Artikel • MR-Enterographie

Der Dünndarm – ein spannendes Organ

"Der Dünndarm ist aus der Sicht der Radiologie eines der spannendsten Organe, weil der Zugang endoskopisch sehr schwierig ist“, bekräftigt Prof. Dr. Andreas G. Schreyer, MHBA, stellvertretender Instituts-direktor des Instituts für Röntgendiagnostik am Universitätsklinikum Regensburg.

Mittlerweile ist die MR-Enterographie State of the Art bei der Beurteilung von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Diese Untersuchung, die ohne das Setzen einer Sonde auskommt und lediglich eine orale Kontrastmittelgabe erfordert, hat auch in die S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS), an deren Ausarbeitung Schreyer beteiligt war, Eingang gefunden.

Es gibt einige Darmabschnitte, die dem Ultraschall entgehen.

Prof. Dr. Andreas G. Schreyer

Bei der Erstdiagnostik von Morbus Crohn wird die MR-Enterographie in den aktuellen Leitlinien als umfassende bildgebende Methode ausdrücklich empfohlen. „Ultraschall ist für die Untersuchung des Dünndarms auch eine exzellente Methode, aber bei der Erstdiagnose sollte ein Verfahren verwendet werden, bei dem der gesamte Dünndarm dargestellt werden kann. Es gibt nämlich einige Darmabschnitte, die dem Ultraschall entgehen“, sagt Schreyer. Auch dann, wenn mit einer Endoskopie oder einer Sonographie bei der Verlaufsbeurteilung keine schlüssigen Ergebnisse erzielt werden können, empfehlen die Leitlinien die Durchführung einer MR-Enterographie.

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Patient mit M. Crohn und Befall im distalen Colon descendens mit vermehrter Kontrastmittelaufnahme und Wandverdickung im linken Unterbauch (kontrastgestützte fettgesättigte T1-gewichtete MRT).

Die traditionellen Verfahren – allen voran das Enteroklysma in der Modifikation nach Herlinger und Sellink, bei dem zur Kontrastmittelverabreichung über Mund oder Nase eine Sonde in den Dünndarm eingeführt wird – werden in den Leitlinien nicht mehr empfohlen. „Erstaunlicherweise werden diese Verfahren immer noch angewandt, obwohl es keine Indikation mehr dafür gibt“, wundert sich Schreyer. Eine Umfrage der DRG unter deutschen, österreichischen und Schweizer Radiologen hat kürzlich ergeben, dass im deutschsprachigen Raum zehn bis 15 Prozent der Radiologen noch immer die traditionellen durchleuchtungsgestützten Methoden benutzen.

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Gleicher Patient: Die entzündliche Veränderung zeigt sich hier mit diffusionsgewichteter MRT (DWI) ohne Kontrastmittelgabe identisch.

Doch auch die MR-Dünndarmdiagnostik entwickelt sich weiter. Mittels diffusionsgewichtetem Imaging ist eine funktionelle molekulare Bildgebung möglich, so dass Entzündungen im Dünndarm ohne die Gabe von Kontrastmittel und ohne Darmdistension beurteilt werden können. Derzeit laufen mehrere multizentrische Studien, in denen diese Methode evaluiert wird. „Unsere Arbeitshypothese lautet, dass sich mit dem Diffusionsimaging ohne Gabe von Kontrastmittel, aber in gleicher Qualität wie Kontrastmitteluntersuchungen, entzündliche Veränderungen darstellen lassen – wenn nicht sogar mit besserer Sensitivität“, zeigt sich Schreyer optimistisch. Sollte er Recht behalten, so könnten Dünndarmuntersuchungen künftig ohne Kontrastmittel – und das bedeutet sowohl Patienten- als auch Ressourcenschonend – stattfinden. Obwohl es noch keine Evidenz gibt und die Diffusionsbildgebung noch nicht in den Leitlinien zu finden ist, erfreut sie sich bereits großer Beliebtheit: Schreyer schätzt, dass bereits die Hälfte der Radiologen Diffusionsimaging in der Routine anwenden.

Diese Frage ist der „Heilige Gral“ der Dünndarmdiagnostik.

Prof. Dr. Andreas G. Schreyer

Weitere neue Entwicklungen in der Dünndarmdiagnostik sind bewegte MR-Enterographien, also eine schnelle Folge von Bildsequenzen, die ähnlich wie bei der alten Durchleuchtungsuntersuchung die Bewegung des Darmes zeigen, die aber gleichzeitig farbcodieren. Auch die Kombination von Diffusionsbildgebung und PET ist ein vielversprechender neuer Ansatz. Laut einer jüngeren Publikation lässt sich damit die Fibrotisierung des Dünndarmgewebes und deren Grad eruieren. Fibrose oder Entzündung? – das ist eine entscheidende klinische Fragestellung, denn damit werden die Weichen gestellt in Richtung Operation (bei Fibrose) oder medikamentöse Therapie (bei einer reinen Entzündung). Für Schreyer ist diese Frage der „Heilige Gral“ der Dünndarmdiagnostik: „Mittelfristig könnte die PET/MR bei speziellen Fragestellungen spannende Ergebnisse liefern.“

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Prof. Dr. Andreas G. Schreyer

Profil:
Prof. Dr. Andreas G. Schreyer, MHBA, ist stellvertretender Institutsdirektor am Institut für Röntgendiagnostik des Universitätsklinikums Regensburg. Der in Straubing geborene Radiologe, der Studium und Ausbildung in Regensburg, Erlangen, München und Boston absolvierte, ist Vorsitzender der AG Abdominal- und GI-Diagnostik der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG), Mitglied zahlreicher weiterer Fachverbände und hat zuletzt an den Leitlinien für Gallensteine, Autoimmune Lebererkrankungen und Kolorektales Karzinom mitgearbeitet. Seine Forschungsschwerpunkte sind MR-basierte Adbominaldiagnostik sowie die Entwicklung neuer Methoden in der Onkologischen Bildgebung und strukturierten Befundung.

Veranstaltungshinweis:
Raum: Kultbox
Samstag, 15. Oktober 2016, 10:50 – 11:10 Uhr
Symposium 14: Abdomen 2 – Darm
„State of the Art“ Dünndarmbildgebung

13.10.2016

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