News • Forschung zu Radioligandentherapie
Wirkungs-Boost für radioaktive Krebsmedikamente
Die „Radioligandentherapie“ hat sich als hoffnungsvolle Therapie gegen Prostatakrebs herausgestellt. Mit ihrer Hilfe wird ein radioaktives Isotop „huckepack“ auf einem organischen Molekül in die Krebszelle geschmuggelt, um die diese von innen heraus zu zerstören.
Der Homburger Professor für Nuklearmedizin, Samer Ezziddin, möchte gemeinsam mit seinem Mitarbeiter, dem Radiochemiker Mark Bartholomä, und Kollegen der Universität Brest den Transport der radioaktiven „Strahler“ erheblich verbessern. Dies könnte auch der Behandlung anderer Krebsarten einen Schub geben. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert das Projekt mit rund 250.000 Euro für drei Jahre.
Krebs ist ein tückischer Gegner. Das gilt natürlich zuallererst für die Patienten, die an einer Krebserkrankung leiden. Aber das gilt in zweiter Linie auch für diejenigen, die ihn heilen möchten. Zu diesen gehört Samer Ezziddin, der dem Krebs mit ausgefeilten Listen zu Leibe rückt. Der Professor für Nuklearmedizin an der Universität des Saarlandes und Direktor der Klinik für Nuklearmedizin am Universitätsklinikum des Saarlandes ist einer der weltweit führenden Experten auf dem Gebiet der Radioliganden-Therapie, insbesondere gegen das Prostatakarzinom. Bei dieser speziellen Therapie wird ein radioaktives Isotop, meist eines Metalles wie Lutetium oder Actinium, auf einem Peptid „huckepack“ zum Tumor gebracht. Dort dockt dieses Molekül über einen so genannten Liganden am Tumor an. Über diese, vereinfacht gesagt, wie ein loser Faden frei „herumwedelnde“ Verbindung wandert der radioaktive Strahler ins Tumorinnere und zerstört die wuchernden Zellen zielgenau in einem winzigen Umkreis, der oftmals nur den Bruchteil eines Millimeters groß ist. Der Prostatatumor bietet sich dafür besonders gut an, da er eine einzigartige Struktur auf seiner Oberfläche hat, die besonders gut zum „Andocken“ geeignet ist: das „Prostataspezifische Membranantigen“ (PSMA).
Das funktioniert bisher schon recht gut. Dank Samer Ezziddins Bemühungen und der seines Teams konnte die Radioliganden-Therapie in den vergangenen Jahren erheblich verbessert werden. Nun strebt er gemeinsam mit dem Leiter der präklinischen Radiochemie in seiner Klinik, Dr. Mark Bartholomä, einen weiteren Fortschritt an. Denn wenn man das Peptid mit zwei Liganden ausstatten könnte, die sich ringförmig um die so genannte metallbindende Einheit des Peptids legen würden, wo der radioaktive Stoff gebunden ist, könnte man die Stabilität des Moleküls erheblich steigern und auch die Wahrscheinlichkeit, dass es am Tumor-Rezeptor andockt. Der frei herumwabernde „Faden“ der bis dato eingesetzten monozyklischen Peptide ist nämlich instabiler und unbeständiger als ein stabiler Ring eines bizyklischen Peptids.
Man kann sich das Ganze wie die Karrosserie eines Autos vorstellen: Das 100 Jahre alte Ford Model T kommt mit seinem wackeligen und schwingenden Chassis auch weniger wahrscheinlich an sein Ziel als ein aktueller Rennwagen mit seinem verwindungssteifen High-Tech-Rahmen. Der frei herumwabernde Ligand des monozyklischen Peptids läuft auf seiner Reise zum Tumor viel eher Gefahr, zerlegt zu werden, als dies ein stabiler Ring eines bizyklischen Peptids befürchten müsste. Und wenn es schließlich am Tumor ankommt, ist die Wahrscheinlichkeit, dort auch richtig anzudocken, ebenfalls viel höher als mit der instabileren Variante.
Aber, man ahnt es, dieses Unterfangen ist nicht trivial. „Das funktioniert nur, wenn die metallbindende Einheit mehr als die übliche eine Bindung hat“, erläutert Mark Bartholomä. Nur so kann es gelingen, die Liganden wie ein Ring um diese metallbindende Einheit zu gruppieren und auch festzuhalten. Denn dafür braucht es mehr als eine Bindung an der metallbindenden Einheit. „Genau so etwas können die Kollegen in Brest und ich aber bauen“, unterstreicht Mark Bartholomä.
„Diese Expertise von Mark Bartholomä und seinen Kollegen ist etwas ganz Besonderes“, stellt auch Mediziner Samer Ezziddin fest, um gleich hinzuzufügen, dass auch die Zusammenarbeit an sich zwischen Klinikern wie ihm und Grundlagenforschern wie Mark Bartholomä in Homburg eine Besonderheit ist. „In vielen Kliniken machen die Mediziner ihr Ding, und die Grundlagenforscher in den Labors machen ihres, aber sie reden nur selten miteinander“, so der Nuklearmediziner. Das ist in Homburg anders, wo der Arzt mit dem Chemiker gemeinsam ein Problem erkannt haben und es nun lösen möchten.
Gelingt es ihnen tatsächlich, ein ringförmiges Peptid zu bauen, auf dem das radioaktive Isotop „huckepack“ reiten kann, wäre dies eine tolle Grundlage für kommende Behandlungsmöglichkeiten. „So könnte aus einer guten Therapie eine bombastische werden“, wagt Samer Ezziddin eine Prognose. Da diese neue Entwicklung eine grundlegende wäre, könnten davon auch Therapien gegen andere Tumore profitieren. Ob aus dem Model T also ein Ferrari werden kann, wird in drei Jahren klar sein. Bis dahin gilt es, den tückischen Gegner mit den bisherigen Mitteln in Schach zu halten.
Quelle: Universität des Saarlandes
18.05.2024