News • Chronisch lymphatische Leukämie
CLL: Neues Verfahren knackt Tarnkappe von Blutkrebszellen
Mit einer pfiffigen Methode haben Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und des Universitätsklinikums Heidelberg Blutkrebszellen dazu gebracht, sich dem Immunsystem zu erkennen zu geben - und sich so angreifbar zu machen.
Im Labor versahen die Forscher Zellen der chronisch lymphatischen Leukämie (CLL) mit einer auffälligen Markierung, die von Abwehrzellen leicht erkannt wird. CLL ist bei Erwachsenen die häufigste Form von Blutkrebs. Mit Chemotherapie und Medikamenten lässt sich die Krebserkrankung nicht vollständig heilen. Das Immunsystem des Menschen kann die Krebszellen zwar bekämpfen, entdeckt sie aber oft zu spät.
Jedes Jahr erkranken in Deutschland rund 13.700 Menschen an Leukämie, davon etwa die Hälfte an CLL. Sie tritt vor allem bei älteren Erwachsenen auf, Männer sind etwas häufiger betroffen als Frauen. „Eine vollständige Heilung ist durch diese Behandlung nicht möglich, aber die krebsbedingten Beschwerden können abgemildert werden", erklärt Henri-Jacques Delecluse vom DKFZ. Zusammen mit Peter Dreger vom Universitätsklinikum Heidelberg haben Delecluse und seine Kollegen an Blutproben von CLL-Patienten ein neues Verfahren entwickelt, das die Krebszellen vollständig eliminieren könnte. Weil sie oft gar nicht erst entdeckt werden, sind diese Zellen sehr resistent gegenüber Angriffen des Immunsystems. Diesen Vorteil hebelten die Wissenschaftler aus, indem sie sie mit einem starken Antigen markierten. Die so enttarnten CLL-Zellen wurden daraufhin von Abwehrzellen zerstört.
Wir zweckentfremden die virusspezifischen T-Zellen dann für die Krebstherapie
Henri-Jacques Delecluse
Besonders vielversprechend an dieser Methode ist, dass die meisten Menschen die notwendigen Abwehrzellen bereits im Körper tragen. „Wir verwenden zur Markierung der CLL-Zellen ein Antigen aus dem Epstein-Barr-Virus", erklärt Delecluse. Dabei handelt es sich um ein Herpesvirus, mit dem sich die meisten Menschen schon im Kindesalter infizieren und gegen das sie Abwehrzellen bilden. Spätestens ab dem 40. Lebensjahr findet sich kaum mehr jemand, der noch keinen Kontakt mit dem Virus hatte. „Wir zweckentfremden die virusspezifischen T-Zellen dann für die Krebstherapie", sagt der Forscher. Als Markierung nutzen Delecluse und Kollegen spezifische Antikörper gegen CLL-Oberflächenproteine, die mit Epstein-Barr-Virus-Proteinen gekoppelt waren. Leukämiezellen nehmen den Antikörper ins Zellinnere auf, während sie das Antigen auf der Oberfläche vorzeigen.
Die DKFZ-Wissenschaftler testeten ihr Verfahren an Krebszellen aus dem Blut von zwölf CLL-Patienten. Bei der großen Mehrheit der Untersuchungen konnten Abwehrzellen in der Kulturschale die mit Epstein-Barr-Virus-Antigen bestückten Krebszellen erfolgreich abtöten.
Der neue Ansatz unterscheidet sich von üblichen Immuntherapien: Bislang werden meist die Abwehrzellen dazu angeregt, Krebszellen effektiver zu eliminieren. Doch dazu müssen sich die entarteten Zellen dem Immunsystem von selbst zu erkennen geben, etwa durch krebsspezifische Antigene auf ihrer Oberfläche. „Wir bringen dagegen ein sehr starkes Antigen in die Krebszellen ein. Das heißt, wir müssen nicht darauf warten, dass die Krebszellen selbst Antigene produzieren, die vom Immunsystem erkannt werden", beschreibt Delecluse den Vorteil der neuen Therapie.
Was mit den aus dem Blut von CLL-Patienten gewonnenen Krebszellen gut geklappt hat, wollen die Wissenschaftler nun auch bei Patienten erproben, die an diesem Blutkrebs leiden. „Der nächste Schritt ist eine klinische Studie, in der CLL-Patienten mit dem Verfahren behandelt werden", sagt Delecluse. „Erweist sich die Therapie bei CLL als wirksam, wollen wir sie auch bei anderen Blutkrebserkrankungen prüfen."
Quelle: DKFZ
27.06.2018