Artikel • TACE, SIRT & Co.
Der Werkzeugkoffer der Leberspezialisten beim HCC
Hepatozelluläre Karzinome (HCC) zählen nach wie vor zu den Krebsarten mit einer schlechten Überlebensprognose, da der Tumor häufig mit einer Funktionseinschränkung der Leber im Rahmen einer Leberzirrhose verbunden ist.
Bericht: Wolfgang Behrends
Insbesondere das späte Auftreten von Symptomen macht eine rechtzeitige Detektion schwierig, häufig ist nur noch eine palliative Behandlung möglich. Prof. Dr. Ralph Kickuth, Interventioneller Radiologe am Universitätsklinikum Würzburg, gibt einen Überblick über die wichtigsten Verfahren, die zur Behandlung von HCCs zur Verfügung stehen.
Wird das Karzinom frühzeitig, in einem nicht fortgeschrittenen Stadium erkannt und kann somit kurativ behandelt werden, ist vor allem die Chirurgie gefragt. Leber-Teilresektionen oder Transplantationen sind bei einer geringen Tumorlast das Mittel der Wahl. „Steht kein Spenderorgan zur Verfügung, können interventionelle Verfahren als Bridging-Maßnahme verwendet werden, bis der Patient ein neues Organ erhält“, sagt Kickuth. Dazu zählen zunächst die thermoablativen Verfahren wie Radiofrequenz- oder Mikrowellenablation, die sich bereits bei der palliativen Behandlung kolorektaler Lebermetastasen bewährt haben. Zusätzlich kommt die transarterielle Chemoembolisation (TACE) als Behandlungsmaßnahme häufig zum Einsatz.
Thermoablative Verfahren und transarterielle Chemoembolisation
Das Staging nach dem sogenannten Barcelona- oder BCLC (Barcelona Clinic Liver Cancer)-Algorithmus gibt vor, welche Behandlung bei HCC geeignet ist. „Die richtige Therapie wird interdisziplinär nach diesen Kriterien festgelegt“, sagt Kickuth. „Bei einer geringen Zahl an Läsionen, die eine bestimmte Größe nicht überschreiten, kann ein thermoablatives Verfahren für einen kurativen Effekt sinnvoll sein.“ Ist das nicht mehr möglich, wird die TACE angewandt, die in erster Linie palliativ ausgerichtet ist. Neben der konventionellen TACE hat sich in den vergangenen Jahren die DEB-TACE bewährt. „DEB steht für Drug Eluting Beads“, erklärt Kickuth. „Das sind sphärische Partikel, die mit einem Chemotherapeutikum wie Epirubicin beladen werden und dieses Medikament dann protrahiert abgeben.“ In der Theorie verringert dieser Ansatz die systemische Wirkung, steigert jedoch den lokalen Effekt direkt am Tumor. „Überraschenderweise belegt die Datenlage diesen Unterschied jedoch nicht“, sagt der Radiologe. Daher haben beide Verfahren eine gleichberechtigte Legitimierung bei HCC-Patienten, bis neue Studien eine Erklärung liefern.
Einen Vorteil hat die konventionelle TACE allenfalls bei der Visualisierung, sagt Kickuth: „Häufig wird Lipiodol kombiniert mit dem Chemotherapeutikum Epirubicin als Embolisatgemisch verwendet, dessen Verteilung im CT gut nachverfolgt werden kann. Das ist eine wichtige Kontrollmaßnahme, um festzustellen, ob es bei der Behandlung zu Fehlembolisationen kommt, etwa an der Gallenblase oder am Zwölffingerdarm. Bei der DEB-TACE braucht man ein etwas geübteres Auge, um das zu erkennen. Allerdings werden aktuell neue Partikel entwickelt, mit der die Embolisat-Distribution besser sichtbar wird.“
Selektive interne Radiotherapie (SIRT)
Im palliativen Arm ist zudem die selektive interne Radiotherapie (SIRT) von Bedeutung. Dieses Verfahren kommt in der Regel erst dann zum Einsatz, wenn alle anderen Ansätze versagen. So kann die SIRT etwa bei ausgedehntem Befall der Leber durch HCC dazu beitragen, die Symptome zu verringern, dadurch die Lebensqualität zu steigern und im besten Fall sogar die Lebenserwartung um einige Monate zu verlängern.
Durch die hohe Effektivität der SIRT wird das Verfahren in der Palliativmedizin zunehmend als Alternative zur bewährten TACE gehandelt. „Doch dafür reicht die Datenlage noch nicht aus“, sagt Kickuth. „Zwar gibt es – vor allem aus den USA – bereits vielversprechende Daten, die die Wirksamkeit der SIRT nahelegen. Aber das ist vorsichtig zu bewerten. Nach evidenzbasierten Kriterien ist die TACE nach wie vor das Mittel der Wahl bei HCC-Patienten.“
Gehört die Zukunft den multimodalen Konzepten?
Jenseits der kurativen Behandlung ist das Arsenal an Maßnahmen der Radiologen mit SIRT, TACE und thermoablativen Verfahren bei der Leber weitgehend ausgeschöpft. Als vielversprechende Konzepte sieht Kickuth multimodale Ansätze, etwa die mit dem Multikinasehemmer Sorafenib-unterstützte TACE. „Doch das liegt derzeit noch in weiter Ferne“, betont Kickuth. „Bei Patienten mit hohem Anteil endovaskulärer Wachstumsfaktoren im Serumspiegel sollte das systemisch wirksame Medikament zusätzlichen Nutzen bringen – doch dieser Denkansatz entpuppte sich als zu einfach.“ Unabhängig von diesem Rückschlag könnten multimodale Konzepte jedoch in Zukunft großen Nutzen bringen, zum Beispiel TACE kombiniert mit Radiofrequenz- oder Mikrowellenablation, ist Kickuth überzeugt.
Das schließt ausdrücklich auch das interdisziplinäre Vorgehen ein; denkbar wäre etwa ein chirurgisches Konzept im Zusammenspiel mit TACE. „Aber das ist noch Zukunftsmusik“, betont der Radiologe. Wichtige Voraussetzung dafür ist die engere Kooperation der einzelnen Disziplinen. Kickuth: „Chirurgen, Hepatologen, Gastroenterologen und interventionelle Radiologen müssen ein tieferes Verständnis für die Methoden der jeweils anderen Gruppen entwickeln. Nur so können wir zu besseren Ergebnissen gelangen.“ Auch die Wirkungen und Wechselwirkungen der verschiedenen Tumortherapien selbst sind nicht gänzlich bekannt, so dass noch einige Forschungsarbeit bevorsteht, bis die Synergien der Behandlungen sinnvoll genutzt werden können.
Kein Platz für Platzhirsche
Das früher verbreitete Platzhirschdenken zwischen den Disziplinen ist heute fast vollständig aus den Kliniken verschwunden, berichtet Kickuth: „Stattdessen werden in der modernen Medizin sachlich die Vor- und Nachteile der Behandlungsansätze erörtert und gemeinsam die Entscheidungen getroffen, die für den Patienten am besten sind.“ Häufig können sich die verschiedenen Konzepte dabei gegenseitig unterstützen. Der Radiologe nennt ein Bespiel für eine solche konstruktive Zuarbeit: „Die Leber-Teilresektion ist zwar ein chirurgischer Eingriff, doch wir können ihn mit interventionellen Verfahren unterstützen. Die tumorlastige Organseite wird vor der Operation über die Pfortader embolisiert. Dies regt die Hypertrophie des gesunden Leberlappens an, so dass mehr funktionelle Leberkapazität zur Verfügung steht. Damit wiederum steigt die Wahrscheinlichkeit einer gelungenen Teilresektion.“
Da mittlerweile viele Daten die Effektivität der interdisziplinären Zusammenarbeit belegen, gibt es Entscheidungskorridore, die diese Therapiekonzepte vorgeben. „Daran müssen wir uns halten und das ist auch sinnvoll. Gerade in schwierigen Fällen kommt man als Solist nicht weit“, fasst Kickuth zusammen.
Profil:
Prof. Dr. Ralph Kickuth hat seine Facharztausbildung „Diagnostische Radiologie“ am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie des Marienhospitals Herne, Klinikum der Ruhr-Universität Bochum absolviert. Von 2004 bis 2008 arbeitete er am Institut für Diagnostische, Interventionelle und Pädiatrische Radiologie des Inselspitals der Universität Bern. Seit 2008 ist Kickuth leitender OA für Interventionelle Radiologie am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie des Universitätsklinikums Würzburg, seit 2011 Mitglied des erweiterten Direktoriums des Zentrums für Innere Medizin. 2015 wurde er zum Universitätsprofessor für Interventionelle Radiologie an die Julius-Maximilians-Universität zu Würzburg berufen.
Veranstaltungshinweis:
Do, 9.11.2017, 12:00 – 12:30
Lokaltherapeutische interventionelle Verfahren an der Leber
Prof. Dr. Ralph Kickuth, Würzburg
Session: Leber-Interventionen (mit TED)
Congress-Saal
09.11.2017