisiko, vorzeitige Wehen und die „Geburtsreife“ von Muttermund und Gebärmutterhals berücksichtigen, könnten fast alle Kinder mit Vasa praevia gerettet werden.
Doch nicht jede Frau mit Insertio velamentosa muss per Kaiserschnitt entbinden: „Entspringt die Nabelschnur weit entfernt vom inneren Muttermund sollte eine Spontangeburt angestrebt werden“, empfiehlt Henrich. Wichtig sei es dabei jedoch, besonders auf Veränderungen des kindlichen Herzschlags im CTG zu achten.
Die Voraussetzung für die Planung einer möglichst sicheren Geburt ist die Früherkennung: „Derzeit wird die Insertio velamentosa häufig erst bei der Geburt festgestellt“, berichtet Henrich. Dabei können erfahrene und gut ausgebildete Ultraschalldiagnostiker schon beim ersten Ultraschall in der Zeit zwischen 11 bis 14 vollendeten oder spätestens beim zweiten Ultraschall mit 19 bis 22 vollendeten Schwangerschaftswochen Auffälligkeiten entdecken. Am sichersten erfolge die Diagnose mit dem Farbdopplerultraschall, der den Blutfluss in den Gefäßen und die Insertion an der Plazenta oder den Eihäuten sichtbar macht. „Beim Verdacht sollte ein Geburtsmediziner mit einer DEGUM-Qualifikation der Stufen II oder III die Schwangere zusätzlich untersuchen und beraten“, fordert Henrich.
Die DEGUM setzt sich dafür ein, dass Frauenärztinnen und -ärzte in der Frühdiagnose von Nabelschnuranomalien ausgebildet werden. „Idealerweise sollte eine routinemäßige Untersuchung der Nabelschnurinsertion in den Vorsorgekatalog der Mutterschaftsrichtlinien aufgenommen werden“, so Henrich. „Doch von diesem Ziel sind wir in Deutschland derzeit leider noch entfernt.“ DEGUM zertifizierte Ärztinnen und Ärzte finden Eltern im Internet unter: www.degum.de.
12.12.2013