Interview • PACS interdisziplinär

Der lange Weg zur EPA

PACS (Picture Archiving and Communication System) stammt ursprünglich aus der Radiologie, wird aber inzwischen auch in anderen Bereichen wie beispielsweise der Weichteilmodellierung, Herstellung von Implantaten, Kopfrekonstruktion oder Unfallchirurgie eingesetzt. Radiologica bavarica sprach mit Udo Poth, Leiter des Rechenzentrums im Klinikum rechts der Isar, über den langen Weg des PACS zur EPA (Elektronische Patientenakte).

RB: Das PACS ist über die Radiologie hinausgewachsen, ist eine These von Ihnen. Wie meinen Sie das?

portrait of udo poth
Dipl. Inform. Udo Poth leitet das Rechenzentrum des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München.

Udo Poth: Das PACS-System hat letztendlich die Prozesse in der Radiologie immens beschleunigt. Und das PACS hat dafür gesorgt, dass die Verteilung der Bilder auch in andere Fachbereiche und über Klinikgrenzen hinaus problemlos möglich ist. Damit stellt sich die Frage nach der Rolle des Radiologen. Aus der Sicht eines IT-Leiters wird die Radiologie neben Ihren diagnostischen und Qualitätssicherungsaufgaben - hier sind unter vielen anderen Aufgaben die weitere Reduzierung der Strahlenbelastung und die Prävention durch geeignete Screeningverfahren zu nennen in den nächsten Jahren weiteren Digitalisierungsprozessen entgegensehen.. Wir sprechen hier von einer verstärkten Verzahnung von ambulanten und stationären Versorgungsnetzen, von neuen Produkten, die durch die Integration verschiedenen Technologien entstehen und last but not least davon, dass die Radiologie als Querschnittsfach und Datenlieferant für bildgestützte Operationsverfahren oder im rekonstruktiven Bereich agieren wird. Ohne die „Digitalisierung“ der Radiologie mit Hilfe der PACS-Systeme wäre dies alles in Zukunft nicht möglich, da haben uns die PACS-Systeme einen Riesenvorteil gebracht: Schnelligkeit und damit eine erhebliche Kapazitätssteigerung.

RB: Das heißt, es können zunächst schlicht mehr Bilder gemacht und verarbeitet werden.

Udo Poth: So ist es. D.h. einen höheren Durchsatz an Patienten bei einer gleichzeitigen Produktivitätserhöhung bei der Befundung. Zudem entwickeln sich die „digitalen,Hilfen“ für die Befundung, die in ein PACS eingebettet sind immer weiter. Dies können sogenannte CAD-Systeme („computer aided diagnostic“) oder auch solche Systeme sein, die auf volumetrischen MR- und/oder CT-Daten aufsetzen.

D. h. diese Bilddaten werden nicht mehr nur zur Befundung benötigt sondern auch für die Modellierung. Ob das Weichteilmodellierungen, die Herstellung von Implantaten, Kopfrekonstruktionen oder die Unfallchirurgie betrifft.  Das heißt damit auch, dass die radiologischen Bilder häufiger auch anderen Disziplinen zur Verfügung gestellt und dort zur Weiterverarbeitung benutzt werden. Ob man an dieser Stelle den Radiologen braucht oder die in den jeweiligen Gebieten ausgebildeten Fachärzte das selbst machen, ist hier die Frage.

RB: Was ja bedeuten würde, dass die ganzen Disziplinen von Kardiologie über Orthopädie bis zur Neuro-Chirurgie alle Radiologie lernen sollen?

Udo Poth: Nein, das müssen sie nicht. Die Radiologie stellt – wie in jedem Industriebetrieb – ein Werkzeug her, das zur Weiterverwendung genutzt wird, um etwas Neues daraus zu formen. Die Radiologie hat hierbei die typische Aufgabe eines Querschnittfaches.

Kleines IT-Glossar

PACS: Picture Archiving and Communication System

RIS: Radiology Information System

HIS: Hospital Information System

KAS: Klinisches Arbeitsplatzsystem

EPA/EPR: Elektronische Patientakte/Electronic Patient Record

KIS/CIS: Klinisches Informationssystem/Clinical Information System

DICOM: Digital Imaging and Communications in Medicine. DICOM standardisiert sowohl das Format zur Speicherung der Daten, als auch das Kommunikationsprotokoll zu deren Austausch. DICOM ist auch die Grundlage für die digitale Bildarchivierung in Praxen und Krankenhäusern (PACS).

NON DICOM: Bilddaten bzw. bildgebende Verfahren, die bisher nicht DICOM-standardisiert sind, und aus Disziplinen wie der Endoskopie, Gastroenterologie, Dermatologie, Pathologie, Ophthalmologie u.a. geliefert werden.


RB: Das Werkzeug ist es ja nicht alleine. Es geht doch auch um die Interpretation und Diagnose, die Radiologen liefern?

Udo Poth: In manchen Fällen nicht. Wenn die Daten zur Weiterverarbeitung benötigt werden, dann brauchen Sie keine Interpretationen. Sondern dann wird die Interpretation woanders geleistet: in der Neuro-Chirurgie, bei den Orthopäden, in der plastischen Chirurgie, letztendlich, überall dort, wo Weichteil-Rekonstruktionen oder 3D-Simulationen gemacht werden. Leider meinen aber manche Radiologen noch immer, das PACS-System sei eine rein radiologische Anwendung. Das ist es aber nicht, sondern ein Tool für das gesamte Klinikum. Gelegentlich sitzen sie auf ihren Informationen und interpretieren Picture Archiving in Radiology Archiving um. Aus diesem Grund sind wir ja auch der Meinung, dass die Betreuung des PACS in die Hand der EDV gehört.

RB: In den meisten Kliniken ist das aber nicht so, oder?

Udo Poth: Nein, in den meisten Kliniken laufen diese PACS-Systeme im Bereich der Radiologie. Zum Teil ist das historisch so gewachsen, zum anderen gab und gibt es das spezielle Know-how nicht in jeder IT-Abteilung. Und da die Radiologie normalerweise Physiker hat, betreut dieser das PACS letztendlich einfach mit.

RB: Ja. So dürfte die Realität sein, außer bei Ihnen an der Technischen in Universität München?

Udo Poth: Wir teilen den Job zwischen Radiologie und IT. Wir haben das Konzept zusammen in einem langen Prozess erarbeitet. Ein typischer Fall war die Diskussion über das RIS. Das RIS ist bei uns im klinischen Informationssystem integriert mit all seinen Vorteilen des Order-Entrys, der Terminplanung und allem, was dazu gehört. Der Konsens, den wir damit erzeugt haben, ist dass es einen Befundarbeitsplatz in einem Subsystem für den Radiologen und einen MTA-Arbeitsplatz im klinischen Informationssystem gibt. Alle Daten, die mit Leistungsstatistik und Leistungskontrolle zu tun haben, oder „Worklist“-Charakter haben, also der typische MTA-Arbeitsplatz, sind im klinischen Informationssystem auszuführen Die Präsentation der Bilder und Befunde in den anfordernden Kliniken erfolgt in unserem Hause ausschließlich über das klinische Informationssystem.. Somit haben wir die Dinge verschmolzen und kommen z.B. ohne ein klassisches separates RIS aus. Ein Integrationsschritt übrigens, den ein großes Medizintechnik Unternehmen aufgenommen hat.

RB: Damit sind die Abläufe bei Ihnen transparenter?

Udo Poth: Ja und damit ist es letztendlich auch egal, wer nun den Betrieb macht oder ob die Person, die es macht, auf meine Kostenstelle gebucht wird oder nicht. Das alles spielt dann keine Rolle mehr. Und das Wichtigste: es funktioniert relativ gut bei uns, gemessen an der Zufriedenheit der Anwender, die über das klinische Informationssystem auf Ihre PACS-Bilder zugreifen können. Im Übrigen wundert es mich, dass PACS immer noch ein Thema ist. Ich dachte, es wäre einfach ein Commodity-Produkt?  Und wenn, dann geht es doch höchstens um die Frage, gehören NON-DICOM Bilder auch in ein PACS?

RB: Sie meinen zum Beispiel die EKG-Daten aus der Kardiologie?

Udo Poth: Zum Beispiel, aber auch die Daten aus der Sonographie, der Endoskopie, der Pathologie oder Videosequenzen und etliche mehr. Im Augenblick laufen diese Dinge noch getrennt, aber das ist natürlich kein Zukunftsmodell.

RB: Womit Sie direkt auf ein EPR zusteuern?

Udo Poth: Ja, so sehe ich das nämlich auch. Im Moment gehe ich die Frage jedoch an, wie das zukünftige Bildmanagement im medizinischen Umfeld aussieht und wie die Prozesse gestaltet werden müssen. Aufwändige Worklistszenarien wie in der Radiologie sind hier ungeeignet, denn in den meisten Fällen erfolgt ein direktes Zusammenspiel zwischen der Bildaufnahme und dem klinischen Arbeitsplatz-System (KAS). Je nach Quelle werden eine Vielzahl von Bildern oder Videosequenzen gemacht, die an einem sogenannten Editier-Arbeitsplatz beschriftet, vermessen oder auch gelöscht werden können. D. h. letztlich werden nur die befundrelevanten Bilder gespeichert. In anderen Worten, unterschiedliche Bildquellen erfordern leider unterschiedliche Prozesse in der IT.

RB: Dennoch, was in beiden Fällen herauskommt, ist ein Bild plus Befund.

Udo Poth: Ja, das ist schon richtig. Da müssen wir noch ein Stück vorankommen in den nächsten Jahren. Arbeitslos werden wir auf keinen Fall.

RB: Vielen Dank für das Gespräch.


Profil:

Dipl. Inform. Udo Poth, geb. am 24.03.1952, war nach dem Studium der Informatik in verschiedenen Führungsaufgaben im In- und Ausland tätig. Seit über 10 Jahren leitet Herr Poth das Rechenzentrum des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München.

09.10.2009

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