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News • Studie zu gerinnungshemmender Mediaktion

Antikoagulation nach Schlaganfall bei Vorhofflimmern: lieber früher als später

Vorhofflimmern erhöht das Risiko für Schlaganfälle um den Faktor vier bis fünf. Nach einem ersten Hirninfarkt kommt es sehr oft zu einem Folgeereignis. Das Risiko eines Zweitschlaganfalls kann durch gerinnungshemmende Medikamente vermindert werden.

Der richtige Zeitpunkt für den Einsatz von Antikoagulanzien nach einem Hirninfarkt ist unklar, da die Substanzen das Risiko für Einblutungen erhöhen. Nutzen und Risiko sind also gut abzuwägen. Eine neue Investigator-initiierte Studie, veröffentlicht im New England Journal of Medicine, verglich den frühen versus späten Beginn einer Antikoagulation in dieser Situation. Im Ergebnis erwies sich der frühzeitige Beginn als sicher. Dennoch muss das Ergebnis noch vorsichtig interpretiert werden. 

Vorhofflimmern (VHF) erhöht das Risiko für ischämische Schlaganfälle um das Vier- bis Fünffache. Bei dieser Form der Herzrhythmusstörung flimmert das Herz so schnell, dass es de facto zu einem Stillstand der Blutzirkulation kommt. Dabei können sich Blutgerinnsel im linken Herzvorhof bilden, die dann über den Blutstrom in Hirnarterien gelangen und diese „verstopfen“ können – und damit einen ischämischen Schlaganfall auslösen.

Der Einsatz der Antikoagulation sollte immer individuell sorgfältig abgewogen werden. Dafür sind Vorbehandlung, Infarktschwere, Alter und Blutungsneigung wichtige Kriterien

Götz Thomalla

Die Sekundärprophylaxe nach einem embolischen Hirninfarkt bei VHF stellt eine besondere Herausforderung dar, da hier erfahrungsgemäß an den ersten zwei Tagen das Risiko für weitere Ereignisse besonders hoch ist. Es läge also nahe, sofort mit einer gerinnungshemmenden Therapie zu beginnen – das Problem ist jedoch, dass alle oralen Antikoagulanzien das allgemeine Blutungsrisiko prinzipiell erhöhen und darüber hinaus das Hirngewebe nach einem Schlaganfall besonders empfindlich ist und es leichter zu Einblutungen in das betroffene Areal kommen kann. 

Der optimale Zeitpunkt, um in dieser speziellen Situation mit der der oralen Antikoagulation zu beginnen, liegt laut Leitlinien bei der Mehrheit der Betroffenen zwischen Tag 4 und 14. Er sollte individuell festgelegt werden und richtet sich nach der Infarktgröße und Begleitfaktoren. Ein zu früher Beginn, so die verbreitete Sorge, könnte mit einem erhöhten Risiko sekundärer Einblutungen in das Schlaganfallareal einhergehen. Kleinere Studien gaben allerdings bereits Hinweise darauf, dass eine frühzeitige Antikoagulation sicher und vorteilhaft sein könnte, da die klinischen Vorteile das Blutungsrisiko deutlich überwiegen. 

Um dies genauer zu analysieren und künftig einen konkreteren Anhalt für das Timing der oralen Antikoagulation zu haben, wurde eine Investigator-initiierte internationale Studie (an über 100 Zentren in 15 Ländern) durchgeführt. Die ELAN-Studie („Early versus Late initiation of direct oral Anticoagulants in post-ischemic stroke patients with atrial fibrillatioN”) verglich den frühen mit dem späten Beginn der Antikoagulation bei Menschen mit VHF und erlittenem Hirninfarkt. Der frühe Beginn war definiert als Gabe von Antikoagulanzien binnen 48 Stunden nach einem leichten oder moderaten Schlaganfall und binnen 6-7 Tagen nach einem schweren ausgedehnten Hirninfarkt. Bei Patienten der Vergleichsgruppe wurde die Therapie erst 3-4 Tage nach leichtem Schlaganfall begonnen, 6-7 Tage nach moderatem und 12-14 Tage nach schwerem Schlaganfall, entsprechend der derzeit üblichen klinischen Praxis. Der zusammengesetzte primäre Endpunkt (über 30 Tage) bestand aus ischämischen Folgeschlaganfällen, systemischen Embolien (d.h. Gerinnselverschleppung in andere Organe), großen extrakraniellen Blutungen, symptomatischen intrakraniellen Blutungen und Tod aufgrund vaskulärer Ursachen.

Insgesamt wurden 2.013 Patienten ausgewertet. 3% hatten einen leichten Schlaganfall erlitten, 40% einen moderaten, 23% einen schweren. 1.006 der Studienteilnehmer erhielten eine frühe Antikoagulation, 1.007 eine späte. Innerhalb von 30 Tagen trat in der frühbehandelten Gruppe bei 29 Patientinnen und Patienten ein primäres Endpunktereignis auf, in der Vergleichsgruppe mit der später begonnenen Antikoagulation bei 41. Einen Folgeschlaganfall erlitten innerhalb von 30 Tagen 14 Personen aus der früh antikoagulierten Gruppe und 25 aus der spät antikoagulierten Gruppe, nach 90 Tagen 18 vs. 30 Betroffene. Zu symptomatischen intrakranialen Blutungen kam es in beiden Gruppen nur bei zwei Personen. Große extrakranielle Blutungen traten bei drei Studienteilnehmern in der „Frühgruppe“ und bei fünf in der „Spätgruppe“ auf. 

Das Autorenteam weist auf mögliche Limitationen der Studie hin. Zum einen waren mit Antikoagulanzien vorbehandelte Patienten nicht eingeschlossen worden, zum anderen war der Schlaganfallschweregrad (NIHSS-Score) insgesamt gering. 

„Das Studienergebnis ermutigt dazu, die Antikoagulation eher frühzeitig zu beginnen,“ erklärt Prof. Dr. Götz Thomalla, Hamburg, Leiter der DGN-Kommission zerebrovaskuläre Erkrankungen. „Es gab keinerlei Hinweis auf ein erhöhtes Blutungsrisiko bei früherem Beginn. Allerdings ist Zurückhaltung bei der Interpretation der Studie angebracht. Eine Überlegenheit des frühen oralen Antikoagulation konnte nicht gezeigt werden, dies war aber auch nicht das Ziel der Studie. Der Einsatz der Antikoagulation sollte immer individuell sorgfältig abgewogen werden. Dafür sind Vorbehandlung, Infarktschwere, Alter und Blutungsneigung wichtige Kriterien. Eine allgemeine Empfehlung für einen frühen Therapiebeginn lässt sich allein aus dieser Studie nicht ableiten, die Ergebnisse können allerdings helfen, insbesondere bei Patientinnen und Patienten mit hohem Rezidivrisiko mutiger zu sein im Hinblick auf einen frühen Beginn der oralen Antikoagulation.“ 


Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie

09.06.2023

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