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Frauen und Senioren bei Herzerkrankungen oft benachteiligt
Herzerkrankungen wie die Koronare Herzkrankheit, Vorhofflimmern oder Herzversagen betreffen Frauen mindestens im gleichen Umfang wie Männer – dennoch ziehen sie in der klinischen Forschung oft den Kürzeren, ebenso wie ältere Menschen. Kanadische Forscher sind jetzt der Ursache für dieses Ungleichgewicht auf den Grund gegangen.
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Obwohl Frauen und Senioren sogar häufiger betroffen sind als Männer, werden neue Medikamente gegen Herzerkrankungen weiterhin vorwiegend an männlichen Probanden getestet, wie eine Studie der Universität Montreal aufzeigt. In etwa 71 Prozent der Fälle sind die Testpersonen Männer, erörtern die Forscher in der Fachpublikation "Circulation" ihre Ergebnisse. Das Durchschnittsalter der Studienteilnehmer beträgt 63 Jahre.
Laut Studienleiter Dinh Nguyen hat sich an dieser Lücke bei Geschlecht und Alter seit der Jahrtausendwende kaum etwas verändert: "Diese Unterrepräsentation in klinischen Studien kann für beide Patientengruppen zu negativen Auswirkungen führen. Der Körper eines älteren Menschen reagiert auf viele Behandlungen und Medikamente anders als der einer jüngeren Person. Die richtige Dosierung oder Intervention ist bei älteren Menschen häufig anders. Das gilt auch für die Nebenwirkungen. Davon sind auch die Frauen betroffen." Das bedeutet, dass sich Ärzte auf Forschungsergebnisse verlassen müssen, die auf einer männlich dominierten und jüngeren Bevölkerung basieren, ohne dabei sicher zu sein, ob sie auch auf Frauen oder ältere Menschen zutreffen.
Basierend auf unseren Berechnungen wird es noch 90 Jahre dauern, bis diese Gleichheit bei Studien zu Herzerkrankungen erreicht sein wird
Eric Peters
Für ihre Studie nahmen die Forscher 25 der meistzitierten klinischen Studien jedes Jahres zwischen 1996 und 2015 unter die Lupe. Sie verglichen Alter und Geschlecht der Teilnehmer mit den Daten der U.S. National Health and Nutrition Examination Survey 2015-2016 zum Auftreten von Herz-Kreislauferkrankungen in den USA. Berücksichtigt wurden Daten zu koronaren Herzkrankheiten, Vorhofflimmern, Herzversagen und Bluthochdruck sowie die entsprechenden Risikofaktoren. Diabetes wurde ebenfalls einbezogen, da die Betroffenen zwei- bis viermal so häufig auch an einer Herzerkrankung leiden.
Laut Mitautor Eric Peters waren die Forscher enttäuscht, dass es trotz einer leichten Verbesserung immer noch Jahrzehnte dauern wird, bis diese Ungleichheit bei der Repräsentation in klinischen Studien ausgeglichen sein wird. "Basierend auf unseren Berechnungen wird es noch 90 Jahre dauern, bis diese Gleichheit bei Studien zu Herzerkrankungen erreicht sein wird", so der Forscher.
Bei den 500 analysierten klinischen Studien waren Frauen durchschnittlich nur mit 29 Prozent vertreten. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer lag bei 63 Jahren. Laut Nguyen entspreche das in keinster Weise dem Alltag in Notaufnahmen und Krankenhäuser. Frauen und ältere Menschen waren bei Studien zu koronaren Herzkrankheiten und Herzversagen am wenigsten vertreten. Allerdings sind 54,6 Prozent der Patienten mit koronaren Herzkrankheiten in den USA Frauen. Nur 27,4 Prozent der Teilnehmer bei entsprechenden Studien sind jedoch Frauen.
Darum sind Frauen und Ältere so selten Herz-Probanden
Historisch gesehen wurden Frauen lange von Medikamententests ausgeschlossen, da sie während der Einnahme schwanger werden könnten. Das sollte jedoch bei Studien zu Herzmedikamenten keine Rolle spielen, da die Teilnehmerinnen bereits über 60 Jahre alt sind. Das Alter spielt bei der Auswahl von Frauen ebenfalls eine Rolle. Sollen Frauen angemessen vertreten sein, müssten die Teilnehmerinnen älter sein, da sie später als die Männer an Herz-Kreislauf-Erkrankungen erkranken.
Das Rekrutieren älterer Menschen erschwert jedoch die Arbeit für die Forscher. Ältere Menschen sind häufig weniger mobil und haben daher größere Schwierigkeiten an Tests teilzunehmen. Je älter Menschen sind, desto wahrscheinlicher ist es auch, dass sie an einer Reihe anderer Krankheiten leiden, die ebenfalls eine Medikation erfordern. Sie werden daher häufig von Studien ausgeschlossen, um eine Verfälschung der Forschungsergebnisse zu verhindern. Zusätzlich sind ältere Menschen eher gebrechlicher und weniger in der Lage Nebenwirkungen zu ertragen.
Quelle: Universität Montreal/pressetext
26.07.2018