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EU-Verordnung kommt, viele Fragen bleiben

Die neue Medical Device Regulation (MDR) stand im Mittelpunkt des Medica Tech Forums am Montag. Die Aktualität des Themas zeigte sich auch dadurch, dass die wenigen Plätze der Veranstaltungsfläche schnell besetzt und eine Vielzahl an Besuchern der Veranstaltung stehend folgen musste. Hans-Peter Bursig, Geschäftsführer des Fachverbandes Elektromedizinische Technik im ZVEI räumte sogleich mit einer vagen Hoffnung auf, die manch einer möglicherweise noch hegte. „Die neue Verordnung wird kommen“, betonte er.

Bericht: Sylvia Schulz

Portraitfoto von Hans-Peter Bursig
Hans-Peter Bursig, Geschäftsführer des Fachverbandes Elektromedizinische Technik im ZVEI.

Nach etlichen Anpassungen liegt mit dem MDR-Text vom 9. August 2016 nun die (vorläufig) letzte offizielle Version vor. Bursig rechnet damit, dass diese bis zum kommenden Frühjahr in Kraft treten wird. Von großen Änderungen geht er nicht aus, technische Anpassungen und Angleichungen werden voraussichtlich noch kommen. Auf eine Besonderheit der EU-Verordnung machte er explizit aufmerksam: „Eine nationale Implementierung ist nicht notwendig.“ Mit dem Erlass ist die Verordnung also geltendes Recht in Deutschland. Entsprechende Regelungen im MPG werden damit hinfällig, lediglich Passagen, die nicht durch die MDR abgedeckt werden, könnten weiterhin bestehen bleiben. 

Konkret läuft das Procedere folgendermaßen ab: Genau am 20. Tag nach der Veröffentlichung im EU-Amtsblatt beginnt eine dreijährige Übergangsfrist. Während der Übergangsfrist darf weiterhin das MPG angewendet werden. „Eine Vielzahl von weiteren Rechtsakten zur Umsetzung kann aber erst nach der Veröffentlichung der MDR erarbeitet werden“, berichtete der Geschäftsführer. „Erst dann wissen wir, was auf die Hersteller zukommt“, betonte auch Nadine Benad von Spectaris. Beide Organisationen raten jedoch vor allem den Kleinen und Mittleren Unternehmen (KMU), sich rechtzeitig mit der neuen Verordnung auseinanderzusetzen. „Es ist sinnvoll, sich jetzt schon darauf vorzubereiten. Es bleibt nicht viel Zeit, Sie werden die drei Jahre brauchen“, mahnte  Bursig. 

Dr. Peter Gebhardt, Berater und ehemaliger Mitarbeiter der Drägerwerk AG, sowie Patricia Gehrlein von der Siemens Healthcare GmbH, beschäftigten sich mit den konkreten Auswirkungen auf die Industrie. „Viele Köche verderben den Brei“, fasste Gebhardt seine Einschätzung zusammen. Während beispielsweise einige „Auswüchse“ wie etwa eine Zentrale europäische Zulassungsstelle analog zu den Arzneimitteln doch nicht realisiert wurden, werden andere Verschärfungen nun umgesetzt. Dass es bei dem Modell der Konformitätserklärung durch den Hersteller bleibe sei aber grundsätzlich als Erfolg zu sehen. Generell stellt Gebhardt eine „Höherklassifizierung“ der Produkte fest und damit ein strengeres Procedere bei der Zulassung. Als weitere Beispiele nannte er gestiegene Anforderungen an die sogenannten „Benannten Stellen“ und höhere Anforderungen an klinische Daten. Dass viele Details noch unklar sind, zeigte Gehrlein am Beispiel von im Medizinbereich eingesetzter Software. Wird sie etwa im Zusammenhang mit einem Medizinprodukt angewendet, soll sie der Risikoklasse des jeweiligen Medizinprodukts zugeschlagen werden, bei anderen Anwendungen gilt sie als „active device“ und könnte damit eine andere Klassifizierung erhalten.

15.11.2016

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