Sterblichkeitsrate senken
Bluttest ermöglicht raschere Herzinfarktabklärung
Ein neues diagnostisches Verfahren zur Abklärung, ob es sich bei akutem Brustschmerz um einen Herzinfarkt handelt, kann die Herzinfarkt-Sterblichkeit verringern und das Zeitfenster bis zur endgültigen Diagnose und Einleitung einer Therapie von bisher drei auf eine Stunde verkürzen. Das ist das Ergebnis der „Biomarkers in Acute Vascular Care“ (BACC) Studie, die von PD Dr. Dirk Westermann (Herzzentrum Hamburg) auf dem Kongress der Europäischen Kardiologischen Gesellschaft (ESC) in London präsentiert wurde.
„Bei Patienten, die sich mit Brustschmerzen und Verdacht auf einen Herzinfarkt in einer Notaufnahme präsentieren, muss möglichst rasch abgeklärt werden, ob und welche weiteren therapeutischen Maßnahmen einzuleiten sind, oder ob man sie sicher wieder nach Hause entlassen kann. Wir benötigen hier möglichst präzise, zuverlässige und einfach anzuwendende Testverfahren.“
Die aktuellen Leitlinien empfehlen bei Verdacht auf Herzinfarkt, sofort bei der Aufnahme des Patienten und dann nochmals nach drei Stunden per Bluttest Troponin I zu messen. Dabei handelt es sich um einen Biomarker, der Aufschluss über Schädigungen der Herzmuskelzellen gibt. Bis zur endgültigen Diagnose müssen Patienten also in jedem Fall zumindest drei Stunden im Krankenhaus bleiben. Nach derzeitigen Standards gelten Troponin I-Werte über 27 ng/L als erhöht.
„Der neue, hochsensitive Troponin-I-Test liefert viel rascher Ergebnisse und entdeckt auch viel niedrigere Troponin-I-Werte, die aber eine wichtige Rolle für das kardiovaskuläre Risiko spielen dürften“, so PD Westermann.
In die BACC-Studie wurden 1.045 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 65 Jahren eingeschlossen, die mit akutem Brustschmerz und Herzinfarkt-Verdacht in der Notaufnahme des Universitätsklinikums Hamburg Eppendorf betreut wurden. Es wurden sowohl der herkömmliche Troponin-I-Test mit dreistündiger Wartezeit als auch das neue Testverfahren durchgeführt. Auf Basis des Standardverfahrens wurde bei 184 Patienten ein Herzinfarkt diagnostiziert und eine weitere stationäre Behandlung veranlasst, die anderen wurden nach Hause entlassen. Alle Patienten wurden über sechs Monate weiter untersucht.
Beim Vergleich der Ergebnisse beider Testverfahren stellte sich heraus, dass bereits ein Grenzwert von nur 6 ng/L Troponin I bei Aufnahme gemessen zuverlässiger den Ausschluss eines Herzinfarkts zulässt als die bisher empfohlenen 27 ng/L mit Wiederholungsmessung nach drei Stunden.
Zusätzlich zur BACC Studie überprüften die Hamburger Wissenschaftler die Relevanz dieses neuen Grenzwerts auch noch anhand der Daten der BiomarCaRE Studie, einer der größten Untersuchungen, in denen in der Allgemeinbevölkerung Troponin-I-Werte erhoben wurden. Diese Daten bestätigten, dass Personen mit einem Troponin-I-Wert über 6 ng/L ein erhöhtes Herz-Kreislauf-Risiko aufweisen.
Auf Basis dieser neuen Erkenntnisse wurde der niedrigere Grenzwert nochmals auf die BACC-Studienteilnehmer angewendet. Es stellt sich heraus, dass die Sterblichkeit in dieser Gruppe niedriger gewesen wäre, wenn für die Entscheidung über Weiterbehandlung oder Entlassung die neue diagnostische Methode anstelle des bisherigen Standardverfahrens angewendet worden wäre.
„Der schneller anzuwendende Test und die niedrigeren Grenzwerte können die Sicherheit erhöhen, ob die richtigen Patienten nach Hause geschickt werden“, so PD Westermann.
Zusätzlich wurde der neue Algorithmus anhand der Daten aus zwei großen Kohortenstudien (ADAPT und APACE) mit mehr als 4.000 Patienten mit akutem Brustschmerz und Herzinfarkt-Verdacht validiert.
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Kardiologie
31.08.2015