DFG
Was braucht die Universitätsmedizin in Deutschland?
Im Rahmen der Jahresversammlung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) hat der Senat der größten deutschen Forschungsförderorganisation am 30. Juni 2015 Empfehlungen zur „Weiterentwicklung der Klinischen Forschung an der deutschen Universitätsmedizin in den Jahren 2015 – 2025“ verabschiedet.
Diese hatte die Ständige Senatskommission für Grundsatzfragen in der Klinischen Forschung der DFG unter Vorsitz der DFG-Vizepräsidentin Professor Dr. Leena Bruckner-Tuderman vorgelegt. „Damit die Universitätsmedizin auch weiterhin ihre Aufgaben in den Bereichen patienten-, krankheits-und grundlagenorientierter Forschung sowie der Lehre und Patientenversorgung auf höchstem Niveau leisten kann, sehen wir auf verschiedenen Feldern dringenden Handlungsbedarf“, erläuterte Bruckner-Tuderman. Die Senatskommission empfiehlt in dem Papier verlässliche Karrierewege in der Klinischen Forschung und ein modernes Personalmanagement. Besondere Priorität haben aus ihrer Sicht gezielte und langfristige Investitionen in dringend benötigte Infrastrukturen und das damit verbundene Personal, insbesondere in den Bereichen der Klinischen Studien, der individualisierten Medizin, den neuen Methoden der Bioinformatik sowie generell für die Archivierung und Nutzbarmachung von Materialien und Daten. „Die Universitätsmedizin steht derzeit vor besonderen wissenschaftlichen und strukturellen Herausforderungen. Sie werden in dem Papier mit diesen weitreichenden strategischen und förderpolitischen Empfehlungen adressiert“, fasste Bruckner-Tuderman anlässlich der Veröffentlichung zusammen.
„Erst im unmittelbaren Austausch von Erkenntnissen aus klinischer Tätigkeit und Forschung entsteht der Innovationsprozess in der Klinischen Forschung, der für gute Universitätsklinika kennzeichnend ist und der in dieser Qualität überhaupt nur dort stattfinden kann“, zeigt DFG-Präsident Professor Peter Strohschneider das Potenzial der Klinischen Forschung in Deutschland im Vorwort der Empfehlungen auf. Um dieses zu erhalten und auszubauen, hält die Senatskommission erhebliche Investitionen in Technik und Personal für unabdingbar. Auch das wichtige Instrument der Klinischen Studien müsse ausdifferenziert und ausgeweitet werden. „Wir brauchen Freiräume für die Forschung, die eindeutig als Teil der Gesamtaufgaben der Universitätsklinika abgebildet sind, und verlässliche Karrierewege, die angehendes ärztliches Personal schon früh an die Forschung heranführen und halten“, betonte Bruckner-Tuderman und verwies auch auf die im April 2015 von der DFG-Senatskommission veröffentlichten Empfehlungen zu den „Clinician Scientists“.
Dass die DFG sich der Klinischen Forschung erneut zuwendet, begründet sich in verschiedenen Defiziten, die die Senatskommission in dem Papier benennt: Die Strukturen sind nicht zukunftsfähig, Karriereperspektiven für forschende Ärztinnen und Ärzte unzureichend und zugleich gibt es nicht genügend Freiräume für wissenschaftliche Arbeit im Klinischen Alltag. Stagnierende Haushalte, mangelnde Hochschulbauförderung, die zunehmende Erlösorientierung der Universitätsklinika in Zeiten der diagnosebezogenen Fallgruppen, kurz DRG, sowie die Besserstellung nicht-forschender Ärztinnen und Ärzte durch den entsprechenden Tarifvertrag resultieren in einem erheblichen Nachholbedarf der Universitätsmedizin im Bereich der Forschungsstrukturen. Das jüngst aufgehobene Kooperationsverbot von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Gemeinsamen Forschungsförderung sieht die DFG daher als große Chance für eine tiefgreifende Verbesserung der beschriebenen Situation.
Die DFG plädiert vor diesem Hintergrund auch für einen themenoffenen und freien Wettbewerb um Fördergelder. Die staatliche Förderung einzelner Teilbereiche der Klinischen Forschung innerhalb festgelegter thematischer und organisationaler Grenzen sei allein nicht ausreichend und erfordere ein Umlenken. „Wir setzen primär auf die erkenntnisgeleitete und themenoffene Projektförderung in unabhängigen, wettbewerblichen Verfahren“, sagte Bruckner-Tuderman.
Die moderne Universitätsmedizin ist von erheblichen Fortschritten in der biologischen Grundlagenforschung geprägt. Eine wachsende Menge an Informationen steht für die Entwicklung immer präziserer und individuellerer Diagnostik und Therapie zur Verfügung. Um die zugrundeliegenden biologischen Funktionen von der Ebene der Gene und Proteine bis zum Gesamtorganismus verstehen und deren Relevanz sowohl für das Individuum als auch für definierte Patientenkollektive und Kohorten erfassen zu können, müssen die Daten jedoch nachgehalten werden und auswertbar vorliegen. Dazu werden geeignete Assistenzsysteme benötigt, die die Komplexität moderner Forschungsdaten für die damit befassten Menschen beherrschbar machen. Entscheidend aber wird sein, und das wird in den Empfehlungen insbesondere betont, dass es der Universitätsmedizin gelingt, auch zukünftig gut geschultes klinisches Personal mit einem intrinsischen Interesse an und belastbarem Verständnis für Forschung auszubilden und zu halten.
Quelle: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
22.07.2015