Artikel • Hype oder mehr?

Blockchain: Innovative IT-Lösung mit Zukunftsaussichten?

Ein Ideenwettbewerb des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) zeichnet aktuell Forschungsprojekte aus, die sich mit Anwendungsmöglichkeiten von Blockchain im Gesundheitswesen beschäftigen. Dies zeigt das hohe Interesse seitens der Politik an dieser Technologie. Aber welches Potential hat Blockchain wirklich? Ist es nur ein neuer Hype, auf den nun viele aufspringen, oder stehen die Zeichen auf Implementierung?

Bericht: Eva Britsch

Quelle: Pixabay/TheDigitalArtist

Wir sind dieser Frage nachgegangen und haben mit den drei Preisträgern des Ideenwettbewerbs gesprochen. Hierbei ergab sich ein differenziertes Bild der Chancen und Möglichkeiten von Blockchain.

Selbstbewusst kommunizieren die vom BMG ausgezeichneten Dr. Christian Sigler und Irina Hardt, wenn es um Blockchain geht: „Nur mit Blockchain kann der Betäubungsmittelverkehr sicher digitalisiert werden“, so die Preisträger. Die Technologie habe verschiedene Vorteile: Blockchain biete wirksamen Schutz vor Manipulation. Transaktionen seien grundsätzlich verschlüsselt und sensible Patientendaten blieben immer geheim. Die wechselseitige Überprüfbarkeit von Änderungen an den Daten sei der Schlüssel zu mehr Sicherheit. Und last but not least setze der Smart Contract* die genauen Vorschriften des Gesetzgebers um. Vorteil Blockchain: Der Betäubungsmittelverkehr würde dezentral gespeichert, die physische Archivierung in Praxen und Apotheken entfalle.

1. Platz: Irina Hardt und Dr. Christian Sigler.
1. Platz: Irina Hardt und Dr. Christian Sigler.

Durch die redundante Speicherung und die kryptografische Verkettung der Blöcke wird eine nachträgliche Datenmanipulation quasi unmöglich gemacht

Christian Sigler und Irina Hardt

Doch wie funktioniert Blockchain eigentlich und welchen Vorteil bringt die IT-Technologie? Den Bürgern oder Patienten wird jedenfalls seitens der Interessengruppen in der Gesellschaft gebetsmühlenartig versichert, dass vom Online-Einkauf bis zur immer noch nicht realisierten elektronischen Gesundheitskarte (eGK) alles sicher sei – bereits heute und erst recht in der Zukunft. Etwaige Sicherheitslücken wie geklaute Betäubungsmittelrezeptblöcke wären in Zeiten von Blockchain ein für alle Mal passé. Hardt und Sigler präzisieren: „Seit Generationen suchen Menschen nach Wegen, Unsicherheit über ihre Vertragspartner zu reduzieren. Eine zentrale Rolle nehmen dabei bisher Institutionen wie Banken, Notare oder Aufsichtsbehörden ein. Sie ermöglichen uns, Werte auszutauschen, obwohl wir unser Gegenüber gar nicht kennen. Der einzelne kann seinen Kaffee per Kreditkarte bezahlen, weil die Bank dem Cafébesitzer garantiert, dass er genug Geld hat. Blockchain liefert eine neue Art, Werte zu übertragen, indem das Netzwerk die Aufgaben der Zentralinstanz ersetzt: Alle Teilnehmer in diesem Netzwerk verwalten eine gemeinsame Datenstruktur, in der alle Transaktionen in kryptografisch verknüpften Blöcken gespeichert werden.“

Blockchain liefert ein hohes Maß an Datensicherheit, da Informationen als Hashwerte* gespeichert und daher auf höchstem Niveau verschlüsselt sind. Die Nachvollziehbarkeit ist gewährleistet, weil jede Transaktion unveränderbar abgebildet wird: „Durch die redundante Speicherung und die kryptografische Verkettung der Blöcke wird eine nachträgliche Datenmanipulation quasi unmöglich gemacht“, so Hardt und Sigler.

illustration of computer blockchain network
Quelle: Pixabay/Tumisu

Andreas Schütz und Tobias Fertig sind Doktoranden im Bereich IT-Sicherheit, sie haben aktuell das Buch „Blockchain für Entwickler“ auf den Markt gebracht – das BMG hat sie zum Thema „Patienteneinwilligungen“ ausgezeichnet. Recherchen hätten ergeben, dass die Speicherung von Patenteneinwilligungen Probleme in der Praxis auslösen könne: Der Hausarzt nimmt die Patientendaten auf – diese fehlen dann im Krankenhaus, dort werden sie neu aufgenommen. Am Ende sind die Patienteneinwilligungen an verschiedenen Orten zentral gespeichert und der Patient hat keinen direkten Zugriff auf die Daten. Anders sähe es aus, wenn man Patienteneinwilligungen über die Blockchain laufen lasse. Für die Entwickler liege der Vorteil darin, dass die Daten eben nicht bei einer Institution, sondern auf der Datenkette gespeichert würden und ihre Speicherung absolut manipulationssicher sei, führen Schütz und Fertig aus: Die Datenketten würden sich gegenseitig regulieren – änderte sich etwas bei einem „Block“, so müsste diese Änderung in allen nachfolgenden Blöcken berücksichtigt werden. Das sei von der Programmierung her ausgeschlossen, weil ohne eine digitale Signierung des Patienten keine Änderung möglich sei.

Blockchain könnte sogar gegen Kriminalität im Bereich Patienteneinwilligungen Lösungen bieten. Die Entwickler erinnern in diesem Zusammenhang an den Organspendeskandal: Sind Bewilligungen ausschließlich auf einem Server gespeichert – wie es aktuell noch oft der Fall ist – bleibt unklar, ob illegitime Prozesse an die Öffentlichkeit dringen könnten. Mit der Blockchain träte dieses Problem gar nicht erst auf. 

2. Platz: Andreas Schütz und Tobias Fertig.
2. Platz: Andreas Schütz und Tobias Fertig.

Mit dem dritten Preis des BMG ausgezeichnet wurden Stephanie Widmaier und Volker Nürnberg, die eine Blockchain-Lösung für „Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen“ anbieten. Die Entwickler betonen, dass dank der dezentralen Datenhaltung eine kassenübergreifende Zusammenführung der Gesundheitsberichte erfolgen könne, ohne dass einzelne Kassen Einsicht in die Daten der anderen Kassen erhielten oder eine dritte Instanz beauftragt werden müsse. Auch in diesem Fall käme die hohe Datensicherheit bei der Verwendung von Blockchain zum Tragen. Verlässliche Zahlen darüber, wie häufig Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen gefälscht werden, gäbe es indes nicht. Experten schätzen den Missbrauch auf eine Quote von 1 bis 2 Prozent. Dabei geht es beispielsweise darum, beim Arbeitgeber eine Krankschreibung vorzutäuschen oder um Fälschungen zur Erlangung von Krankengeld. 

Die aufwändigen Forschungen verschiedener Experten und das Engagement des Gesundheitsministeriums zeigen, dass das Thema Blockchain Relevanz besitzt. Kritische Beobachter des bundesdeutschen Gesundheitswesens räumen allerdings ein, dass es immer wieder scheinbar relevante Themen gibt, die es im Zuge widerstreitender Partikularinteressen über den Projektstatus nicht hinausschaffen. Im Gespräch nehmen die Gewinner zu den Zukunftschancen ihrer Projekte Stellung. Nürnberg und Widmaier verweisen darauf, dass Deutschland bei der Digitalisierung hinterherhinke – in Amerika sei man beim Thema Blockchain schon deutlich weiter. Auch sei eine kurzfristige Umsetzung schon deshalb ausgeschlossen, da viele Stakeholder eingeschlossen werden müssten, so die Einschätzung der Experten. Zudem bedürfe es eines Gesetzes und eines entsprechenden Gesetzgebungsverfahrens. Im Klartext: Viel Vorarbeit und Zeit sowie politischer Konsens – gerade letzterer Punkt glänzt bekanntlich durch Seltenheit.

3. Platz: Prof. Volker Nürnberg und Stephanie Widmaier.
3. Platz: Prof. Volker Nürnberg und Stephanie Widmaier.

Was sind Blockchain-basierte Smart Contracts?

„Smart Contracts“ sind automatisierte Verträge, die durch die Blockchain-Technologie ermöglicht werden. Im Gegensatz zu gewöhnlichen Verträgen ist kein menschlicher Zugriff nötig, um diese Verträge zu realisieren. Dies kann im Rahmen sicherer Anwendungen interessant sein. Die Blockchain-basierten Verträge können unabhängig von dritten Personen wie Notaren abgeschlossen werden. Perspektivisch ist ihr Einsatz beispielsweise bei demokratischen Wahlen denkbar.

Was sind Hashwerte?

Hashwert ist ein Begriff aus der Computertechnik. Hierbei geht es um eine Verschlüsselungsform, die eine beliebige Zeichenfolge in eine Zeichenfolge mit fester Länge umwandelt. Aus dieser erzeugten Zeichenfolge lässt sich der Ursprungswert nicht wieder rekonstruieren. Diese Verschlüsslungsform wird beispielsweise für den Abgleich von Passwörtern verwendet.

24.04.2019

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